Nos Astra – Untere Ebenen
Versteck
10:39 Uhr
Linnala behielt ihre Mimik unter Kontrolle, aber ihr Blick wandelte sich schlagartig von kühler Herbstnacht zum eisigen Vakuum des Alls, als sie den scheinbar selbstsicheren, überlegenen Ausführungen der Pilotin folgte, die eine ganz offensichtliche Drohung darstellten, Geist und – was wesentlich bedeutsamer war – sie selbst hier zurück zu lassen… Unterstrichen noch von der Tatsache, dass das Mädchen recht hatte, keiner von ihnen konnte das Shuttle sicher von hier fortbringen, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt, denn selbst wenn Geist zufälligerweise ein hervorragender Pilot sein sollte, war er in diesem Augenblick sicher außerstande, auf diese Fähigkeiten zuzugreifen.
Linnala zwang sich dazu, sich entspannt im Kopilotensitz zurück zu lehnen. Das Mädchen hielt sich vielleicht für schlau, aber Linnala bezweifelte stark, dass sie mit ihren – wie viele Jahrhunderte waren? Zwei? Eins?, sie bezweifelte stark, dass es mehr waren – schon genug von dieser Galaxis gesehen haben könnte, um zu wissen, wie sie funktionierte. Und das das Mädchen so töricht sein konnte, ihr zu drohen, verriet ihr, dass die junge Asari nicht den Schimmer einer Ahnung hatte, wer sie war. Niemand drohte der Tänzerin leichtfertig.
Bedauerlicherweise sprang das Mädchen auch auf ihre Drohungen nur wenig an… nun gut, Linnala wusste auch darauf eine Antwort.
„Wenn Sie mich zurücklassen, verlieren Sie die Chance auf…“
Weiter kam sie nicht, da in diesem Augenblick irgendetwas auf das Dach des Shuttles knallte und das ganze Gefährt in heftige Vibrationen versetzte. Linnala ballte eine Faust an ihrer Seite und spürte, wie beinahe augenblicklich biotische Kraft dorthin jagte und sich knisternd in der geballten Faust sammelte, ihre Nervenenden schienen beinahe zu brennen.
Anscheinend regnete es mittlerweile tatsächlich Trümmer auf sie hinab. Vielleicht brachte das die Pilotin dazu, schleunigst von hier fortzufliegen – ohne das Linnala den Inhalt ihres ersten Kontos auf das der Pilotin überweisen musste.
Ein weiterer Knall, das Gewicht auf dem Shuttledach verschwand urplötzlich, nahezu im selben Moment, und Linnalas Blick richtete sich auf die Pilotenseite des Shuttles und ging durch das Fenster hinaus. Sie konnte nichts sehen, offenkundig lag was auch vom Shuttledach auf die Plattform gefallen war außerhalb ihres Sichtfeldes, aber dafür vernahm sie nun das geröchelte und tonlose Wort, dass von außen gedämpft ins Shuttleinnere drang: „Lyria.“
Linnala wandte sich leicht der Pilotin zu, ein schmales aber kühles Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Ein Freund von Ihnen? Sind Sie seinetwegen hier?“ Ihr Lächeln vertiefte sich, wurde intensiver – und dadurch nur noch kühler. „Wollen Sie ihn nicht hineinbitten?“
10:40 Uhr