Alrik versprach, kaum dass sie den Dolch weggelegt hatte, sie nie wieder zu wecken. Die Dalish winkte nur müde ab und legte ihre Habe an. Juliette stand einfach nur daneben und sah furchtbar aus: Blutunterlaufene Augen, krumme Haltung. Beinah hatte Leirâ, die ausgezeichnet geschlafen hatte, Mitleid mit der Frau.
"Ähem... wenn es dir nichts ausmacht, mich auch dafür umbringen zu wollen, kannst du ruhig einen haben...", meinte Alrik vorsichtig und bot ihr einen Apfel dar.
"Danke.", murmelte sie nur und nahm sich diesen. Kaum vier Handgriffe später war sie aufbruchsbereit und noch während sie sich dass wirre, widerspenstige Haar aus dem Gesicht wischte und verzweifelt versuchte dieses zu bändigen, schätzte sie bereits wieder die Himmelsrichtung und bald brachen sie auf.
Es war beinah völlig ihrer Müdigkeit geschuldet, aber auch der Bequemlichkeit, dass sie sich diesmal in lockerem Marschtempo und nicht, wie am Vortag im Trab weiter bewegten. Aber es war noch etwas anderes; irgendetwas war anders als Gestern. Juliettes Blicke bohrten sich nicht länger finster in ihren Rücken, auch wenn sie immer noch nicht freundlich guckte. Alrik hielt stattdessen, wohl wegen dem Erlebnis beim Aufwecken, Abstand zu ihr und tuschelte zunächst nur mit Juliette. Doch er hatte Leirâs feines Gehör vergessen:
"Habt ihr das gehört, Lady Juliette? Sie lebt im Exil... Wurde sie verbannt? Was glaubt ihr, hat sie..?" und dann hörte die Jägerin nicht mehr zu. Früher oder später musste sie wohl aufklären, was es mit dieser Aussage auf sich hatte, zumindest wenn sie weiterhin mit den beiden Shemlen reisen wollte. Und, auch wenn es sie verwunderte, sie wollte es so. Es wäre zuviel gewesen, die beiden als 'Freunde' zu bezeichnen, aber immerhin waren sie die einzigen beiden Personen, die die Dalish außerhalb ihres Klans überhaupt kannte -und die sie nicht in Knechtschaft oder tot sehen wollten-. Und irgendwie schmerzte es, dass Alrik ihr nicht mehr vertraute.
Nach langem Marsche, es war vielleicht noch eine Stunde bis Mittag, rasteten sie und aßen den Rest von Alriks Äpfeln, dazu einige Pilze die Leirâ gesammelt hatte. Als sie zu den beiden, die an einem schmalen Fluss auf sie gewartete hatten, von dem die drei glaubten dass er bis zum Calenhad-See fließen würde, hatte Alrik immer noch etwas in seinem Blick, das sie störte. Es war... Konnte das Furcht sein? Und das schmerzte.
Leirâ schluckte hart. Sie hatte ihm doch nichts getan, schließlich hatten sie in der Wildnis geschlafen, hatte er denn gewacht dass sie völlig ohne Vorsicht war? Irgendwie wollte sie sich entschuldigen, sah aber auf der anderen Seite keinen Grund dazu. Aber immerhin erklären könnte sie es ihm.

Sie nahm sich also ein Herz, schaute dem Shem in die Augen und sagte:
"Ich wollte dich heute morgen nicht wirklich verletzen, Alrik Riverside. Ich erwarte nur immer das Schlimmste, wenn ich in der Wildnis übernachte. Das musst du verstehen.“
Der Bursch nickte nur und sein Blick wurde wieder etwas wärmer. Auch die Elfe nickte knapp, dann stopfte sie sich zwei Pilze in den Mund und ging weiter. Und tatsächlich: keine halbe Stunde Flussabwärts erreichten sie die Ufer des Sees und dort, halb zu ihrer Rechten reckte sich ein schwarzer Turm in den frühen Nachmittagshimmel. Sie hatten ihr Ziel beinahe erreicht.

---> Turm des Zirkels, Gasthof am Ufer