Ehe Rhaego erleichtert ausatmen konnte, weil Juliette sich wie ein Wirbelsturm auf die zwei Männer stürzte, die ihn angreifen wollten, traf ihn ein wuchtiger Schlag in die Kniekehlen. Stöhnend fiel er auf die Knie, außerstande seinen Sturz aufzuhalten. Schmerz schoss durch seine Beine, mehr als er sich je vorgestellt hatte. Plötzlich legte sich eine Hand um seinen Hals, eine weitere fasste nach seinem Hinterkopf. Rhaego griff verzweifelt nach dem Arm, versuchte ihn wegzuzerren, doch sein Angreifer schien es nicht einmal zu bemerken. Er spürte, wie sich die Muskeln anspannten, und wusste, dass dies nun das Ende war. Panische Angst flutete durch ihn hindurch und löschte jeden Gedanken aus, bis auf einen: Er wollte noch nicht sterben! Er hätte geschrien, wenn er die Luft dazu gehabt hätte, doch seine Lungen schienen ihm nicht mehr gehorchen zu wollen.
Ein Lichtblitz zuckte an ihm vorbei. Juliettes Säbel! Der Griff um Rhaego löste sich, doch ein letzter Tritt in seinen Rücken sandte ihn mit dem Gesicht voraus in den Staub. Zitternd versuchte er wieder zu Atem zu kommen. Schließlich richtete er sich langsam wieder auf, den Lärm des Gefechts in den Ohren.
Neben ihm erklang ein Klirren und Rauch stieg auf. Rhaego versuchte schwer atmend, einen Schild dagegen zu wirken, doch ehe er eine Verbindung zum Nichts aufgebaut hatte, hatte der Rauch ihn schon erreicht. Er wollte den Atem anhalten, doch es war zu spät: Ein Teil des Qualms hatte seine Atemwege erreicht. Es fühlte sich an, als würde seine Lunge verätzt. Hustend fiel er wieder nach vorne auf alle viere, atmete dadurch jedoch nur noch mehr Rauch ein. Ein dichter Tränenschleier verdeckte seine Sicht. Er verlor die Kontrolle über seine Arme und stürzte erneut zu Boden. Innerhalb von Augenblicken bestand seine Welt lediglich aus dem Brennen in seinem Rachen, seiner Lunge und seinen Augen.
Halb bewusstlos spürte er noch einen gewaltigen Ruck, als er irgendwo aufprallte und ein gleichmäßiges Schaukeln unter ihm.
Schließlich erreichte wieder klare Luft seine Lungen, doch noch immer konnte er nicht aufhören zu husten. Seine Sinne kehrten langsam wieder zurück und er hörte, wie die Händlerin die Ursache des Rauches erklärte. Hustend versuchte er, die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen. Schließlich schaffte er es, die Augen zu öffnen, während Juliette mühsam hervorbrachte: „Abenteurer. Vom Pesch verfolgte Abenteurer.“
Rhaego sah nur Schemen über sich, durch einen dichten Tränenschleier verzerrt. Während sich seine Sicht langsam, ganz langsam unter wildem Blinzeln klärte, fragte Leirâ: „Warum habt îr uns geholfen?"
Das würde mich auch mal interessieren, dachte Rhaego. Doch ehe die Händlerin antworten konnte, bewegte sich etwas neben ihm, dem Stöhnen und Keuchen zufolge Alrik. Rhaegos Augen waren mittlerweile wieder frei genug, um erkennen zu können, wie der Bursche sich langsam aufrichtete, dann das Gleichgewicht verlor und beinahe über die Kannte des Wagens gekippt wäre. Lediglich Leirâs vorschnellender Arm, der ihn an seinem Hemd wieder nach vorne zog, bewahrte ihn davor.
„Bei Andraste!“, keuchte Alrik, seine Worte fast unverständlich, weil sie durch viel Husten unterbrochen wurden. „Was war denn das?“
Etwas, worauf jeder Alchemist im Turm begierig wäre. Zumindest ist das der Beweis, dass ihre Künste tatsächlich nicht völlig nutzlos sind.
Er überließ es den anderen, Alrik erneut über das Teufelszeug aufzuklären – scheinbar hatte er die Erläuterungen der Händlerin nicht mitbekommen – während er selbst sich langsam aufrichtete. Er zog sich am Rand des Wagens hoch und lehnte sich schließlich in einer halbsitzenden Position dagegen. Die Händlerin drehte kurz den Kopf und musterte ihn aus blinden Augen, fast als ob sie ihn sehen könnte. Nun, sie schien sehr gut mit ihrer Blindheit auszukommen, wahrscheinlich hatte sie lediglich seine Bewegungen gehört. Doch der Ausdruck, der eine Sekunde lang über ihr Gesicht huschte, als sie ihn ansah, gefiel ihm nicht. Wie ein Falke, dachte er. Und er war die Maus. So ähnlich hatten ihn die Templer immer angesehen. Nein, das gefiel ihm ganz und gar nicht.
„Wiese habt Ihr uns geholfen?“, wiederholte er Leirâs Frage, da die Händlerin nach Alriks Unterbrechung sich scheinbar nicht mehr daran erinnerte. Wobei es passender wäre, seine Worte als Krächzen zu beschreiben. Licht, wie seine Kehle brannte.