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  1. #1
    DA-FRPG only Avatar von Rhaego Alcaryen
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    Zirkel der Magier, Ferelden
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    Standard Das Nichts - Der Turm des Zirkels in Ferelden

    Die berauschende Anwesenheit des Lyriums pochte noch immer in seinen Adern, als Rhaego die Augen aufschlug. Er fühlte sich benommen und merkwürdig steif. Mühsam stemmte er sich vom Boden hoch. Wie er dort gelandet war, wusste er nicht. Aber eines wusste er, hell und klar brannte es in seinem Bewusstsein: Er hatte den Dämon besiegt. Er hatte sich standhaft gezeigt, wieder und wieder, hatte sich gegen seine Verlockungen gestellt, die Versprechungen von Freiheit ignoriert... Er hatte es geschafft. In den Augen der Verzauberer um ihn herum sah er eine leise, anerkennende Bestätigung. Er hatte es geschafft. Den Dämon besiegt. Die Läuterung bestanden.
    Er richtete sich ganz auf. Ein Lächeln der Erleichterung kam über ihn. Endlich war es vorbei. All die Befürchtungen, all die Furcht... vorbei!

    Dann blickte er Dylan an und all seine Erleichterung zerfiel zu Asche, als er dessen kalten und berechnenden Blick sah. Natürlich hatte es Dylan sein müssen, der seine Läuterung beaufsichtigte. Vermutlich war er der Auserkorene gewesen, der ihm im Falle seines Scheiterns das Schwert in den Leib gerammt hätte. Vermutlich hätte ihm das überhaupt nichts ausgemacht, nicht mehr als das Zerdrücken einer Fliege an der Wand. Ob er sich wohl ärgerte, dass ihm das entgangen war? Dylans Gesichtsausdruck verriet nichts, lediglich dieses Abwägen, das Rhaego einen Schauer über den Körper jagte.
    Schließlich öffnete der Templer den Mund und sagte ein einziges Wort: „Nein.“
    Wie ein Faustschlag traf es Rhaego, ließ ihn wanken. „Was?“ Das darf doch nicht wahr sein! Sechs Jahre der Vorbereitung, das kurze Hochgefühl des Erfolges... und jetzt das. „Aber ich habe alles richtig gemacht! Der Dämon ist besiegt!“
    Dylan zuckte mit den Schultern. „Ich traue dir immer noch nicht, Magier. Wir alle haben es gesehen – die größte Verlockung ist für dich den Turm zu verlassen. Früher oder später wirst du dieser Verlockung nachgeben und abtrünnig werden.“
    „Das ist der Grund? Welchen Magier verlockt das nicht?“, rief Rhaego ungläubig aus. Er sah sich zu den Verzauberern um, doch wo er zuvor freundliche Anerkennung gesehen hatte, war nun nichts mehr, höchstens ein Schatten aus Angst. Nein. Sie würden ihm nicht helfen. Natürlich nicht. Er war auf sich allein gestellt.

    Auf Dylans Kopfbewegung hin traten die Verzauberer einige Schritte zurück, während die anwesenden Templer ihren Kreis um ihn herum enger zogen. Rhaego blickte hektisch von einem zum anderen, dann wandte er sich wieder an Dylan: „Ist das ein Test? Noch ein Test? Ob ich mich beherrschen kann? Ob ich meine Lektion gelernt habe?“
    Mit seinen eiskalten, ausdruckslosen Augen schüttelte der Templer den Kopf. „Nein. Kein Test. Ich traue dir nicht. Aber ich lasse dir die Wahl: Die Besänftigung oder der Tod. Deine Entscheidung.“
    „Bitte?“ Rhaego konnte nicht glauben, was er hier hörte. „Es gibt keine Rechtfertigung dafür! Ich habe die Läuterung bestanden! Das Zirkelgesetz verbietet die Besänftigung eines Magiers nach der Läuterung!“ Wieder blickte er sich hilfesuchend um, doch er fand nichts. Die Verzauberer standen still im Hintergrund, die meisten hatten den Blick gesenkt. Um ihn herum war lediglich der dichte Kreis der Templer. Vor ihm wartete Dylans ausdrucksloser Blick. Panik stieg in ihm auf, wilde, unbeherrschbare Panik. „Ihr könnt das nicht tun!“, rief er. „Ich habe alles richtig gemacht! Ihr alle habt es gesehen! Der Dämon ist besiegt! Was verlangt ihr sonst noch?“
    „Deine Entscheidung. Ich weiß, dass du uns verraten wirst. Aber nicht während meiner Wache. Also wähle: Besänftigung oder Tod?“
    Entsetzt schüttelte Rhaego den Kopf. „Nein!“, keuchte er. „Ihr habt dazu kein Recht! Ihr dürft nicht...“
    Mit einem scharrenden Geräusch zog Dylan sein Schwert. Rhaegos Herz pochte wie wild. Erneut blickte er sich um, doch er fand keinen Ausweg. Das Nichts war so verlockend nahe mit all seiner ungestümen Macht, doch gegenüber den Templern war es nutzlos. Panisch schüttelte er den Kopf.
    „Bitte! Ich habe doch alles gemacht! Die Läuterung ist bestanden!“

    Dylans Schwert glänzte bedrohlich im Licht der Fackeln, während der Templer einen Schritt auf ihn zu kam, doch es waren die starren, ausdruckslosen Augen, die Rhaegos Panik noch steigerten. „Besänftigung oder Tod“, wiederholte Dylan. „Wähle!“
    Rhaegos Mund war wie ausgetrocknet. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, ohne ein weiteres Wort herauszubringen. Unaufhaltsam trat der Templer einen Schritt nach vorne. Seine Hand schnellte vor und krallte sich über der Brust in Rhaegos Gewand. Schnell wie eine Schlange schoss die Klinge vor und ihre Schneide kam direkt vor Rhaegos Kehle zur Ruhe.
    „Wähle!“

  2. #2
    DA-FRPG only Avatar von Rhaego Alcaryen
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    Nein! Das durfte nicht so enden! All die Jahre im Zirkel, in denen er sich zurückgehalten hatte, sich mühsam beherrscht hatte! Wie oft hatte er sich in seine Studien vergraben, um nicht an die Gefängnismauern des Turmes zu denken, hatte sich nach seiner Läuterung eine Sprache nach der anderen angeeignet... Moment! Was dachte er da? Jetzt war seine Läuterung, und obwohl er sie bestanden hatte, fühlte sich Dylans Schwertspitze an seiner Kehle so kalt, so endgültig an.
    Besänftigung oder Tod! Irgendetwas war falsch. So durfte es nicht enden!

    „Rhaego! Was macht ihr da! Geht weg von ihm!“
    Der laute Ruf riss ihn aus seiner Panik. Unwillkürlich flackerte sein Blick von Dylans kaltem Gesicht zu der Gestalt am Rande des Saals. Es war Alrik!
    Alrik? Du kennst keinen Alrik! Er wusste genau, dass er diesem Mann noch nie begegnet sein konnte, denn er hatte den Turm die letzten Jahre nicht verlassen können.
    Der Moment, als er den Turm endgültig hinter sich gelassen hatte, an der Seite seiner neuen Gefährten – und einen letzten Blick zurück trotz aller Vorsätze nicht hatte verhindern können.
    Nein! Er hatte den Turm nie verlassen – wie denn auch? Sein einziges Ziel in den letzten Jahre war es gewesen, endlich die Läuterung zu überstehen! Dylans kalter Blick fing ihn wieder ein. „Das ist dein Ende, Magier“, sagte er ganz ruhig, so kalt wie Stahl und doch völlig unbeteiligt.

    „Nein! Rhaego!“ Alrik bahnte sich einen Weg durch die Verzauberer, die ihn verwirrt passieren ließen. Doch die Templer waren nicht so nachlässig. Zwei gezogene Schwerter ließen Alrik innehalten. Trotzdem blickte er weiterhin fest in Rhaegos Augen. „Das ist nicht real, Rhaego! Ich weiß nicht, was los ist – es ist eine Art Albtraum... Irgendwas ist passiert, als wir mit dem Wiedergänger gekämpft haben... aber es ist nicht real!“
    Albtraum... Wiedergänger... Die Worte hallten in Rhaego wieder. Kurze Erinnerungsfetzen blitzten in ihm auf – wie konnten es Erinnerungen sein, wenn er den Turm nie verlassen hatte? – aber viel stärker waren die Mahnungen, die seine Lehrer ihm für die Läuterung mitgegeben hatten. Das Nichts ist wie ein Traum – es kann ein angenehmer Traum sein, oder die Summe all deiner Ängste. Aber es ist nicht real und seine Dämonen können dir nur schaden, wenn du ihnen glaubst!
    Der junge Bursche und seine Läuterung – sie passten nicht zusammen. Eines von ihnen war nicht real! Aber wie konnte er diese Täuschung durchdringen? Wankte etwa Dylans Schwert?
    Doch als er dem Templer in die Augen blickte, war dort kein Zögern, keine Ungewissheit.
    „Dann nimm den Tod!“, sagte er kalt und holte zu einem Stoß in Rhaegos Herz aus.

    Instinktiv reagierte Rhaego, noch ehe er darüber nachdenken konnte. Wie so oft zuvor griff er ins Nichts und besiegelte damit sein Schicksal. Ein Ruf ertönte von den Templern und mehrere wandten sich ihm zu, ihre erhobenen Hände von blauem Glühen umgeben. Er spürte ihre lyriumverstärkte Kraft an ihm zerren, während sie seine Verbindung mit dem Nichts kappen wollten. Doch sie hatten keine Chance. Das Nichts war nicht wie sonst fern und nur mühsam erreichbar, es loderte überall um Rhaego herum auf, pochte in seinen Adern, durchströmte ihn mit seiner Kraft. Und noch ehe Dylans Schwert langsam, wie durch Wasser, auf ihn zu schoss, wusste er eines mit Gewissheit: Dies war nicht der Turm der Magier. Er erinnerte sich zu genau an dieses berauschende Gefühl in seinen Adern, das er bei seiner Läuterung gefühlt hatte, dieser Hochgenuss, im Nichts nach der Magie zu greifen, die ihn überall umgab, anstatt wie sonst von der Welt der Sterblichen abgetrennt zu sein. Nun wusste er es mit absoluter Gewissheit: Er befand sich auf der anderen Seite des Schleiers. Die Erinnerung kam zurück, an Alrik, an Juliette, an Leirâ, und an die letzten Neuzugänge der Gruppe, Xydia und Rowen, und die Umstände ihrer Begegnung. An den Wiedergänger, vor dem sie schon erfolgreich geflohen waren, nur um dann doch erneut von ihm eingeholt zu werden.

    Rhaego blickte zu Alrik, sah erneut die Bestätigung in seinem Blick, neben seiner Besorgnis und dem Flehen, er möge dieses Trugbild durchschauen. Ruhig, als hätte er alle Zeit der Welt – denn er hatte alle Zeit – wandte er sich zurück, sah in Dylans Gesicht, nun nicht mehr desinteressiert ausdruckslos, sondern von Wut verzerrt, während seine Hand noch immer zu dem tödlichen Stoß nach vorne schnellte und die Schwertspitze sich ihrem vorherbestimmten Ziel Millimeter um Millimeter näherte. Das Nichts brannte in Rhaego, erfüllte all seine Sinne, umgab ihn grenzenlos zu allen Seiten. Er blickte auf Dylan und wusste, dass er ihn vernichten konnte, ihn, die anderen Templer und die Verzauberer. Er konnte den ganzen Turm dem Erdboden gleichmachen und es würde ihn nicht mehr kosten als einen einzigen, kleinen Gedanken.
    Aber das musste er gar nicht. Der Turm war nicht real, ebenso wenig wie Dylan oder das Schwert, das ihn einen Herzschlag zuvor dennoch hätte töten können. Aber nun nicht mehr.
    Rhaego blickte seinem Erzfeind in die Augen, durchschaute ihn, und sprach dann, ganz entschieden, ohne die geringsten Zweifel, ein einziges Wort: „Nein.“
    Und der Traum zerfiel, zersprang in tausend Scherben und hinterließ nur Schwärze.

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