Audaxius schläft regelmäßig bei mir auf der Couch oder in meinem eigenen Bett Ich habe es schon vermisst, auch wenn Drachen wirklich furchtbar warm sind...

„Du lieber Himmel…“
Der Doc sieht auf. „Was ist nun wieder?“
„Ich habe gerade den Anruf wegen des Mauerfuchs erhalten. Sie wollen das Ei wirklich schnellstens in irgendeiner Station wissen, und… nun ja… ach, was rede ich da, ich habe natürlich zugesagt.“
Der Doc zuckt unbeeindruckt die Schultern. „Kleine Biester sind das, aber altpreußisch, selbst wenn Wilddrache drin steckt.“
Sieht ihn an. „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“
Doc: „Ich bin Besitzer eines reptilischen Köters, mich schockt nichts mehr.“
„Wo ist das Ei jetzt überhaupt?“
Doc: „In der Praxis, unter einer Wärmelampe.“
„Ich schätze, du kannst es wieder herbringen. Aaryy hat mit Züchtern Kontakt aufgenommen. Ich werde mindestens den Schnitter los, den Chansson-de-Guerre unter Umständen und den Garde-de-Lyon, wenn ich es geschickt anstelle.“
Doc: „Sind das nicht Requiscats Eier?“
„Ja, sind es. Ich weiß nicht recht, ob ich sie weggeben kann. Natürlich gehören sie mir, aber sicher wird Requiscat sie gern schlüpfen sehen wollen.“
Doc: „Nana, hier können sie doch immer wieder herkommen. Ich würde sagen, begrüße den freien Platz.“
„Ich weiß nicht…“
Lautes Flügelrauschen unterbricht sie. Beide gehen nach draußen und sehen Hagen landen, auf dem die beiden Mediziner sitzen. Der Doc greift sich an die Stirn. „Lass mich raten: Noch mehr Kollegen?“
Lächelt. „Ich fürchte ja.“
Schon beugt Hagen den Kopf zu ihnen herunter und schnüffelt prüfend am mittlerweile verheilten Bein des Arztes. „Nun? Wie ich sehe, ist alles wieder in Ordnung, ja?“
Doc: „Natürlich, alles bestens.“
Hagen schnaubt und lässt sich nieder, sodass die beiden absteigen können. „Nun gut, dann zeigt uns mal die Exponate.“
Er und der fremde Mediziner begrüßen sich mit einem warmen Händedruck. „Wir bedauern es, so hereinzuplatzen, aber wir haben zwischen unseren Sprechzeiten nicht viel Gelegenheit. Wenn wir also bitte gleich zum Grund unseres Besuches vorstoßen könnten…“
„Natürlich, natürlich.“ Dreht sich um. „Audaxius? Kommst du bitte?“ Dann wendet er sich an Betzy. „Liebes, bringst du mir bitte Paxton?“ Ein kurzes Nicken, dann ist Audaxius auch schon bei ihnen und flattert aufgeregt. „Oh, sind Sie gekommen, um mich zu sehen?“
Sofort kniet sich die Ärztin hin und streichelt fasziniert das Junge, das sich erfreut in ihre Hand schmiegt. Mit dem Finger fährt sie die Flecken nach. „Wie die Farbgebung verläuft… Hast du schon einmal etwas Vergleichbares gesehen, Liebling?“
Arzt: „In der Form nicht, aber ich hatte mal einen Wilddrachen, bei dem ein einziger Flecken am Hals weiß war. Der Rest hielt sich normal braun. Eine solche Ausprägung habe ich nicht erwartet. Ich tippe auf Leuzismus, und zwar fast vollständig. Vermutlich kam es zu einer Störung der Pigmentverteilung noch während der Eiphase.“
Ärztin: „Denkst du, es ist genetisch bedingt?“
Arzt: „Sicherlich, aber Betzy…“
Paxton kommt langsam auf sie zu gelaufen und erregt ihre Aufmerksamkeit. Mittlerweile ist er beinahe so groß wie Betzy und spricht noch immer nicht. Als die Ärztin ihn aber streichelt, sagt er plötzlich: „Ich wusste, dass du zurückkommst.“ Er spricht beinahe unverständlich, mit einem schweren, portugiesischen Dialekt. Aber er spricht, zusammenhängend.
Ärztin: „Oh, mein Liebling.“
Hagen verdreht die Augen. „Großer Gott, als ob er noch ein Küken wäre.“
Räuspert sich etwas unbehaglich, nachdem er sie eine Weile beobachtet hat, wie sie ihre Wiedersehensfreude teilen. „Haben Sie… haben Sie schon einmal daran gedacht, ihn zu übernehmen?“
Sie dreht sich um und starrt ihn an.
„Ich frage nicht aus Eigennutz. Es ist offensichtlich, dass er bei Ihnen besser aufgehoben wäre. Weder mir noch dem Doc gegenüber hat er je auch nur ein einziges Wort geäußert. Sicher können Sie ihn auch viel besser einschätzen und richtig mit ihm umgehen.“
Noch immer sieht sie fassungslos aus, aber in ihrem Streicheln liegt eine nachdenkliche Geste.
„Wenn es Ihnen lieber ist, können Sie es ja mal für ein paar Tage versuchen. So junge Drachen können ohnehin nicht von heute auf morgen weggegeben werden. Ich rate dazu, zum Wohl des Drachen.“ Um seine Behauptung zu unterstreichen, versucht er, Paxton zu streicheln, doch das Junge weicht vor seiner Hand zurück und dreht unbehaglich den Kopf vor der Brust.
Im Gegensatz dazu kann die Ärztin ihn ohne Komplikationen anfassen. „Ich… ich werde darüber nachdenken.“
Unterdessen hat sich der Arzt wieder Audaxius zugewandt. Dieser dreht neugierig den Kopf nach hinten und kreischt plötzlich auf, dann flattert er eilig in die Arme seines Ziehvaters und wirft ihn dabei zu Boden. „Oh!“, jammert er. „Oh, das war aber nicht schön!“
Arzt: „Entschuldige, Kleiner, aber das musste sein.“ Lächelt, als Audaxius sich an Castiels Brust drückt. „Oh…“
„Haben Sie ihn…?“
Arzt: „Ja, habe ich, wenn ich schon mal da bin. Untersucht wurde er auch schon, nur den Chip hat er noch nicht. Das können Sie ja machen. Wie ich hörte, haben Sie persönliche Erfahrungen damit.“ Wieder lächelt er.
Etwas angesäuert fragt er: „Sagen Sie, gibt es unter Drachenärzten keine Schweigepflicht?“
Arzt: „Doch, nur leider sind Sie kein Drache.“
Audaxius fiept: „Cas…“
Streichelt ihn. „Ist ja gut, ganz ruhig. Lass mal sehen.“ Besieht sich den winzigen Einstich und fährt vorsichtig darüber. „Halb so wild.“
Der Arzt erwidert bedauernd: „Ich fürchte, unsere Zeit ist schon um… Ich bin mir aber sicher, im Laufe der Woche werden wir etwas mehr erübrigen können. Er ist wirklich ein sehr interessantes Tier, einzigartig in dieser Färbung. Ich habe Ihnen die Papiere ausgefüllt, Sie müssen sie nur noch zum Amt schicken. Kommst du, Liebling?“
Ärztin: „Sofort.“ Zuvor jedoch wendet sie sich noch einmal an ihn. „Es macht Ihnen nichts aus, wenn ich ihn mitnehme? Immerhin ist er ein…“
Hagen knurrt: „Herrgott, nun nimm das Bürschchen doch endlich! Den kriegen wir schon wieder so weit hin, dass er wie ein Wasserfall redet.“ Er lässt sie aufsteigen, dann breitet er die Flügel aus und stößt das Junge auffordernd an. „Nun los, du kommst heute mit uns. Keine Sorge, morgen darfst du ja wieder zurück, wenn es dir nicht gefällt.“ Er dreht den Kopf und schnaubt Audaxius an. „Du erinnerst mich an ein Pferd, das ich mal gefressen habe. Das war auch so gescheckt.“
Ärztin: „Na, aber!“
Hagen: „Schon gut, dann eben nicht. Luna, Aurora, Umbra, kommt ihr?“
Zögerlich laufen die Drachen zu ihm, stoßen Castiel noch einmal alle drei mit der Schnauze an und heben ab. Paxton fliegt zögerlich hinterher, wobei er kaum die Höhe halten kann; er ist zwar immer wieder ein wenig geflogen, aber noch nie länger als zehn Minuten am Stück. Nun setzt sich Hagen neben ihn, um ihn zu stützen, und gemeinsam mit den Jungen verschwinden sie am Himmel.

Doc: „So wie sie Audaxius angesehen haben, kommen die bald wieder.“
Audaxius kreischt: „Oh, wegen mir brauchen sie nicht wiederkommen!“
Doc: „Nana, so schlimm war’s doch gar nicht.“
Audaxius: „Doch!“
„Sag mal, wo ist eigentlich Jie?“
Doc: „Er unterhält sich drinnen mit Xiao.“
Blinzelt verwirrt, dann geht er rein. Tatsächlich unterhalten die beiden sich lautstark im Wohnzimmer.
Jie: „Ich sagte ja nicht, dass es gut ist, aber wenn sie es doch so unbedingt will…“
Xiao faucht: „Willst du dich etwa zum Deckhengst machen lassen?“
„Meine Lieben, was ist hier los?“
Jie reckt stolz den Hals. „Oh, Cas, du hast mir gar nicht gesagt, dass unser Besuch meinetwegen da war.“
Xiao: „Er war nicht deinetwegen da, sondern weil er ein Ei wollte, und jetzt sollst du es ihm liefern.“
Langsam dämmert ihn, dass es um den Käufer von gestern geht.
Jie fragt: „Ja, und was ist so schlimm daran?“, während er alles andere als unauffällig damit beginnt, eingebildete Flecken auf seinen roten Schuppen wegzuputzen. „Ich meine, wenn sie es doch so sehr will, dass ich ihr ein Ei mache und Cas sogar Geld dafür kriegt…“ Streckt blasiert die Brust heraus und schlingt vorteilhaft den Schwanz um sich. „Ich schätze, ich sollte mich putzen. Schlimm genug, dass sie mich in so unvorbereiteter Art gesehen hat. Wann kommt sie denn wieder?“
Xiao: „Sie kommt gar nicht wieder, denn dieser Kerl ist ein unseriöser Scharlatan! Ich bin sicher, seine Drachin will dich überhaupt nicht, sondern er zwingt sie dazu, sich von dir ein Ei machen zu lassen.“
Jie erwidert gelassen: „Also bitte! Welches Weibchen würde kein Ei von mir wollen? Immerhin sind wir die besten Drachen der Welt, das hat er selbst gesagt. Wenn ihr mich nun entschuldigen würdet, ich muss mich pflegen.“ Damit geht er nach draußen, vermutlich, um sich am Bach zu waschen.
Xiao schüttelt seufzend den Kopf. „Cas, du wirst dich doch nicht darauf einlassen, oder?“ Sie klingt fast verängstigt.
„Natürlich nicht, meine Liebe.“
Beinahe übertrieben beginnt sie, erleichtert und glücklich ihren Kopf an ihm zu reiben. „Oh, ich wusste, dass du das nicht zulässt. Natürlich wusste ich es.“