Als die Tür hinter ihm zuschlug, knurrte Rhaego gereizt. Die Behandlung war ihm zwar nicht neu, allerdings, war er bisher noch nie persönlich zu seinem Zimmer geführt worden. Aber vermutlich war es eine Weile her, dass so ein Durcheinander im Turm entstanden war. Der Magier hatte keine Ahnung, welches Problem die Templer so sehr beschäftigte, dass sie noch keine Lösung gefunden hatten. Er bezweifelte, dass es zu offenen Kämpfen zwischen den Magiern und ihren Bewachern kam, dennoch... Wahrscheinlich trennten die Templer gerade die einzelnen Magier und brachten sie in ihre Zimmer. Er hatte zwar nicht gehört, dass der Schlüssel der schweren Tür herumgedreht worden war, aber das wäre auch sinnlos gewesen. Magie ließ sich nicht von einer Tür aufhalten, wie dick sie auch immer war.
Dennoch war es nicht ratsam, das Zimmer zu verlassen, das hätte er auch ohne die eindringlichen und bildhaften Warnungen des Templers gewusst, der ihn in sein Zimmer gestoßen hatte. Vermutlich patrouillierte auf dem Gang einer von ihnen, der gnadenlos seine Fähigkeit gegen jeden einzusetzen bereit war, der seine Zehen auch nur einen Zoll über die Schwelle setzte. Wenigstens hatten sie ihm keinen Wächter ins Zimmer gestellt, das erleichterte ihn ziemlich. Vor einigen Jahren, bei den letzten Unruhen hatten sie das gemacht. Also trauten sie ihm mittlerweile zu, nicht mehr der größte Unruhestifter zu sein. Und das war gut so. Denn wenn er das wäre... dann sanken seine Chancen, den Turm zu verlassen, auf null.
Und deshalb würde er sich auch hüten, die Türe wieder zu öffenen, wie er es vielleicht früher getan hätte. Je friedlicher er war, desto größer die Wahrscheinlichkeit...
Er schnaubte. Als ob sie durch Dylan nicht schon niedrig genug wäre!
Seine Notizen hatte er immer noch bei sich. Sorgsam legte er sie auf den Schreibtisch. Falls er gehen durfte - und sich entschied, der Gruppe weiterhin zu helfen - würde er sie brauchen.
Moment! Warum dachte er denn jetzt daran? Bisher hatte er erst aus dem Zirkel entkommen wollen. Aber irgendwie gefiel ihm der Gedanke, bei der Gruppe zu bleiben. Er hatte keine Ahnug, woran das lag. Bestimmt nicht an der Orlaisianerin, die ihn immer so von oben herab behandelte. Der Dalish gegenüber gestand er sich eine gewisse Neugier ein, aber das war es doch sicher nicht, was ihn dazu brachte, bei der Gruppe bleiben zu wollen. Alrik... Ja, der Bursche hatte etwas faszinierendes... Trotz all seines linkischen, naiven Verhaltens schien irgendetwas in ihm zu stecken. Immerhin schaffte er es, sowohl die Dalish als auch die Orlaisianerin zu zügeln.
Mit einem kurzen Lachen, das sogar in seinen Ohren merkwürdig klang, vertrieb er diese Gedanken. Erst einmal hier rauskommen, sagte er sich wieder, ließ die Notizen dort liegen, wo sie eben gerade waren, und zog rasch sein Nachtgewand an. Mittlerweile war die Sonne schon untergegangen und lediglich das Feuer im Kamin erhellte den Raum. Dennoch wusste er, dass er jetzt keinen Schlaf finden würde. Er war einfach noch zu wach, obwohl er früh aufgestanden war. Nur sehr selten ging er früh ins Bett. Warum auch? Er hatte hier Licht, solange er wollte. Kerzen waren genug vorhanden und für ihn war es nicht sonderlich schwer, sie anzuzünden.
Er ertappte sich dabei, die Notizen abwesend durchzublättern. Erst wollte er sie wieder weglegen, dann überlegte er es sich anders. Warum eigentlich nicht? Früher oder später würde er sie sicher noch brauchen. Hoffentlich früher, das würde nämlich außerhalb des Zirkels bedeuten.
Also setzte er sich an den Tisch, entzündete rasch ein paar Kerzen und begann, all das herauszuschreiben, was er über die alten Runen entdeckt hatte, quasi eine Art Grammatik zu erstellen.
Irgendwann, als er zwischen der Bedeutung verschiedener Verbindungen und dem Gebrauch von Konjunktionen war, merkte er, dass er langsam müde wurde. Er beendete noch seinen Satz, dann verräumte er Feder und Tinte und begab sich ins Bett. Müde schloss er die Augen, doch da tauchten die Gesichter von Alrik, Leirâ und Juliette in seinen Gedanken auf. Knurrend drehte er sich zur Wand und versuchte, sie zu ignorieren und einzuschlafen.
Es kam ihm vor, als sein nur der Bruchteil eines Augenblickes vergangen, als krachend die Tür aufsprang. Fluchend schreckte der Magier hoch und bemerkte den Templer, der dort stand.
"Du sollst sofort zu Dylan kommen!", sagte er knapp. Rhaego fragte sich, wie man soviel Verachtung in einen so kurzen Satz legen konnte. Es war einer der jungen, dem es offensichtlich nicht gefiel, dass er als Bote geschickt wurde. Der Magier ignorierte die drängenden Blicke, versuchte, den Schlaf so gut wie möglich abzuschütteln und schlüpfte rasch in sein Gewand. Er kannte die Templer. Zuerst machten sie Stress, doch wenn er unangemessen gekleidet zu Dylan käme, gäbe es noch mehr Ärger. Innerhalb weniger Augenblicke war er fertig angezogen, strich sich das wirre Haar aus den Augen und folgte dem Templer.
Es ging wieder zu Myrddins Arbeitszimmer. Offensichtlich wollten die Templer nicht, dass die Besucher allzu viel vom Zirkel sahen. Der Templer öffnete die Tür und Rhaego beeilte sich, hindurch zu gehen, ehe der andere hm noch einen Stoß versetzte. Innerlich seufzte er. Die jungen waren immer die Schlimmsten.
Im Zimmer warteten bereits die drei Gefährten und Dylan. Offensichtlich hatte der Templerkommandant einen Entschluss gefällt.