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Thema: Bannorn

  1. #31
    DA-FRPG only Avatar von Rhaego Alcaryen
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    Es dauerte einen Augenblick bis Rhaego die schäbige Kammer wahrnahm, in der sie übernachten würden. Seine Gedanken waren einen Augenblick bei den drei Kindern verharrt. Er wusste nicht, was es war, aber er hatte ein merkwürdiges Gefühl gehabt, als er sie angeschaut hatte. War es Neid, weil sie eine unbeschwerte Kindheit haben durften, die den meisten Bewohnern des Turms verwehrt blieb? War es Trauer, da auch sie sicher bald ihre Naivität – die hinter den großen schreckgeweiteten aber auch neugierigen Augen schimmerte – verlieren würden?
    Er schnaubte unwillkürlich. Das waren unsinnige Gedanken. Sie führten zu nichts und verschwendeten nur Zeit. Juliette warf ihm einen ihrer Standard-Blicke zu – zumindest erschien der verächtliche Ausdruck immer in ihrem Gesicht, wenn sie ihn ansah. Sie glaubte vermutlich, dass sein Schnauben sich auf die Umgebung bezog und es wäre auch sehr angemessen gewesen. Überall hingen Spinnweben, in denen der Staub glitzerte. Das war aber nicht das Problem. Im Turm gab es eine Menge verstaubter Räume, meist Lagerräume, in die nur Besänftigte – er schüttelte sich bei diesem Gedanken – und Novizen geschickt wurden, um irgendeine halb vergilbte Rolle Pergament zu holen oder einen nie gebrauchten Trank, der schon vor sich hin moderte. Nein, das Problem war das Stroh und die Säcke, die ihr Nachtlager darstellen sollten.
    Mühsam versuchte er, sich ein halbwegs bequemes Lager zu bauen. Fast hätte er geflucht, als das Stroh zum x-ten Mal durch seine Roben drang und ihn schmerzhaft stach. Fast. Juliettes Anwesenheit hielt ihn zurück. Er würde nicht vor ihr diese Schwäche zeigen. Er kannte Leute wie sie, die sich auf jeden Fehler stürzen würden wie hungrige Wölfe, freudig heulend. Er hatte die letzten Jahre seines Lebens unter ihnen zugebracht.
    Doch als er sich dann hinlegte und versuchte, eine bequeme Position zu finden, konnte er ein leises Fluchen nicht verhindern. Überall kratzte und stach das Stroh, jede Bewegung führte zu Knistern und Knacken, die beinahe das Gespräch, dass sich zwischen Leirâ und der Orlaisianerin entspann, übertönte. Er fragte sich, wie Alrik so schnell einschlafen konnte, dessen Schnarchen so ruhig und gleichmäßig durch die Dachkammer zog.
    Mit einem Seufzer schloss er erneut die Augen und versuchte einzuschlafen, doch Juliettes Stimme hielt ihn davon ab.
    „Wisst i`r? I´r schont eusch nischt genug. Es wäre wirklisch kein Problem für misch etwas von eurer Last tsu überne`men und i`r würdet in meinen Augen dadursch keinesfalls irgendwie schwach daste`en oder dergleischen.“
    Er setzte sich ruckartig wieder auf und mischte sich in das Gespräch ein: „Ihr könntet mir etwas abnehmen. Immerhin sind die Tränke, die ich mit mir rumschleppe, auch für Euch.“
    Es war nicht so, dass er Leirâ nicht gönnte, ihre Last zu erleichtern. Aber sein Rücken tat weh, seine Füße taten weh, sein Kopf schmerzte vor Müdigkeit, da er nur wenige Stunden geschlafen hatte. Aber es war einfach die Gelegenheit zum einen die Orlaisianerin zu ärgern, indem sie ihm helfen musste - vor allem, weil sie schneinbar auch hilfsbereit und nett sein konnte, wie dieses Gespräch bewies, wenn auch nicht ihm gegenüber - und zum anderen Gepäck loszuwerden. Noch einen Tag wie heute und er würde nicht mehr gerade stehen können. Und die Dalish – immerhin war sie solche Anstrengungen gewöhnt.

  2. #32
    DA-FRPG only Avatar von Juliette de Ludin
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    „Bitte?“, fragte die, den Magier verächtlich anblickende Söldnerin, scheinbar verständnislos als sie den Blick zu ihm wandte. „Isch soll euer Gepäck tragen? I´r seid nischt Manns genug um eure Sachen zu tragen und bittet misch, eine Frau, um Hilfe? Ist das eurem männlischen Ego nicht abträglisch?“
    Zuhause in Orlais, wusste Juliette ganz genau, hätte er sich damit zum Gespött gemacht. Man hätte getuschelt, man hätte behauptet er wäre ein Schwächling, er habe gar keinen männlichen Stolz oder noch schlimmer, er wäre schwul. Ein schwerer taktischer Fehler also, der einem noch lange, bei der brodelnden orlaisischen Gerüchteküche, noch sehr, sehr lange verfolgen könnte. Doch da fiel ihr ein dass in Ferelden die Dinge anders standen. Gleichberechtigung war das Stichwort.
    „Ach stimmt ja. `ier in Ferelden `abt i`r ja eure tolle, tolle Gleischbereschtigung. Dann ist das für eusch vermutlisch weniger peinlisch, schwäscher zu sein als eine Frau oder, i`r `alber Mann?“

    Der Adligen kam gar nicht in den Sinn sich zum Packesel degradieren zu lasen. Gut, für Leirâ würde es ja tun, da sie zum einen kein verfluchter Magier und zum anderen natürlich weil sie verletzt war. Ihr Zustand würde sich sonst nicht bessern wenn sie sich weiterhin mit ihrer Habe quälte. Der Blondschopf hingegen könnte sich ruhig etwas körperlich ertüchtigen. Schmal wie er war würde ihm das sicher gut tun.
    Sie merkte dass sie bereits anfing sich schon wieder aufzuregen. Der Magier schien wirklich ein Talent dafür zu haben sie zu provozieren. Es war ihr aber schon viel zu spät, oder wohl eher zu früh, um noch wütend zu werden oder sich mit diesem Blondschopf zu zanken, daher beschloss sie nun so tun als ob der Magier gar nicht da wäre.
    „Reden wir weiter wenn wir ausgeschlafen sind.“, säuselte sie zu der Elfe als sie es sich wieder so bequem wie möglich machte. „Gute Nacht, Leirâ.“
    Dem Magier hingegen warf sie nicht mal mehr einen herablassenden Blick zu ehe sie versuchte sämtliche Geräusche auszublenden und zu schlafen. Doch das klappte nicht so wirklich und auch nicht als ihre Begleiter nach einander schon eingeschlafen waren.

  3. #33
    DA-FRPG only Avatar von Rhaego Alcaryen
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    Juliettes Worte hätten ihn vielleicht getroffen, wenn er nicht so müde gewesen wäre, wenn seine Füße nicht so geschmerzt hätten und der ganze Weg bisher bei diesem Aspekt äußerst demütigend gewesen wäre. Rhaego hatte schon recht schnell bemerkt, dass er mit keinem seiner Begleiter hätte mithalten können – insofern hatte er gar nicht erst versucht, ein starkes, sportliches Bild von sich aufzubauen, eben ein typisches Männerklischee.
    Was ihn viel mehr störte war die Art, wie sie sich von ihm abwandte, nachdem sie sich über ihn ausgelassen hatte, die Art, wie sie ihn ignorierte, um Leirâ – und nur Leirâ – zuzuflüstern, dass Gespräch am besten am nächsten Morgen weiterzuführen, wenn sie ausgeschlafener waren.
    „Ich kann ja die Tränke, die für Euch bestimmt sind, einfach hierlassen. Vielleicht seid Ihr dann hilfsbereiter?“, murmelte er noch trotzig. Doch diese arrogante Orlaisianerin hatte sich schon hingelegt, ihm den Rücken zugekehrt und schien bereits kurz darauf eingeschlafen zu sein.
    Auch er versuchte, sich wieder hinzulegen und zu schlafen, doch der Schlaf weigerte sich hartnäckig, zu kommen. Eine Weile lag er mit offenen Augen da, dann erhob er sich möglichst lautlos, nur von einem leisen Rascheln des Strohs begleitet.
    Oft schon war er nachts im Turm aufgestanden und hatte sich auf einen Fenstersims gesetzt, um von dort aus die friedliche Umgebung zu betrachten. Doch von breiten, marmornen Simsen war hier nichts zu sehen. Mit einem leisen Seufzer lehnte er sich schließlich gegen die Wand und betrachtete die kleinen Erhebungen in den Schatten, die durch die Strohsäcke hervorgerufen wurden. Die anderen aus der Gruppe schliefen tief und fest, wie ihre gleichmäßigen Atemzüge zeigten.
    Was hielt ihn überhaupt noch hier? Warum war er noch bei dieser ungleich gemischten Gruppe, die ihn lediglich wieder zu gefährlichen Orten bringen würde? Nun standen ihm so viele Möglichkeiten offen – warum hatte er sich bei Gileans Tod dazu entschlossen, noch zu bleiben?
    Die Templer. Das war die eine Sache. Natürlich konnten sie ihn finden, wenn sie wollten. Aber warum sollten sie das tun? Und selbst wenn – er hatte lange genug unter ihnen gelebt, um zu wissen, was sie tun konnten und was nicht. Es wäre so einfach, sich irgendeiner Gruppe anzuschließen, Söldner vielleicht, die ihn gegen die Templer beschützen würden.
    Aber warum erst ein Gruppe suchen, wenn du hier schon eine hast?
    Ja, das war die eine Sache. Die andere – die zwergischen Runen, die anfangs für ihn nur ein Schlüssel zur Freiheit gewesen waren, interessierten ihn nun tatsächlich. Aber genug, um sein Leben zu riskieren? Nein, sicherlich nicht. Was war es dann? Warum war er noch hier?
    Vielleicht war es die offene, wenn auch manchmal befremdliche Art der Dalish – eine der wenigen Nicht-Magier, die er kannte, die ihn nicht wie einen Aussätzigen behandelten. Eigentlich die einzige. Nun, abgesehen von diesem naiven, tollpatschigen Alrik, der es dennoch fertig gebracht hatte, ihn aus dem Turm zu bringen. Was war er ihm dafür schuldig? Gefolgschaft und Treue bis an sein Lebensende? Wohl kaum. Aber trotzdem hatte er das Gefühl, das ausgleichen zu müssen, seine Schulden zu tilgen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, das er bisher im Zirkel nicht kennengelernt hatte. Dort gab es zu oft Rangeleien um den Status, um die Frage, wer nun über wem stand. Man lernte im Zirkel – vor allem von den Templern – viel eher Egoismus als die hehren Werte, für die Andraste scheinbar stand.
    Und dann war da noch Juliette. In dem fahlen Dämmerlicht konnte er lediglich grob ihre Schemen ausmachen, und doch reichte auch das schon, um zu sehen wie hübsch sie war. Und dennoch – so ambivalent. Sie hatte scheinbar eine warmherzige Seite, wie sie sie Leirâ gegenüber zeigte. Und doch schien es für sie ausgeschlossen zu sein, ihm die selbe hilfsbereite Seite zu zeigen. Auch wenn es eigentlich ihr zugute kam, wie im Fall der Tränke, die er mit sich herumschleppte.
    Er schüttelte den Kopf. Was hielt ihn nun hier? Er konnte es nicht beantworten. Er wusste lediglich, tief in seinem Herzen, dass er von der Gruppe nicht weg konnte, und sein Bewusstsein fand angemessene, rationale Begründungen dafür.
    Im Grunde genommen war es erbärmlich.
    Vielleicht gab es später eine Situation, in der es ihm mehr Vorteile bringen würde, die Gruppe zu verlassen. Momentan war bleiben angemessener. Und so lange es ihm noch so schien, konnte er das beste daraus machen. Sich mit Alrik und Leirâ anfreunden, zum Beispiel. Oder der Orlaisianerin das Leben zur Hölle machen – solange sie dasselbe bei ihm tat. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
    Ja, es standen ihm unzählige Möglichkeiten offen – aber viel mehr bei den Gefährten als außerhalb.
    Langsam schlich er wieder zurück zu seinem Strohsack. Nun, da er seine Gedanken sortiert hatte, und wusste, was er machen würde, fühlte er sich besser.
    Er schloss die Augen und versuchte erneut, auf dem harten Lager einzuschlafen.

  4. #34
    DA-FRPG only Avatar von Leirâ Ven
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    Leirâ biss sich auf die Unterlippe, wandte das Haupt ab. Ging es wirklich darum? Vor den Shemlen stark da zu stehen?
    Nein, es geht darum, stets die alten Wege zu ehren. Immer. Das stand für sie so unumstößlich fest wie ihre Herkunft selbst. Unweigerlich kam ihr ihr Vater in den Sinn, Velven. Ràsahla, all die anderen. Die Klingen des langen Weges...
    Doch ehe sie sich in den Gedanken sie verlieren konnte, begann Rhaego zu murren. Was ihr ein Augenrollen abverlangte.
    Bei Mythal, das ist ja, als wären wir mit einem Kind auf Reisen.

    Trotz dieser Ablenkung hatte die Melancholie erneut von ihr Besitz ergriffen, sodass sie sich Kommentarlos zurücksinken lies. Sehr vorsichtig, wohlgemerkt. Selbst auf dem Rücken liegend pochte noch immer der Schmerz in ihrer Flanke, doch ihre Gedanken trieben immer weiter von diesem fort. Um ihren Klan, all die Freunde ihrer Kindheit. Sie würde wohl bald die letzte sein... Sie hatte um sie getrauert, als wären sie schon tot. Und waren sie es nicht, so spielte es keine Rolle mehr für sie, denn auch der Klan hatte sie nun schon längst betrauert. So tat man es mit Exilanten, als wären sie gefallen.
    Zumindest gedenken sie meiner als eine der Ihren, nicht als verlorenes Kind eines Untergegangenen Klans, das durch die Welt der Shemlen stolpert.
    Ein Klo machte sich in ihrem Halse breit als sie sich erinnerte, dass SIE es war, die gedenken musste. Ihre letzte Aufgabe, der Grund warum sie die Letzte war. Die Geschichte weiter tragen.

    „Reden wir weiter wenn wir ausgeschlafen sind.“, unterbrach Juliette ihre Gedanken, „Gute Nacht, Leirâ.“
    Auch wenn sie diese mehr zu Rhaego sprach. Die Dalish nickte nur im Dunkel und fuhr fort darin, zur Decke zu starren. So lag sie eine Weile da, der Schmerz pochte immer schwächer und allmählich forderte der lange Marsch seinen Tribut. sanft glitt sie in die arme des Schlafes. Beinah, denn ein Geräusch drang an ihr empfindliches Gehör. Sie öffnete ein Auge, die linke Hand umschlang langsam das Dar'Misu, welches unter der Decke an ihrer Seite lag. Und der Schmerz floss brodelnd durch ihren Körper. Langsam öffnete sie ein Auge, wurde einer Gestalt gewahr, welche ihr gegenüber wider die Wand lehnte. Und traute ihren Augen nicht.
    Velve... Nein. Doch im Dunkeln, noch dazu ohne diese furchtbaren Haare im Gesicht, glich er ihm mehr denn je. Rhaego saß da, sie konnte im matten Mondenschein kaum etwas erkennen. Doch war das zu dieser Zeit ohnedies mehr als hinfällig. Stattdessen legte sie den Kopf zurück, schloss die Augen und begann im Geiste eine alte Geschichte zu rekapitulieren. Als Kind war es eine ihrer Lieblingseschichten gewesen, sie handelte von einer tapferen Kriegerin des Volkes, die...

    Schon war sie eingeschlafen.

  5. #35
    DA-FRPG only Avatar von Juliette de Ludin
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    Teil 1

    Ruhelos blickten Juliettes stahlgraue nervöse Augen in der Dunkelheit der Dachkammer umher. Es war jetzt allerhöchstens eine Stunde vergangen seit dem der Wirt sie hier oben allein gelassen hatte und die ersten ihrer Begleiter eingeschlafen waren. Allerdings war Juliette der Ansicht dass es die Worte „allein gelassen“ es nicht ganz trafen. Sie waren keinesfalls allein. Zu gerne wäre Juliette allein gewesen, was sich allerdings nicht auf ihre Gefährten (allerhöchstens auf den Magier) bezog. Allein und nicht umzingelt von dutzenden wenn nicht hunderten widerlichen achtbeinigen Mistviechern. Ganz genau: Spinnen. Spinnen in ihren Netzen, Spinnen die über ihnen waren, Spinnen von denen sich die Adlige fast sicher war sie würden von ihnen beobachtet.
    Zugegebenermaßen, es waren ganz sicher nicht einmal halb so viele Spinnen anwesend wie Juliette glaubte aber durch die Dunkelheit, an die sich ihren Augen gerade gewöhnt hatten, sah fast jeder Schatten wie ein achtbeiniges, ekliges Etwas aus.
    Anfangs hatte sie versucht Schäfchen zu zählen, wie sie es in ihrer Kindheit oft getan hatte, doch ehe sie sich versah wurden aus den flauschigen, putzigen Schafen die über eine üppige, grüne Wiese sprangen dicke, langbeinige Spinnen die durch klebrige Netze krochen überall um sie herum. Hier eine eklige, dicke Spinne, dort eine ebenfalls eklige dünnere Spinne und da noch eine… Irgendwie konnte die Adlige die Lage einer unglücklichen Fliege die sich in einem Spinnennetz verfing nun nur allzu gut nachvollziehen.
    Juliette war zwar nicht mit einer richtigen panischen Angst vor Spinnen und Spinnenähnlichen gestraft, zu behaupten allerdings sie könnte sich unter gleich imaginären Horden erwähnter Viecher entspannen wäre auch nicht korrekt gewesen.

    Schließlich geschah dann das was die Söldnerin am wenigsten erwartet hätte: Sie schlief doch ein, fast wie auf Kommando. Was sie dann, kaum zwei oder drei Stunden später, weniger überraschte war das sie von Spinnen geträumt hatte. Mit einem Schaudern und der Erleichterung dass es nur ein Traum gewesen war sah sie sich verschlafen in der kleinen Dachkammer um.
    Die Sonne war bereits aufgegangen und sandte ihre Strahlen durch das kleine Fenster und ließ Juliette den Anblick der ihr gestern das Einschlafen solange verhinderte nun im vollen, und deutlich weniger beunruhigenden Ausmaßes sehen. So viele Spinnenweben waren es eigentlich gar nicht und so viele Spinnenweben dass sie die ganze Horde aus Juliettes Albtraum beherbergen konnten gab es vermutlich auf der ganzen Welt nicht.
    Wie alt war sie eigentlich, dass sie sich immer noch vor imaginären Schreckgestalten fürchtete? Mürrisch kratzte sie sich am Hinterkopf und tadelte sich in Gedanken selbst, auch wenn sie wusste das solche Gedanken bei Tageslicht zu hegen etwas ganz anderes war als im Dunkeln, während sie den Blick weiterschweifen lies.

    Leirâ, Alrik und auch der Magier schliefen noch tief und fest auf und zwischen den sehr gewöhnungsbedürftigen Ruhestätten. Alrik war wohl der einzige der beim Einschlafen keinerlei Probleme gehabt hatte, vermutlich weil diese Unterkunft wohl nicht weit unter dem Komfort seiner üblichen Ruheplätze lag.
    Ob sie ihn darum beneiden sollte war sich Juliette nicht ganz sicher, worüber sie sich hingegen ziemlich sicher war das sie hungrig war, also stand sie so lautlos wie möglich um die anderen nicht zu wecken auf.

    Schon auf der Treppe drangen die Geräusche eines gut besuchten Schankraumes an ihre Ohren. Stimmen, die meisten männlich, das Schmatzen beim Verzehren einer Mahlzeit und das Plätschern eines Kruges den man nachfüllte erklangen während die dicke Luft nach ungewaschenen (also echten) Fereldanern, Alkohol und gebratener Leber roch. Juliette würgte geistig und diesmal nicht mal unbedingt wegen dem Gestank nach Hunden die in Alkohol gebadet schienen sondern auch wegen dem Geruch des billigen gebratenen Gerichtes. Wie sie Leber doch hasste. Den Geruch, den Geschmack, die Konsistenz. Einfach alles. Überhaupt aß sie nur sehr ungern jegliche Innereien die sich hierzulande immenser Beliebtheit zu erfreuen schienen. Ihren eigenen Innereien jedoch, allem voran ihrem Magen der fordernd grummelte, schien das ziemlich egal zu sein.
    Im eher düsteren Schankraum selbst hatten sich mehr als ein Dutzend Gäste eingefunden die von dem Wirt, seiner Frau und auch deren Kindern bedient wurden. Bei einigen der Gäste handelte es sich um Reisende die heute Nacht hier gerastet hatten und kurz vorm Aufbruch standen, bei anderen um ein paar Bauern oder Holzfäller und alle gemeinsam frühstückten. Bei dem Großteil allerdings handelte es sich um breite, vernarbte Gestalten in kampferprobten, teils aber auch schon abgenutzten Rüstungen und mit nicht weniger gebraucht wirkenden Waffen an ihren Gürteln und Schwertscheiden. Söldner, schlussfolgerte Juliette die es den anderen Gästen gleich tat und sich von ihnen fern zu halten versuchte, schließlich war über Söldner bekannt dass sie selten angenehme Gesellschaft leisteten.
    Nicht wenige Söldner besserten sich ihren Sold durch Diebstahl, Raub und Plünderungen auf und wenn sie längere Zeit ohne Auftrag waren verkamen sie oftmals zu nicht mehr als Räubern. Solche Leute mied man besser.

    Einen mehr als ausreichenden Bogen um die saufenden und schmatzenden Söldner machend stellte sich Juliette an den Schanktresen, der lediglich aus schweren Holzplanken die auf ein paar Fässern standen bestand, und wollte gerade eine Portion Schlangenfraß alias Leber bestellen als sie stockte.
    Neinnein!, ermahnte sie sich geistig selbst. Dieses Mal schaust davor nach ob du noch Geld hast!
    Rasch wanderten ihre behandschuhten Hände an ihren, am Gürtel befestigten Geldbeutel und durchsuchten diesen, allerdings ohne nennenswertere Ergebnisse als ein großes Nichts zu Tage zu fördern.
    Frustriert zischte sie leise. Hatte sie etwas anderes erwartet?
    Unschlüssig kratzte sie sich am Kopf, derweil sie hoffte nicht vom Wirt bemerkt zu werden. Woher sollte sie nun auf die Schnelle Geld auftreiben? Zum Tauschen hatte sie nichts, oder jedenfalls nichts dass sie nicht entweder schwer vermissen würde oder quasi wertlos war. Vielleicht könnte sie sich noch etwas Geld von Alrik leihen?
    Du willst dir schon wieder Geld von ihm leihen, du schamlose Schmarotzerin?, schimpfte sie sich im Stillen selbst. Reicht es nicht dass er dir den Eintopf in Lothering und das Zimmer in dieser Spelunke bezahlt hat? Wo bleibt denn dein Stolz, verdammt oder hast du den auch schon verkauft?
    Somit entfiel auch diese Option, was sich Juliette seufzend eingestand. Von ihren anderen Gefährten etwas zu leihen kam natürlich auch nicht in Frage da diese, im Falle von Leirâ, wohl genauso blank waren oder da Juliette, im Falle des Magiers, nichts von ihnen haben wollte.

    Ratlos ließ sie ihren ziellosen Blick durch den Schankraum schweifen als ob sich die Lösung für ihr Geldproblem sich hier irgendwo versteckt hätte. Die sich hilflos den Nacken reibende Adlige war kurz davor ihre Frustration durch ein gequältes Seufzen zu äußern da drang ein Geklapper, kurz gefolgt von enttäuschten kollektiven Stöhnen und einem triumphierenden Lachen an ihre Ohren. Das waren Geräusche die ihr nur zu gut bekannt waren. Rasch wandte sie den Blick, noch immer mit der Leder umhüllten Hand im Nacken, zu der Geräuschquelle.
    Es waren fünf der Söldner die um einen kleinen Tisch saßen und zwischen ihren Krügen und Tellern eine Handvoll Würfel rollen ließen ehe sie sich über die gewürfelte Augenzahl mal unzufrieden mal beglückt zeigten. Glückspiel! Dieses verfluchte, süchtig machende Teufelsding durch das man in wenigen Augenblicken sein ganzes Hab und Gut verlieren konnte, dass einen in die schlimmsten Schwierigkeiten stürzen konnte, das man für immer und ewig verbieten sollte! Glückspiel!
    …eine von Juliettes größten Schwächen.
    Heimtückisch streckte der Dämon Glücksspiel seine langen Finger nach Juliettes Geist aus, umspielte sie verlockend. Was spräche dagegen das Würfelglück einmal herauszufordern, war es doch mittlerweile das Einzige was sich die Adlige erlauben konnte um Spaß zu haben? Nur ein Spiel, mehr nicht. Sie müsse ja nicht gleich den ganzen Tag in Gesellschaft der Würfel verbringen und was habe sie schon zu verlieren? Ihre Begleiter schliefen eh noch und würden das vermutlich noch eine ganze Weile. Tapfer aber so gut wie vergebens versuchte sie sich ihrem eigenen Verlangen nach dem Kitzel des Glückspiels zu widersetzen als ihr plötzlich die Idee kam.
    Das könnte die Lösung sein. Wenn sie mitspielte und ihr das Glück lachte, könnte sie sich das Frühstück leisten. Mehr als ein paar Kupfermünzen könnte es nicht sein was sie von einem vollen Magen trennt und es würde nur eines glücklichen Würfelwurfs benötigen.

    Na, klar wann hattest du denn das letzte Mal Glück?, fragte ihre Stimme der Vernunft sarkastisch doch als auch ihr Magen grummelnd sein Argument in die geistige Diskussion einwarf verlor die Vernunft, mal wieder.
    Rasch überlegte sie was sie den setzen könnte, da sie kein Geld hatte und nicht viel was wertvoll genug wäre zum Eintauschen. Ihre Dolche waren gewöhnliches fereldisches Pfuschwerk das man quasi um jede Ecke für ein paar Kupferlinge bekam, ihrem Säbel, einer der besten Garantien den Tag zu überleben, zu setzen kam ihr gar nicht erst in den Sinn und ansonsten hatte sie nicht viel. Was blieb war die Kleidung die sie trug, zwar einst wertvoll und ausgezeichnete orlaisiche Handwerksarbeit, doch zum einen natürlich schwer abgenutzt und sicher lang schon aus der Mode und zu guter Letzt: ihr Familienring.
    Geschwind musterte Juliette den aus purem, reinem Gold gefertigten Ring auf den dessen Oberseite das edle Wappen ihrer noch edleren Familie in einen tief dunkelgrünen Smaragd eingeschliffen war. Vermutlich war dieses kostbare Kleinod mehr wert als die gesamte Ausrüstung dieser Mietschläger zusammen. Dafür würden die sich schlagen doch was wenn sie verlor? Allein der Gedanke kam einem schmerzenden Stich ins Herz gleich. Dann würde sie eines der letzten Zeugnisse ihrer hohen Herkunft verlieren, einer der letzten Beweise dass sie keine schäbige, heimatlose Säuferin war, für die sie sich selbst immer mehr hielt. Etwas das bewies dass sie eben nicht schon immer so leben musste und dass es vielleicht einmal besser werden würde.
    Aber würde sie es satt machen sich durch ihn an bessere Zeiten zu erinnern? Das Knurren ihres Magens antwortete mit Nein, absolut nicht. So ging sie im Geiste schicksalsergeben seufzend auf die Spieler zu.
    Du lernst einfach nicht dazu!, stichelte die Vernunft. Weißt du denn nicht mehr was beim letzten Mal passiert ist, als du deinen Hut gesetzt hast?
    Und wie Juliette das noch wusste. Es war ein schöner Hut gewesen, wie sich schmerzlich eingestand.

    „Andraste zum Gruße, die Herren. Ist bei euch noch ein Platz frei?“, begrüßte sie die Söldner, die sich gerade mit gemischten Gefühlen über das Würfelergebnis ausließen, freundlich, wenn auch leicht gezwungen, in ihrem besten Fereldisch, welches sich durch nahezu ohne Akzent aber leider etwas langsam auszeichnete.
    Fünf vernarbte, menschliche Schlägergesichter drehten sich nacheinander zu ihr um und blickten zu dem Neuankömmling hoch. Ihrer aller trunkenen, trüben Augen begegnet den Blick ihrer stahlgrauen Augen mit Neugier, teils mit Interesse teils aber auch mürrisch.
    „Die labert ja pikfein wie´ne Gelehrte.“ ,brummte ein stämmiger Mann mit verfilzten, braunen Zottelbart der ihm bis zur Brust herabhing, einem breiten mit einer blau gefärbten Feder geschmückten Hut und einem halbleeren Krug in der schwieligen Pranke mürrisch. Um ihn herum standen, wie als hätten sie ihn umzingelt weitere leere Krüge. Er hatte wohl schon einiges gebechert.
    Das nächste Exemplar, ein sehniger, schmaler Kerl mit unordentlichem pechschwarzem Haar sprach sie schon deutlich freundlicher, nach Juliettes Geschmack, und wohl der einer jeden Frau die nicht entsetzlich verzweifelt war, zu freundlich an. Er trug eine genietete Lederrüstung die eindeutig ihre besten Zeiten weit hinter sich hatte.
    „Oho! Für so eine Schönheit wie euch hab‘ ich immer `n Platz frei!“, meinte er mit starken Gwaren-Aktzent und einem Grinsen das wohl charmant wirkend sollte, auf die Adlige jedoch dank der Essenreste auf den krummen gelblichen Zähnen und im dicken schwarzen Schnurbart mehr ekelerregend wirkte. Sein Mundgeruch tat sein Übriges. Leber, dachte sie sich nur mit einem geistigen Würgen.
    „Den besten Platz im ganzen Haus!“, fügte er schmierig grinsend noch hinzu während er sich ganz zu ihr umdrehte und auf seinen Schoss klopfte.
    Beinahe wäre die Hochgeborene vor Ekel einfach ohne ein Wort umgedreht und gegangen, doch nur fast. Der Hunger und die Spiellust hielten sie.
    „Nein, danke.“, sprach sie gedehnt und schwer bemüht darauf kein ihr Widerling dahinter zu setzen als sie sich einen freien Stuhl heranzog und sich so weit wie möglich versuchte von diesem Kerl wegzusetzen aber ohne dem nächsten Ekelpaket zu nahe zu kommen. „Mir reicht ein Stuhl.“
    „Seid ihr so bescheiden, Schätzchen?“, setzte er immer noch so charmant wie vorher auch nach als einen Ellenbogen auf den Tisch stemmte und sich näher zu der Frau beugte, deren Abscheu so langsam durch ihre aufgesetzte Maske brach.
    „Eben nischt!“, kam die Antwort abweisend was dem Schmalspurcasanova einen verdutzten Gesichtsausdruck und seinen Kumpanen einen Grund für Gelächter bescherte, den sie sogleich grölend in Anspruch nahmen.
    „Das war jetz schon die Vierte die dir nen Korb gibt, Gavin.“, verkündete ein dritter Söldner mit Bürstenhaarschnitt, einem Kettenhemd und einem ignorant wirkenden Gesicht glucksend.
    „Die Dritte.“, korrigierte dieser Gavin der sich auf seinen Platz beleidigt grummelnd zurückgezogen hatte und die Arme vor der Leder geschützte Brust verschränkte. „Die Wirtstochter zählt nich.“
    „Und wie die zählt, du Niete.“
    Erleichtert darüber diesen unausstehlichen Kerl erst Mal verscheucht zu haben ohne ernste Konsequenzen und wenig angetan von diesem Testosteronfest zugleich schnippte die hungrige Juliette ungeduldig mit den Fingern. Das widersprach zwar ihrem Sinn für die Etikette aber zum einen wirkten diese Typen auch nicht gerade wie die Crème de la Crème der Gesellschaft und zum anderen hatte jemand der so bohrenden Hunger wie Juliette verspürte wenig Geduld für Höflichkeiten.
    „Könntet ihr bitte zum Punkt kommen? Isch würde gerne mitspielen.“
    Die Söldner die nicht vergnügt vor sich hin schmunzelten oder die beleidigte Leberwurst spielten blickten sie überrascht an, wie als ob sie sich wunderten dass sie tatsächlich sitzen geblieben war. Juliette war wohl das erste weibliche Wesen dieses Tages das bei so einem Annäherungsversuch nicht sogleich die Flucht ergriffen hatte. Der Söldner mit dem Bürstenhaarschnitt fing sich als erster.
    „Nun…warum nicht?“, meinte er zögerlich. Seine fast schon kränklich wirkenden grünen Augen musterten sie forschend. „Solang ihr was zu setzen habt.“
    „Das ist der Punkt.“, meinte Juliette zaudernd, unter dem Tisch mit einer Hand ihren geliebten Familienring an ihrem Ringfinger hin und her schiebend, seine vertrauten Formen befühlend. Sicher wäre der Ring ein mehr als nur akzeptabler Wetteinsatz doch solche Schätze zogen Aufmerksamkeit auf sich und diese Männer waren offensichtlich von der Sorte die nicht zögern würde es sich zu nehmen. Außerdem musste Juliette auch noch mit sich selbst kämpfen. Wollte sie wirklich den Ring der für ihr ganzes Leben zu tragen gedacht war ernsthaft für eine lausige Mahlzeit, die nicht einmal schmackhaft war, aufs Spiel setzen? „Ich…“
    Die Söldner wirkten durch Juliettes Zögern keinesfalls angetan. Das eine oder andere buschige Augenbrauenpaar wanderte abwertend über die vernarbten Stirne in die Höhe. Bei dem Schmalspurcasanova hingen huschte plötzlich ein Leuchten über die Schlägervisage.
    „Ich hab`s!“, unterbrach er die Hochgeborene rüde. Dumpf pochte es, als er um seinen Worten mehr Dramatik zu verleihen mit der flachen Hand einmal auf den Tisch schlug. „Ihr braucht kein Geld zu setzen!“ Das klingt gut. „Ihr setzt etwas anderes!“ Zu gut… „Wenn ihr höher würfelt gewinnt ihr den ganzen Einsatz.“ Doch gut? „Wenn nicht…“, er unterbrach sich um erneut seine Essenreste zwischen seinen Zähnen zu präsentieren ehe er mit einem so schmierigen Gesichtsausdruck weitersprach, das aufpassen musste nicht auszurutschen. „…müsst ihr euer Oberteil ausziehen!“ Nicht gut. Definitiv nicht gut.

    Der Kerl entging nur knapp einer Ohrfeige die ihm Hören und Sehen hätte vergehen lassen. Juliettes kräftige Hand fing schon reflexartig zu zucken an, das Bedürfnis sie ihm ins Gesicht zu schlagen wurde schier überwältigend. Was für ein ekliger, unverschämter Widerling von einem niederen, billigen Mietschläger. Der schrie doch förmlich danach dass man ihm schonungslos beibrachte sich in Gegenwart einer Dame zu benehmen.
    Das einzige was Juliettes durch Hunger ohnehin schon strapazierten Geduldsfaden hinderte zu reißen und dann möge der Erbauer diesem ungehobelten Klotz gnädig sein, war, so unangenehm ihr der Gedanke auch war, dass das tatsächlich eine Alternative darstellte. Eine Alternative bei der Juliette nicht ihren geliebten Ring hergeben musste, bei der sie eigentlich nichts zu verlieren hatte. Außer deine Würde! Würde! Und die würde sie auch schwer vermissen. Aber Würde kommt wieder, der Ring nicht…
    Den anderen Söldnern waren diesem Vorschlag offenkundig weit mehr angetan. Johlend gaben sie ihre Zustimmung bekannt und richteten danach ihre Augen gespannt auf Juliette die den Schmalspurcasanova finster anstarrte, während sie die Für und Wieder abwog.
    Schließlich gab sie ein widerwilliges Zischen von sich.
    „Von mir aus, ihr Widerling.“

    Ein zustimmendes Johlen war die Antwort als sich die Söldner erstaunlich eifrig ihre Würfel zusammen suchten, ihre Wetteinsätze verkündeten und zum Anfangen drängten. Dieser Gavin gab Juliette die Kurzfassung der Regeln und schaffte es darin noch den einen oder anderen Anmachspruch hinein zu flechten, was sie aber genauso kalt lies wie die vorhergegangenen. Wohl einer von der hartnäckigen Sorte. Die Regeln wiederum waren bemerkenswert einfach oder nach Juliettes Ansicht, primitiv aber zu diesem fereldischen Söldnerabschaum passte es ja. Jeder hatte drei Würfel, die man nacheinander rollen ließ und wer am höchsten warf hatte gewonnen.
    Kurz darauf rollten sie auch schon, genauestens beobachtet, über den mit alten und neuen Essensresten befleckten Tisch. Ein Stoßgebet, die Bitte doch ein einziges Mal Glück zu haben, im Geiste wiederholend beobachtete die Orlaisianerin nervös Fäuste ballend ihre drei kleinen Knochenstückchen, wie sie rollten und rollten, über die Tischplatte klackerten bis sie, nach ein paar der längsten Sekunden die Juliette je erlebt hatte, langsam zum Stehen kamen. Eine Fünf und zwei Sechsen.
    Ein kollektives, enttäuschtes Stöhnen der Söldner erklang. Sie hatte am höchsten geworfen.
    Die Last der Anspannung fiel von ihren Schultern wie ein bis oben mit Steinen gefüllter Rucksack als sie registrierte die ihre Gebete erhört worden waren. Sie durfte ihre Würde behalten. Während die Söldner noch unzufrieden brummten zogen sich Juliettes Mundwinkel vor Erleichterung in die Höhe. Rasch sammelte sie ihre Gewinne ein.
    „Mein Beileid, die Herren.“, sprach sie triumphierend lächelnd. Die Erleichterung trieb ihre Laune soweit nach oben das sie fast schon vergaß, dass sie mit ekligen und vor allem durchaus gefährlichen Männern am Tisch saß. Was war heute doch für ein herrlicher Tag? Dabei dachte sie es wäre wieder einer der Tage an denen man sich wünschte gar nicht erst aufgewacht zu sein. „Aber beim Glücksspiel kann man nun mal auch verlieren.“
    Zu ihrem Glück aber beschränkten sich die Söldner darauf zu grummeln und Revanche zu fordern.

    Plötzlich ging die Tür auf und Licht fiel in den sonst recht düsteren Schankraum. Manch ein Gast stöhnte leise auf als helles Licht auf die an die Düsternis gewohnten Augen traf doch als sie erkannten wer da gerade eintrat konnten der eine oder andere den Blick kaum noch von ihr nehmen. Eingehackt an den speckigen Armen des Wirtes trat eine junge, brünette Frau in das Wirtshaus. Gekleidet war sie in ein figurbetontes, hauptsächlich rotschwarzes Bürgergewand, nach fereldischen Maßstäben also sehr elegant, nach Juliettes orlaisischen Maßstäben jedoch weniger. Im Geiste hätte sie darüber gelacht, wenn das nicht dermaßen unhöflich gewesen wäre. Dass die Frau bemerkenswert gutaussehend war sagte ihr allein schon die Reaktionen der Herren am Tisch, die sich mehr als einmal zu der schönen Unbekannten umdrehten.
    Eigentlich hätte Juliette darüber angetan sein müssen. Da kam irgendein gutaussehendes Weibsbild in die Schenke und schon hatte sie ihre Ruhe vor diesen aufdringlichen Kerlen. Jetzt war die Unbekannte, die gerade von der Wirtin einen Teller mit Leber mehr hingeworfen denn serviert bekam, das Objekt ihrer Begierde und sie würde sich schon bald mit diesen Ekelpaketen rumschlagen können. Doch aus einem unerfindlichen Grund war Juliette ganz und gar nicht angetan.

    Zugegebenermaßen: Es hatten bei weitem nicht alle plötzlich nur noch Augen für diese eben Eingetretene, unter anderem zum Beispiel dieser Widerling von einem Schmalspurcasanova. Juliette war schließlich nach fereldischen Standards, in denen Kriegerin ebenso respektiert und begehrt waren wie Krieger, mindestens ebenso gut aussehend, wenn nicht sogar ausgesprochen gut aussehend aber man merkte das sie nicht mehr die einzige schöne Frau im Raum war. Und bei jemanden bei dem das, in der orlaisichen Gesellschaft überauswichtige, eher schon grundlegende Konkurrenzdenken auch nur ansatzweise noch vorhanden war, wie bei Juliette, nun, dem ging so etwas gehörig gegen den Strich.
    Die Mundwinkel missbilligend herunterziehend sah sie weg. Sie vermutete mal das diese, diese, diese (sie musste an sich halten um nicht ein unhöfliches Wort zu verwenden)…diese Frau nicht aus Ferelden stammte, was allerdings mehr auf Juliettes Gefühl und ihrer Abneigung gegenüber dieser Hundeanbeter stammen dürfte. Bis jetzt hatte sie nämlich noch nie eine Fereldanerin gesehen die ihr Konkurrenzdenken wirklich ansprach. Im trunkenen Zustand hatte sie mal behauptet das Fereldanerinnen sich mehr zum Fische entschuppen eignen würden als auf die Straße zu gehen und sich begehrenswert zu fühlen.

    Jedoch beschloss sie dass weder das noch diese Frau im Moment wichtig waren. Wichtig war etwas zu essen zu bekommen, wie widerlich es auch schmecken würde. Doch um an diesen Schlangenfraß zu kommen müsste der Wirt oder die Wirtin die hungrige Söldnerin erst einmal bemerken aber leider schienen die beide ein kleines „Gespräch“ in der Küche zu führen aus dem das Gezeter der Wirtin erklang. Vorerst würden sie sich wohl nicht aus der Küche bewegen was Juliette beinahe dazu bewegt hätte den unschönsten orlaisichen Fluch den sie kannte zischend auszustoßen. Offensichtlich hatte der Wirt die schöne Unbekannte etwas zu freundlich behandelt was der Wirtin wenig behagte.
    Somit hatte die Unbekannte Juliette nun noch länger dazu verdammt auf das Frühstück zu warten und den bohrenden Hunger zu ertragen. Verflucht sei diese…diese Schl…Frau!, dachte sie sich hart darum kämpfend nicht wütend zu fauchen.

    Während sie die restlichen Söldner harsch aufforderte Juliettes restlichen Gewinn rauszurücken und diese nach und nach dem widerwillig nachkamen, schwang die Tür ein weiteres Mal auf, doch diese Mal übertrieben grob. Ein Mann, wohl ein paar Jahre älter als Juliette, gekleidet in schwarzbrauner Lederkleidung stapfte in den Raum und sah sich um als ob er jemanden suchte. Sein langes schwarzes Haar umrandete sein gebräuntes Gesicht, den Nacken und dicken Hals über dem sich eine unschöne Narbe zog. In seinen braunen Augen funkelte Entschlossenheit und Selbstbewusstsein was ihn zusammen mit seinen selbstsicheren Gang und den Waffen die er trug als einen Kämpfer auswies. Die Vermutung es handelte sich bei diesem Kerl um einen professionellen Söldner lag nicht fern doch Juliette deren aristokratisches Gesicht plötzlich jegliche Farbe verloren hatte erkannte ihn als jemand anderen.
    Der schwarze Mann!, hauchte sie in ihren Gedanken entsetzt. So hatten sie und ihr Bruder ihn damals, vor all diesen Jahren, zu Hause genannt. Jener finstere Gesell über den man sich auf den Anwesen der Familie nur mit vorgehaltener Hand, flüsternd traute zu sprechen. Jener über den man behauptete er wäre für etliche Leute die mit dem Gesicht nach unten schwimmend im Stadtfluss oder aufgeschlitzt im Unrat der Jauchegruben liegend aufgefunden wurden verantwortlich. Der Mann den Vater zu sich rufen ließ, wenn ein Geschäft nicht den gewünschten Ausgang nahm. Der über den man besser nicht viel wusste. Der von dem Juliette dachte ihn vor Jahren abgeschüttelt zu haben.
    Yanis Leclerc, Scherge des Lords Maxime de Ludin, ihres Vaters.

  6. #36
    DA-FRPG only Avatar von Juliette de Ludin
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    Teil 2

    Suchend wanderte der Blick des schwarzen Mannes durch den Schankraum, taktierte die Umgebung ehe er präzisen Schrittes zu dem Wirt an die Theke ging und mit dem übergewichtigen Mann sprach. Was er sagte bekam sie nicht oder nur undeutlich mit doch war es egal. Für die Adlige stand außer Frage was der schwarze Mann hier tat und wenn er suchte. Er suchte sie.
    Der Gedanke trieb den mit ihrer Furcht gewässerten Samen der Panik tief in sie. Alles in ihr schrie Lauf weg! Versteck dich! Der Mann der sie durch halb Orlais gejagt hatte und sie einem ungutem Schicksal zuführen würde, war im selben Raum mit ihr. Ihre ganze Willenskraft musste sie aufbieten damit die Panik nicht aufkeimte und ihr die Kontrolle über ihren Körper entriss, wie ein durchgehendes Ross seinen Reiter abwarf.
    Bleib ruhig!, sprach sie sich selbst Mut zu als sie ihre Panik langsam niederrang. Er hat dich noch nicht bemerkt!
    Das durch ihre Adern rauschende Adrenalin verlieh ihr eine Klarheit die sonst nur in einem Kampf mit Klingen auf Leben und Tod verspürte. Sie beruhigte sich soweit, bis man ihr ihre Anspannung nicht mehr ansah. Rasch sondierte sie, mit ihrer Erfahrung als langjährig Gejagte, die Lage. Er hatte sie tatsächlich nicht bemerkt, ansonsten würde er sich wohl nicht die Zeit nehmen diesem einfältigen Hünen von einem Söldner die Hand zu brechen als dieser ihn ansprach. Das war mutig, eher gesagt leichtsinnig wenn man bedachte das dieser Hüne nicht alleine war sondern in Begleitung von mehr als einem Dutzend Waffenbrüder war, die jedoch feige den Schwanz einkniffen.
    Die meisten von ihnen trauten sich nicht einmal seinen bedrohlichen Blick zu erwidern sondern wichen mit den ihren in die Becher und Krüge aus als er einen nach den anderen anstierte. Rasch schob Juliette ihren Stuhl lautlos ein kleines Stück nach hinten und schnappte sich einen der leeren Krüge und tat es den Söldnern gleich in den Becher zu starren. Unter den Söldnern fiel sie nicht auf, da sie von Erscheinung mit ihnen mehr gemein hatte als ihr eigentlich lieb war, zudem hatte der Häscher keine freie Sichtlinie zu ihr da sie sich eben, so platziert hatte das der stämmige Söldner mit dem Zottelbart sie fast vollkommen verdeckte. Zum Glück saß sie zwei voll besetzte Tische entfernt von dem Häscher sodass er allerhöchstens einen Teil ihres Haarschopfes oder den Krug hatte erblicken können.
    Ihre Tarnung ging auf. Ohne sie bemerkt zu haben wandte sich der Mann wieder von den Söldnern ab. Es lief gut. Jetzt musste Juliette nur noch von ihm ungesehen verschwinden. Zu warten bis er ging kam nicht in Frage. So wie die Flüchtige ihn während der Jagd auf sie in Orlais kennen gelernt hatte, war er nie und nimmer allein hier. Seine Schergen hatten vermutlich die Wirtschaft umstellt und er war hineingegangen um die Lage zu sondieren. Bald würde sie wohl zu ihm stoßen und die ganze Kneipe auseinander nehmen, sie musste also vorher weg.

    Plötzlich wurde der schwarze Mann angesprochen. Die brünette Frau von vorhin lud ihn ein sich zu ihr und ihrer aufgetauchten elfischen Begleitung zu setzen und orderte Wein. Heute schien der Erbauer Juliette zumindest etwas mehr Glück zuzugestehen als sonst. Der Mann war abgelenkt. Jedoch stand er so dass die Adlige durch sein Blickfeld ohne jede Deckung gehen müsste um zu ihren Gefährten in der Dachkammer zu gelangen. Das Risiko das er sie erkennen würde, immerhin war sie die Frau der er schon seit Jahren nachjagte, war höher als der weiße Turm in Val Royeaux.

    „Ihr habt uns noch gar nicht euren Namen genannt, Schätzchen.“, sprach der Schmalspurcasanova sie erneut auf seine charmante Art an, wenn auch bemüht von diesem unwürdigen Spektakel das seinem Kameraden geschehen ist abzulenken. Doch registrierte Juliette weder ihn noch die anderen Söldner die leise miteinander tuschelten und feindliche Blicke in die Richtung des Orlaisianers warfen so richtig. Sie war damit beschäftigt ihren Verstand nach einer Lösung für ihr Problem zu zermartern und da war seine Stimme unerwünschter und störender als ein Schwall kaltes Wasser im Winter ins Gesicht zu bekommen.
    Wut baute sich so langsam in ihrem Oberstübchen auf. Diese verdammte Nervensäge solle endlich das Maul halten. Sie musste nachdenken und durfte sich nicht ablenken lassen.
    „Ist er genauso schön wie ihr?“
    Beinahe hätte sie ihm zähnefletschend einen Tritt, mit den Worten Haltet endlich den Rand, in den Schritt verpasst als ihr eine Idee kam. Die ein Stückchen zusammengezogenen Augenbrauen wanderten wieder auseinander, ihr zornige Gesichtsausdruck entspannte sich und der wütende Blick verschwand wie auf Knopfdruck. Keine Deckung? Möglicherweise konnte sie das ändern.
    „Natürlich ist er das, ihr Charmeur.“, antwortete sie angetan die vollen Lippen zu einem bezaubernden Lächeln verzogen. Einen ihrer Haarscheitel scheinbar nebensächlich und doch elegant zurechtrückend und ihn eindeutig mit ihren Augen die aus dem reinsten, glänzendsten Stahl gemacht schienen anblickend. „Ich verrate ihn euch aber nur…woanders…in Zweisamkeit.“
    „Hä?“, gab der Söldner dessen grünbraune Augen sich überrascht geweitet hatten verständnislos von sich.
    „Wir. Zweisamkeit. In der Dachkammer. Jetzt.“, kam ihre Antwort mit einem Wimpernklimpern etwas drängend.
    Als sein fereldisches, alkoholvernebeltes Spatzenhirn die Information, das sie seiner Annäherung scheinbar nicht abgeneigt war und sie sogar ordentlich ran ging endlich verarbeitete kam ein fassungsloses und dennoch erfreutes Grinsen über sein vernarbtes Gesicht. Beinahe wäre Juliettes Maske bei diesem Anblick brüchig geworden und sie hätte sich übergeben. Beinahe wäre ihr Schmierentheater umsonst gewesen doch als sie ihn geschauspielert, wenn auch eher mittelmäßig geschauspielert, sehnsuchtsvoll am Arm zog, sprang er regelrecht von seinem Stuhl. Ein geistiger Seufzer entwich ihr.
    Schön du hast ihn um den Finger gewickelt. Vielleicht hast du deine Berufung ja verfehlt und solltest lieber im nächsten Hurenhaus anfangen, Würdelose?

    Auf dem Weg zur Treppe achtete sie, während sie sich mit Ekel (sowohl vor ihm als auch zum Teil vor ihr selbst) an ihn schmiegte, penibel darauf dass seine breitere Kontur die Ihre verdeckte, sodass nicht genug von ihr zu sehen war um sie wiederzuerkennen. Auch diese List ging auf und sie kamen unbemerkt zu der Treppe. Offensichtlich hatte Juliette nichts verlernt.
    Sie waren gerade erst außer Sicht- und hoffentlich auch Hörreichweite als sie sich überlegen wollte wie sie nun dieses Ekelpaket los werden konnte als dieser sie plötzlich zu sich zog.
    „Wieso eigentlich die Dachkammer? Warum nicht gleich hier?“, keuchte er gierig. Seine gespitzten Lippen näherten sich ihr, vor Verlangen fast geifernd.
    Das war das letzte Fettnäpfchen in das er trat.
    Juliettes Abscheu und Widerwille explodierten regelrecht in einer Woge aus Wut und Ekel, dir ihr sogleich in die geballte Faust wanderten. Krachend und begleitet mit dem Übelkeit erregenden Knacken seiner brechenden Nase schlug die bedrängte Adlige sie ihm mit der größten Wucht die sie aufbieten konnte ins Gesicht. Sein Kopf wurde ruckartig in den Nacken zurückgeworfen und er taumelte ächzend nach hinten, fort von Juliette. Mit einem undeutlichen Gemurmel das erstarb als sich seine Augen zurück in den Schädel rollten sackte er bewusstlos zusammen.
    Schwer atmend und vor Ekel kaum einen Ton raus bringend wischte sich Juliette fast über ihre ganze Kleidung, wie als hätte er sie mit widerlichem Schleim bedeckt. Nach dem sie sich wieder gefasst hatte eilte sie schnell hoch zur Dachkammer.

    Deren Falltür stoß sie unsanft auf sodass jeder in der Dachkammer der nicht seines Gehöres beraubt war hochschreckte.
    „Wir müssen verschwinden!“, forderte sie eilig als sie schon drauf und dran war sich ihr Gepäck zu schnappen.
    „Warum?“, kam es erschrocken von dem hochgeschreckten Alrik der die Blutspritzer des Schmalspurcasanovas auf Juliettes Kleidung erblickte.
    „Da…Da sind Räuber!“, log sie. „Sie wollen die Schriftrolle! Einer von i`nen ist bereis im Gast`aus!“
    „Die Meute aus Lothering?“, fragte Alrik entsetzt.
    „Ja genau!“, entgegnete sie hastig. „Sie haben uns aber noch nicht gesehen. Vielleicht können wir uns davon schleichen!“

  7. #37
    DA-FRPG only Avatar von Rhaego Alcaryen
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    Rumms!
    Rhaego fuhr auf. Wo vor einem Moment noch das schwarze Nichts des Tiefschlafs geherrscht hatte, war auf einmal wieder Licht und Lärm.
    Es dauerte einen Moment, bis er den lauten Knall, der ihn geweckt hatte, der Falltür zuordnete, die mit voller Wucht aufgestoßen worden war. Die Orlaisianerin, die den Aufruhr verursacht hatte, war allerdings schon weiter geeilt, und raffte gerade ihre Sachen zusammen, während sie gleichzeitig einen Schwall ihres akzentuirten fereldanisch losließ. Alles was Rhaego aus ihren hektischen Worten verstand, war "Räuber" und "Gasthaus".
    Doch Alrik verstand offenbar, wovon sie redete, und fragte entsetzt nach: „Die Meute aus Lothering?“
    Und noch ehe der Magier verarbeiten konnte, was der junge Bursche gesagt hatte, kam schon die eilige Bestätigung von Juliette. Sie sagte irgendetwas von "davonschleichen".
    Langsam verschwand der Nebel des Schlafes, der die Reste seines Verstandes umhüllt hatte, und er begriff, was die Orlaisianerin gerade verzapfte. Aber trotzdem verstand er nicht wirklich worum es ging.
    Noch immer auf seinem Strohsack sitzend, von dem er sich bisher nicht gerührt hatte, unterbrach er die Unruhe, die nach der Ankündigung der Orlaisianerin ausgebrochen war. Noch immer zu verwirrt, um angemessen feindlich und abneigend zu ihr zu sein, rief er entgeistert aus: "Moment! Was soll das? Welche Räuber? Welche Meute aus Lothering? Woher wissen sie von der Schriftrolle?"
    Doch plötzlich fiel ihm etwas auf, was er wegen Juliettes Hektik bisher nicht bemerkt hatte - kleine, dunkle Spritzer auf ihrer abgenutzten Kleidung.
    "Ist das... Blut?!", fragte er erschrocken.

  8. #38
    DA-FRPG only Avatar von Leirâ Ven
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    Ich laufe. Renne. Der Wald um mich herum verschwimmt zu einem einzigen, dunklen Schemen. Ich rieche den Rauch, spüre sie in meinem Nacken. Kein Bogen, Vaters Schwert verloren. Selbst das Dar'Misu verlor ich im Kampf mit ihm, dem Mann mit den toten Augen. Warum jagt er mich? Ich kenne ihn nicht, doch
    Rumms!

    Wenn man genau hinsah, konnte man die sensiblen Ohrspitzen bei dem Knall, mit dem Juliette die Falltür öffnete, zucken sehen. Gedanke wich Reaktion, der Körper erwachte schneller als der Geist. Schnelle als für sie selbst gut war. die Finger ihrer linken Hand schlossen sich um den Dolch, doch als sie hochfahren wollte, musste sie sich auf dem sack falsch gedreht haben.
    Im letzten Moment presste sie die Zähne zusammen, nur ein erstickter Laut entfuhr ihren Lippen. Der Schmerz stoppte ihre Bewegung, ihre rechte Seite pulsierte. In langen Fäden zog sich die Pein durch ihren Brustkorb, sie sank zurück. Es kostete sie immense Willenskraft, die Waffe in der Hand zu behalten. Sie zitterte.
    Derweil erreichte das Gesprochene ihr Gehör:

    "Räuber sind uns gefolgt!"
    "Meute aus Lothering?"
    "Wir können uns davonschleichen!"
    "Wer? Wie? Was? Wo? Blut?"

    "In Sylaines Namen beruhigt euch!", rief die Dalish in den Raum. Zumindest fürs Erste verstummten die Anderen. Mühsam, unter Schmerzen, mit einem Geräusch, das wie ein Grunzen klang, drückte sie ihren Oberkörper empor. Sie saß, gähnte. Ihr Blick wanderte zu dem Fenster.
    So früh? sie hatten kaum eine halbe Nacht geschlafen, eher weniger.
    "Was bei den Schöpfern ist hier los?" Ihr Blick heftete sich nun erst auf Alrik, dann auf Juliette.
    "Wir werden wegen diesem Schrift -Ding verfolgt?" Neben dem Unmut ob der frühen Stunde mischte sich nun auch wütender Vorwurf in ihren Blick.
    "Und warum habt ihr mir das verschwiegen? Ich hätte unsere Fährte verwischen können?" Fassungslos wanderte ihr Blick von der Einen zu dem Anderen. Sie griff nach ihrem Gürtel. Hielt inne, verlangsamte die Bewegung.
    Nicht so schnell, immer langsam. Und vorsichtig.
    Mit bedächtigen Bewegungen förderte sie einen Lederriemen zu tage und begann, sich die Haare aus dem Gesicht zu binden. Dabei strich sie diese notdürftig mit den Händen glatt. Dabei kreisten ihre Gedanken:
    Warum sollte sich eigentlich noch jemand für dieses Zwergengeheimnis interessieren? Sie zog mehr oder weniger mit, weil sie kein anderes Ziel hatte. An Rhaegos Stelle wäre sie wohl überall hingezogen, solange sie nur diesem Turm hätte entkommen können. Alrik und Juliette... Das war schwieriger. Die beiden hatten dabei Worte gebraucht, die der Dalish nicht vertraut waren. Wahrscheinlich hatte es mit ebendiesen Worten zu tun.
    Sie wurde von einem grummelnden Geräusch unterbrochen und hielt inne. Ihr Magen. Wann hatte sie das letzte Mal etwas gegessen? Moment, dies war doch ein Gasthaus...
    "Können wir nicht zuvor eine Mahlzeit zu uns nehmen? Oder gilt bei den Shemlen der Frieden der Gastfreundschaft nichts?"

  9. #39
    DA FRPG only Avatar von Yanis Leclerc
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    Port Calenhad------------>

    Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die Bäume und vertrieben die Dunkelheit der Nacht. Yanis spürte die Wärme der Sonne auf seinem Gesicht und Lächelte.
    Der Tross ritt auf dem Waldweg entlang einer Kurve und irgendwann kamen sie aus dem Wald heraus. Der Tross fächerte sich auf und hielt auf das Gebäude zu, dass sich in einiger Entfernung sich an den Waldrand schmiegte.
    Vor dem Gasthaus stand ein Wagen, wie er von fahrenden Händlern genutzt wurde. Yanis wollte keine Zeit verschwenden und stieg etwas schwerfällig vom Pferd. Er ließ seine Müden Glieder und Gelenke knacken und biss die entblößten Zähne zusammen als er seine Schultern nach hinten schob und sein Kreuz ein wenig nach hinten bog. Er atmete tief durch.
    „Philipe nimm dir vier Mann und sorg dafür, dass niemand unbemerkt verschwindet!“
    Der Angesprochene nickte stumm und ritt mit vier weiteren hinter das Haus. Yanis wandte sich an den Rest. „Grangé, versorgt die Pferde und kommt dann nach!“
    Yanis ging weiter, um den Handelswagen herum und fuhr erst einmal zusammen. Ein weißer Bär drehte sich mit einem Brummen zu ihm um. Ohne den Bären aus den Augen zu lassen ging er Schritt für Schritt wieder hinter den Wagen um dann, nachdem der Bär außer Sicht war, den Wagen auf der anderen Seite zu passieren.
    Etwas in dieser Art hatte er noch nie gesehen. Ein Bär, der weiß war und einen Wagen zog. Mit einem leichten Kopfschütteln riss er seinen Blick von dem seltsamen Bären los und wandte sich an die Tür.
    Beim öffnen der Tür zur Schenke überschätzte er das Gewicht der Tür. Die Tür flog geradezu auf , zwar versuchte der Orlaiser den Türgriff noch festzuhalten doch sein Griff ging ins Leere.
    Mit einem Scheppern prallte die Tür auf und instinktiv machte Yanis ein ernstes Gesicht und richtete sich auf. Wenn schon etwas schiefging musste man halt das Beste daraus machen.
    Yanis konzentrierte sich und schritt langsam in das Gasthaus während er aufmerksam die Gesichter der Gäste suchte.
    Einige Söldner saßen in einer der Ecken und schlugen Zeit durch das Glücksspiel oder Alkohol tot. Daneben war noch eine Elfe und eine hübsche Frau die etwas abseits saßen.
    Yanis schritt, sich weiterhin umsehend, zum Tresen. Der Wirt war dabei einige Gläser zu polieren als Yanis die Theke erreichte. Er wollte gerade die Zeichnung Juliettes hervorholen als er aus dem Augenwinkel sah, wie einer der Söldner sich leicht schwankend ihm näherte.
    „Verzeiht mir, Herr. Eventuell könnten wir euch bei der Suche behilflich sein.“ Yanis starrte den Wirt an und spannte seine Kiefermuskeln an.
    „I’r seid betrunken. Isch `abe keine Verwendung für eusch!“ sagte er dem großen Söldner ohne ihn anzusehen.
    Der Wirt hob beschwichtigend die Hände und machte einen Schritt zurück, er wolle hier keinen Ärger. Der Söldner aber schien seine Worte nicht verstanden zu haben. Yanis drehte seinen Kopf zu dem Mann und sah über seine Schulter hinweg. Die Söldner schienen alle zum gleichen Haufen zu gehören. Yanis wollte auf jeden Fall einen Konflikt mit den Söldnern vermeiden und fokussierte erneut den Söldner vor ihm.
    Der Mann machte noch immer keine Anstalten zu gehen oder seine Worte verstanden zu haben. Er drehte sich nun ganz zu dem Mann um. Er führte seine Finger vor die Augen seines Gegenübers. Als dieser die Finger ansah bewegte er langsam die Hand von links nach rechts und wieder zurück. Brav sah der Mann der Bewegung der Finger hinterher, schließlich ließ er die flache Hand gegen die Stirn des Mannes klatschen.
    Verwirrt blinzelte der Mann und versuchte anscheinend das gerade Geschehene zu verstehen. „Wenn isch eure ’ilfe benötige, sag isch eusch schon Bescheid und nun verpisst eusch.“
    Yanis hoffte inständig, dass der Mann ihn nun verstanden hatte und der Söldner hatte verstanden. Den Schlag des Söldners fing er ab und verdrehte das Handgelenk des Mannes, sodass dessen Kopf mit Wucht auf den Theresen prallte. Yanis sah zu den anderen Söldnern, doch die schienen sich nicht vom Platz zu rühren.
    Yanis beugte sich zu dem Mann vor und flüsterte „verschwindet jetst!“ und brach ihm das Handgelenk. Das grässliche Geräusch schien durch die Ganze Schenke zu hallen.
    „’abt i’r das verstanden?“ Fragte er in Richtung aller Söldner. Wenn man den größten und lautesten einer potentiell aggressiven Gruppe gleich als erstes effektvoll ausschaltet hat man eine große Chance, den Rest der Gruppe einzuschüchtern. Yanis Plan ging er, die Söldner widmeten sich wieder ihrer Geschäfte.
    Mit einem Seufzen sah er sich nach dem Wirt um, doch der glänzte durch Abwesenheit. Er wollte gerade die Schenke verlassen um nach seinen Leuten zu sehen und ließ noch einen Söldner passieren als die Brünette seine Aufmerksam auf sich zog.
    Gekonnt schob sie einen Stuhl so hin, dass er bequem Platz nehmen konnte. „Bitte, setzt euch doch zu mir.“ Yanis zog die Augenbraue kraus als er die beiden Frauen genauer ansah. Die Brünette sprach zwar offensichtlich zu ihm sah ihn aber nicht genau an, anscheinend war sie blind – oder beschränkt. Er sah zur Elfe die ihren Griff um den Arm der Brünetten daraufhin noch zu verstärken schien.
    „Wirt! Mehr Wein und einen Becher Met für meinen Freund hier... Bitte!“ bestellte die Brünette beim zurückgekehrten Wirt.
    Irgendwie wurde Yanis das Gefühl nicht los, dass diese Frau etwas wusste. Yanis ließ sich auf den Stuhl nieder und starrte abwechselnd den beiden Frauen direkt in die Augen.
    „Meine Seit ist kostbar, was wisst i’r?“ fragte er die beiden als die Tür erneut aufging, diesmal leiser. Vier von Yanis Männer betraten die Schenke und der Wirt trat an Yanis Tisch und stellte Yanis den Becher Met auf den Tisch. Yanis hielt den Arm des Wirts fest noch bevor dieser den Becher losgelassen hatte.
    „I’r müsst mir eine Frage beantworten!“ forderte er den Wirt auf und kramte die Zeichnung Juliettes hervor „`abt i’r diese Frau schon einmal gese’en?“
    Geändert von Yanis Leclerc (04.01.2013 um 15:08 Uhr)

  10. #40
    DA-FRPG ONLY Avatar von Adriana-Sarunu Vedeejs
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    Tatsächlich setzte sich der Mann zu ihr.
    „Meine Seit ist kostbar, was wisst i’r?“, fuhr er sie wie vorhergesehen an. 'Typisch Mann', dachte sich die brünette Blinde. Die Männer wollten immer sofort zum Punkt kommen, doch das gebot sie ihm nicht. Wahrscheinlich würde er dann wohl einfach wieder verschwinden, wie sie es alle taten, wenn sie nicht das bekamen, was sie wollten. Doch inständig hoffte Adriana mal auf einen anderen Mann getroffen zu sein. Einen, der sie überraschte.
    Der Wirt kam zurück, brachte Wein und Met. Sie konnte hören, wie der Mann nach der Frau fragte. Zweifellos war er es. Er war Yanis Leclarc. Meuchelmörder und Mann für schmutzige Geschäfte des Hauses de Ludin. Sicherlich war er es, den seine Hoheit Lord Maxime de Ludin aussandte, seine entlaufene Tochter zu finden und zurück in den heimischen Schoß zu bringen.
    Adriana richtete sich auf, Bauch rein, Brust raus, Rücken gerade. So wie sie es gelernt hatte, so wie sie praktisch jeder Mann sehen wollte. Für ihren Vorbau musste sich die blinde Händlerin nicht schämen, im Gegenteil, er war einer ihrer vielen Trümpfe, die sie im Verlaufe eines Gespräches, insbesondere um an Informationen zu gelangen, einsetzte. Sie tupfte sich mit der Servierte die Mundwinkel sauber, dann nahm sie einen kleinen Schluck Wein und legte ihre Hände gefaltet in den Schoß. Ihre Arme rahmten dabei ihren Busen ein und rückten ihn noch etwas enger zusammen, was ihn noch größer aussehen ließ. Dann begann sie, in das Gespräch mit einzustimmen.
    „Ihr sucht die Adlige aus Orlais, richtig?“
    Der Mann nickte, wohl gebannt vom Ausblick, der sich ihm bot. Adriana lächelte sanft, nicht wissend, ob er ihren Worten folgte, oder nicht. Dem wohlbekanntem Klang eines leeren Metbechers, konnte sie aber entnehmen, dass er ihren Worten doch folgte.
    „Ihr müsst Yamis Leclarc sein, oder täusche ich mich, mein Herr?“
    Ein weiterer Trumpf. Dem Gesprächspartner immer ein wenig Honig ums Maul schmieren und ihn in Sicherheit wiegen, dass er die Oberhand in diesem Gespräch führte, doch konnte sie nicht verhindern, dass ihr Blick ins Leere schweifte. Sie fokussierte einen leeren, schwarzen Punkt etwas abseits ihres Gegenüber an. Dies war so ziemlich der einzige Makel, welcher ihr zum Nachteil gereichte, also spielte sie ihn schnell weg.
    „Bitte verzeiht, wenn ich euch nicht direkt ansehe, mein Herr, aber mein Augenlicht... Nun ja. Ich bin Blind.“, versuchte sie ihm mit einem Lächeln beizubringen, ehe sie sich eines weiteren Schluckes Weins begnügte und die wohl anklagenden Worte des Jägers erwartete.

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