Narshad - The Lost Souls

[Calix]

„Du bist zu weit gegangen!“
Die Asari kreischte plötzlich auf und eine Art Schockwelle ging explosionsartig von ihr aus. Sie traf Calix völlig unvorbereitet. Barhocker, Bar und Tische neben der Asari krachten zusammen, als wäre irgendwas tonnenschweres auf sie draufgefallen. Doch bevor Calix auf irgendeine Art und Weise reagieren konnte, war der Impuls über ihn hinweggefegt. Auf einmal war alles an ihm viel zu schwer und er hatte das Gefühl durch den Boden brechen zu müssen. Sein rechter Arm wurde ruckartig nach unten gerissen. Reflexartig öffnete er seine Hand, die Klinge fuhr zurück, und dann krachte sein Arm auch schon donnernd auf den Boden. Sein linker Arm knickte ein und zwang ihn zu einer Art Verbeugung vor der Asari, während sich sein ganzer Körper nach rechts neigte. Er schaffte es gerade eben noch mit dem rechten Fuß das Gleichgewicht zu halten, sonst wäre er einfach nach rechts umgekippt.
So schnell wie der Sturm ausgebrochen war, war er auch wieder vorbei. Irgendwo zischte pfeifend eine kaputte Leitung und füllte den Raum mit Dampf. Er stand halb zusammengekauert mit den Unterarmen auf dem Boden gestützt da. Er sah an sich herab: alles in Ordnung, nirgendwo ein Holzsplitter, der sich durch seine Rüstung gebohrt hatte. Er dachte kurz schaudernd an Steinsplitter, die ihn überall durchbohrten, an Felsbrocken, die auf ihn herabstürzten. Doch das war Geschichte. Alles ist gut. Reiß dich zusammen.

„Du blöder Wichser!“
Er hob den Kopf. Jetzt waren die Rollen vertauscht. Er war hier am Boden, immer noch in seiner lächerlichen Verbeugung und sie sah auf ihn herab. Dampfschwaden zogen zwischen den Beiden und dem ganzen Raum umher.
Calix rappelte sich mühelos auf. Reckte den Kopf nach links und nach rechts, ließ dabei seinen Nacken knacken.
„Ich hatte mich nur versprochen!“
Die Asari bewegte den Mund noch weiter, doch kam nur ein Knistern bei ihm an. Kurz war er besorgt, dass sein Translator versagte, doch Ax versicherte ihm, dass alles fehlerfrei arbeiten würde. Blieb nur noch eine Schlussfolgerung: Die Asari stieß Beschimpfungen aus, die sein Translator diesmal aber nicht kannte.
Die Asari schloss den Mund und stoppte dadurch das Knistern.
Diesmal grinste Calix wirklich sein Elcor-Grinsen. Er hatte eine Person nie so lächerlich unterschätzt wie die Asari vor ihm. Was ihn aber überraschte, war, dass er gar nicht wütend auf Lyria wurde. Er dachte an sein Angriff in dem Aufzug, oder an seiner gescheiterten Rettungsaktion in der dunklen Gasse: bei beiden hatte er Rot gesehen und er wurde nicht einmal zu erst angegriffen. Vielleicht war es ja auch der Schnaps, welcher noch durch sein Blut floss.
Er fing an sein tonloses Elcor-Lachen zu lachen, einfach weil er die Situation gerade so komisch fand. Eine wildfremde Asari gab ihm einfach was auf die Nase, weil er sie belästigt hatte. Der Klassiker, dachte er und musste wieder glucksen.
Ihm fiel ein wie er vor ein paar Jahren einen Menschen jagte, ihn aufspürte und ausschaltete. Seine letzten Worte waren ‚Hochmut kommt vor dem Fall‘ gewesen. Calix hatte damals genau so gelacht, wie jetzt. Wie recht der Mensch doch gehabt hatte.

Blieb nur noch die Frage, was er jetzt mit der Asari machen sollte. Sie war gerade ein beträchtliches Stück in seiner Achtung nach oben gerutscht, was nicht unbedingt nur gut war. Möglich, dass sie sich versprochen hatte, doch einem Einheimischen, der Tag und Nacht unter diesem Regime lebte, passierte so etwas nicht. Er konnte sie nicht einfach ausschalten, es war gut möglich, dass sie noch mehr auf Lager hatte, als das gerade eben. Auch wollte er nicht schon wieder mit Kämpfen anfangen. Er hatte für die nächste Zeit genug davon.
Blieb nur eine Möglichkeit.

„Gut“, hob er an. „Du hast dich versprochen. Kann jedem Mal passieren.“ Er grinste wieder auf seine Art. „Weißt du, ich hab dich unterschätzt. Das passiert mir nicht noch mal, keine Sorge.“ Er zwinkerte ihr kurz zu und sah sich im Raum um. Lucy hatte sich unter einem Holzhaufen hervorgewühlt und leckte sich sauber. Arseni stand im Raum rum. Ihre Blicke kreuzten sich kurz, doch konnte Calix die Mine des Menschen durch den Rauch und durch das flackernde Licht hindurch nicht deuten.
„Dein Vorschlag von vorhin“, sagte er wieder zu Lyria, „Gilt der noch, oder hat sich da jetzt was geändert?“
Es war ja nicht so, dass er und Arseni nicht von alleine darauf gekommen wären, immer weiter nach unten zu steigen. Sie hatten das ja eh vorgehabt. Nur würde es interessanter werden eine Möchtegerneinheimische dabei zu haben.