(dieser Erlebnisbericht legt keinen Wert auf Vollständigkeit und ist zutiefst subjektiv und möglicherweise zu lang)
Meine Augen sind sehr klein heute morgen und jemand Fremdes steht scheinbar neben mir.
Oder bin das ich, der neben sich steht und sich selber fremd ist. Ich bin mir nicht sicher, nur eines ist sicher: die Nacht war sehr kurz und ich habe sie mit Two Worlds verbracht.
Wie steht es nun um den "Oblivion-" und "Gothic-Killer"? Kann ich dem zustimmen? Interessiert mich diese Frage überhaupt? Nicht wirklich. Ich will eine stimmige Welt, spannend, unterhaltsam, technisch einwandfrei, soweit wie nur möglich bugfrei. Ob sie nun O, G oder 2W heißt, ist mir ehrlich gesagt schnuppe. Gefallen muß sie mir, sonst macht der ganze gehypte Quatsch, das ganze Gefasel der Features, der Innovationen keinen Sinn, leeres Gerede.
Also: wie war die Nacht? Nun, ich habe kaum ein Auge zugemacht, konnte mich kaum loseisen, wild entschlossen, ja fast schon ekstatisch starrte ich, betastete ich, fühlte ich, genoß ich.
Nun, mit Liebe muß dies nichts zu tun haben, manchmal reicht das ästhetische Moment aus, um in einen Rausch zu verfallen, sich gehen, sich fallen zu lassen und hinzugeben. Ohne, daß es eine tiefe Beziehung sein muß. Ist es dann doch 'nur' eine Liaison zwischen mir und 2W?
Beginnen wir von vorne:
Nach wirklich langer Pause begann ich im letzten Jahr damit, meiner langjährig brachliegenden Zockernatur wieder einen Leckerbissen zu gönnen. Gothic 1 und 2. Mit der Liebe und ebenso mit der Leidenschaft ist es wie mit hochwertiger Schokolade: man sollte, man muß einfach mit allen Sinnen wahrnehmen und genießen, die Vorfreude, den Augenblick und die Erinnerung daran, einfach als Ganzes erleben und sich dem Genuß hingeben.
Für mich bargen die beiden mindestens 75 Prozent Kakao in sich, wenig Fett und Zucker, so wie ich es liebe, aber natürlich nicht ohne kleine Wehrmutstropfen. Es folgten andere 'Schmankerl', so wie Arx Fatalis, Knights of The Old Republic, Planescape Torment etc., alles gute, dunkle Zartbitterschokolade - abbrechen, in den Mund führen ... ok, ok. wir müssen jugendfrei bleiben.
Nicht, daß ich alle diese Highlights schon zur Gänze ausgekostet hätte, aber einen Eindruck habe ich doch gewonnen und ich werde alle genannten zu Ende daddeln.
Und dann folgten relativ kurz aufeinander die derzeitigen Genregrößen - zumindest hier in D bzw. in Europa:
Gothic 3 schien - der Verpackung und dem Hype zufolge - in gleichem Maße 75 Prozent zu beinhalten, doch leider war es ein übles Gemisch aus Fett, Zucker und Inhaltsstoffen, die ich mir verbiete zu lesen, wenn ich eine Chips- oder Erdnußflipstüte aufreiße. Man erahnt bei G3 den feinen Geschmack, der über dem Glutamat- und Konservierungsstoffebrei liegt, aber er wurde gewaltsam überdeckt und zum Einheitsmatsch verdorben. Eine kurze, ernüchternde Affäre, die um so vieles tiefer, schöner, wilder hätte sein können, wenn die Entwickler nicht dieselben Fehler begangen hätten, die sie sich als Anfänger erlaubt hatten. Rechnerisch mag es aufgegangen sein - ein fast-food Reastaurant mag gut gehen und benötigt durchaus einer gewissen strukturellen Professionalität, um überhaupt erfolgreich sein zu können - aber um ein Gourmetrestaurant aufzumachen, bedarf es dann doch eines Meisterkoches, eines gut funktionierenden Services und eines professionellen Managements. Wo genau es bei PB in unserem Bild haperte, will ich hier nicht diskutieren, aber 4 Sterne verleihe ich dem Machwerk (trotz seiner durchaus ansprechenden Ästhetik) jedenfalls nicht - auch wenn die zahlreich verliehenen Preise eine andere Sprache zu sprechen scheinen.
Frustriert und enttäuscht suchte ich Trost in den Armen der zweiten vermeintlichen Schönheit des RPG-Genres: Oblivion. Von vielen Fans (wir erinnern uns: Fan kommt von Fanatiker. Ich würde mich altmodisch eher als Liebhaber o.ä. bezeichnen) geschmäht, kaufte ich mir also im Verborgenen den zeitlich früher erschienen Konkurrenten. Doch auch hier ist nicht alles Gold was glänzt. Und auch hier habe ich mich nicht darin verloren, sondern löse in unregelmäßigen Abständen die eine oder andere Queste. Es bleibt das Gefühl von Sterilität. Zu unwirklich wirkt diese Welt auf mich, für mich will kein Gefühl aufkommen, daß die gesamte Welt mit ihren Neben- und Hauptgeschichten ein Ganzes bildet. Es ist die Wiederholung des Immergleichen, ob es sich nun um die Tore, die Dungeons oder die wenig markante und doch recht unbelebte – wenn auch ästhetische ansprechende – Natur handelt. Schöner Schein - wie die Top-Models, die über die Laufstege der bekannten Modezaren wanken, schön anzusehen auf den ersten Blick, aber lüftet man den Schleier, bleibt nur die sterile und magere Nacktheit übrig. Nur die plugins der Begeisterten und Steten und die wunderbaren Nebenquests sorgen dafür, daß wir – zwar zeitlich unstet - doch immer wieder aufs neue entspannende Nächte miteinander verbringen können.
Nun, im Grunde meines Herzens bin ich monogam und möchte mich binden, auch wenn ich damit altmodisch erscheinen sollte. Wenigstens für die Zeit der angegebenen Mindestspieldauer. Was ist nun gestern Nacht geschehen? Hat es geknistert zwischen uns? Reicht es aus, um mich zu binden? Ich werde versuchen, dies in aller Kürze und dennoch detailliert darzulegen.
Das Aktivieren funktionierte ohne Probleme, derzeit bei mir leider nur per Telefon . Zuallererst fiel mir auf, daß die Geräusche für das Bestätigen eines Vorgangs recht laut ausfielen. Das ließ sich unter „Einstellungen“ beheben. Und nun der erste Frust: Kein Intro, welches knackig und in aller Kürze in die Geschichte einführt?! Verdammt, jedes der genannten Spiele hat ein Intro, sogar Gothic 3, nur 2W nicht? Die Hintergrundgeschichte muß ich im Heft nachlesen, ansonsten erfahre ich sie erst im Laufe des Spieles? Nein, ein wenig Fett sollte die Schokolade schon enthalten! (Inzwischen weiß ich: es gibt eines, nur hat mein Rechner dies nicht abgespielt. Ich werde dies erneut testen.) Das nahtlos auf das 'Charakterdesign' folgende, äußerst abgespeckte Tutorial störte mich nicht weiter, für Anfänger ist das aber natürlich eine Katastrophe.
Im weiteren Verlauf treffe ich auf weitere kleine Häßlichkeiten, die mich anfangs doch sehr stören, da 2W ja perfekt sein soll in meinen Augen – nach den vorangegangenen Schlappen. Die Musik wechselt an manchen Stellen ein wenig abrupt in ein anderes, mir nicht immer passend zur Situation oder Örtlichkeit erscheindendes Thema über. Darüber hinaus wird sie beim Umschalten ins Inventar aus mir unerfindlichen Gründen manchesmal gänzlich ausgeblendet und manchesmal nicht (das Inventar, in dem im Übrigen nicht alle Texte ins Deutsche übersetzt wurden). Während die Lippenbewegungen keinesfalls synchron mit dem gesprochenen Text sind und meist weiterlaufen, nachdem dieser beendet ist. Des weiteren fehlt an manchen Stellen der Ton zum Text gänzlich. Nun gut, peanuts. Bis auf den gelegentlichen Schüttelfrost, den der Boden oder die Figur zu haben scheinen, - es ruckelt ab und an mal leicht, aus welchen gründen auch immer - (nicht das Ruckeln, das wir alle kennen, wenn der Rechner in die Knie geht) ansonsten ist aber alles in Ordnung. Nur daß die nicht-questrelevanten NSCs ein wenig arg vor Normal Mapping strotzen (die Schwester wäre übrigens zumindest in Pixelform nicht mein Typ) und nervös umherhoppeln (apropos Hoppeln: sind die Hasen nicht ein wenig zu groß geraten?). Und das Kampfsystem artet bisher schlimmer als in Gothic 3 – dessen Kampfsystem nicht genial ausgefallen ist, mit dem ich aber ausgezeichnet zurechtkomme – in Geklicke aus. Deswegen freue ich mich schon auf die Zeit, in der ich nur noch der Magie bedarf. Allerdings habe ich mit der Kamera(führung) keinerlei Probleme, nur in etwas zu engen Räumen. Aber in welchem Spiel ist das nicht der Fall. Und dieses äußerst widerborstige Pferd will nicht so wie ich gerne will. Aber das kriege ich noch hin. Und außerdem: wir sind ja nicht im Kindergarten (übrigens: die Viecher stehen einfach zu häufig in der Pampa herum. Das hätte etwas anspruchsvoller bzw. questnaher gelöst werden können).
Hm, war das Alles? Abstürze? Fehlanzeige. Ewiges Nachladen? Fehlanzeige. Ruckeln? Fehlanzeige. Bugs? Fehlanzeige.
Ich zitiere mich selber: „Also: wie war die Nacht? Nun, ich habe kaum ein Auge zugemacht, konnte mich kaum loseisen,
wild entschlossen, ja fast schon ekstatisch starrte ich, betastete ich, fühlte ich, genoß ich.“
Daraus bestand der Rest des Abends. Die Welt ist wunderschön, die Ambientegeräusche vermitteln unterstützend den Eindruck einer lebendigen Welt (nur der Wind in Thalmont geht mir langsam auf den Nerv; bei G3 war es das Knattern der nicht ordentlich ausgegebenen Ambientesounds), die bisherige Handlung so wie die Quests haben mich nicht umgehauen, aber sie fesselten mich an Maus, Tastatur und Bildschirm. In fünf Stunden keine einzige Pause. Das ist mir das letzte Mal bei Gothic 2 passiert. Und ich bin äußerst gespannt, wie es weitergeht. Denn den Konflikt zwischen den Clans kann man einfach nicht übersehen, und das Gebaren der Bruderschaft ebenfalls nicht. Gerüchte aus dem mittleren Süden machen die Runde. Und Reist, der miese Handlanger Aziraals ...
Zum Glück kann man – auch nicht mit dem transportablen Teleportstein – keinesfalls alles nur noch per Schnellreisefunktion erledigen. Denn in der Welt gibt es genug zu sehen und zu erleben. Es lohnt sich also, umherzuwandern. Die Reisewege störten mich nur deswegen, weil ich es nicht erwarten konnte, voranzukommen, ich also vor lauter Ungeduld auf dem Stuhl herumzappelte!
Zuletzt noch eine kleine Kritik: das Handbuch finde ich durchweg gelungen. Kein Gelabere, keine riesigen Bilder mit wenig Text für Analphabeten; die wichtigsten Informationen (einschließlich Hintergrundgeschichte) zwar umfangreich aber knapp dargelegt. Nur die Punktevergabe bei den Skills und Basiswerten sind nicht exakt genug erläutert. Und ich hätte mir ein wenig mehr Anleitung zum Bombenlegen und Fallenstellen gewünscht sowie zum Drag&Drop-system. Die Anwendung finde ich nämlich nicht unbedingt intuitiv, sondern im ersten Moment verwirrend. ---
Natürlich handelt es sich nicht um Liebe oder Leidenschaft. Aber es sieht so aus, als würde mich endlich wieder ein RPG an den Bildschirm fesseln können und zwar über längere Zeit. Ich fiebere dem Zocken heute Abend nicht entgegen – dafür bin ich zu müde und ich werde vermutlich auch nicht lange aushalten. Aber ich freue mich darauf, 2W in den nächsten Wochen immer wieder aufs Neue zu starten und in die Zwei Welten einzutauchen.
Gruß, Apocolocyntosis