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  1. #61
    Rookie Avatar von Leif Arcellus
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    Uhrzeit: 23:42 Uhr


    "Lassen Sie uns das beenden", wisperte Eagle heiser und fixierte das zerfurchte Gesicht des Turianer konzentriert mit seinen smaragdgrünen Augen, ehe er die sehnigen Hände zu strammen Fäusten ballte und vorsichtig den knirschenden, grobkörnigen Boden überquerte.

    'Ja, lassen Sie uns beenden, was niemals wirklich begonnen hat.'

    Kalt und blank sahen Leifs eisblaue Augen, wie der hasserfüllte Mensch stürmisch über den trockenen Sand preschte und unter den harten Schuhsohlen terrakottafarbene Staubwolken aufwirbelte, doch der verwundete Turianer veharrte regungslos und konzentrierte sich intensiv auf den rasenden Kontrahenten, fokussierte die gewaltigen Mächte, die in diesem zerschlagenen Körper schlummerten, bis der wuchtige Faustschlag Eagles seinen schmalwüchsigen Kopf wild in den sehnigen Nacken katapulierte. Benommen stolperte Leif einige Schritte rückwärts, verdrängte das erst schmerzende, dann pochende, taube Gefühl, das sich hungrig über die linke Gesichtshälfte ausbreitete, und erblickte nach einigen Sekunden die zweite Faust pfeifend auf sich zu jagen, während er benebelt taumelnd den rechten Arm ausstreckte.

    Stumm entfesselte sich die konzentrierte, azurblau flackernde Macht in einem gewaltigen, wuchtigen biotischen Wurf, der gnadenlos mit Eagle kollidierte und den überraschten Mann dutzende Meter durch die schrill pfeifende Luft schleuderte, bis das weiche Fleisch seines Körper zitterte und er schreiend über den staubigen Sandboden schleifend zum Stillstand kam.

    "Sie sind eine Schande für Ihren Spitznamen!", lachte Leif bitter und schleppte sich mühsam die vielen Schritte vorwärts, während er unbeholfen die Pistole aus dem mattledernen Holster löste und unruhig atmend beobachtete, wie Eagle sich weit entfernt stöhnend zusammenkauerte.
    Geändert von Leif Arcellus (17.03.2009 um 19:18 Uhr)

  2. #62
    Newbie Avatar von Jack Foster
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    23:42 Uhr
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    Azurblaue Wellen umrahmten die dunklen Klauen des Turianers und verwandelten sich nur einen Augenblick später in eine Hölle aus Schmerz und Machtlosigkeit. Das Eine als Folge des Anderen. Jack spürte genau, wie seine Füße den Bodenkontakt verloren und sein ganzer Körper etliche Meter durch die Luft schleuderte. Der Flug ließ eine Spur der Verwüstung. Riesige Sandmassen wurden zu dichten Staubwolken und zogen eine tiefe Schneise im körnigen Boden, bis der unkontrollierte, zitternde und geschockte Mann den Boden erreichte. Regungslos verharrte er auf dem kalten Sand, dessen winzig kleine Körner sich wie einzelne Kugeln einer Schrotladung in die Haut bohrten und tiefe Wunden hinterließen. Das Atmen viel ihm unheimlich schwer. Alles drehte sich wie wild. Klares Denken war plötzlich unmöglich.Es war Glück, dass er überhaupt noch lebte, nachdem er sich unzählige Male überschlug.
    Erst langsam kam das Gefühl wieder zurück in seinen Körper. Angefangen im Arm, in dem sich sofort der stechende Schmerz ausbreitete. Seine Muskeln zuckten unaufhaltsam, ohne Foster eine Chance zur Kontrolle zu lassen. Seine smaragdgrünen, plötzlich wie ausgetrockneten Augen, nahmen nur allmählich wahr, wie sich der Turianer selbstbewusst auf den zitternden Körper zubewegte; Begleitet von den spottenden Worten

    "Sie sind eine Schande für ihren Spitznamen!"

    Langsam versuchte sich Jack wieder unter Kontrolle zu kriegen, sich vorsichtig aufzurichten. Doch immer noch blieb das starke Schwindelgefühl. Angeschlagen antwortete er bemüht kühl:

    "Nein, nicht mehr."

    Der 32-jährige grinste selbstsicher. Wenn auch sehr angeschlagen.

    "Eagle steht nicht mehr für meine kämpferischen Fähigkeiten. Nein. Eagle steht für Freiheit. Die Freiheit, die ein Adler jeden Tag aufs neue erlebt und genießt. Und nach diesem Tag werde ich frei sein!"

    Leif war noch einige Meter von dem wieder stehenden Jack entfernt, damit beschäftigt, seine Waffe zu ziehen. Foster nutzte die Gelegenheit und stolperte hinter die nächstbeste Deckung. Noch im Lauf zückte er das Gewehr, von dem er hoffte, es nicht mehr benutzen zu müssen. Doch es kam anders. Die Tatsache, dass Arcellus Biotiker war, und zudem ein äußerst kraftvoller, zerstörte die Vorstellung eines schnellen, einfachen Kampfes. Es musste auf einen Schusswechsel hinauslaufen. Eagle hatte keine andere Wahl. Und auch Leif selbst schien es darauf ankommen zu lassen.

    Keuchend sprach Jack weiter:

    "Mein ganzes Leben verließ ich mich auf meine Fähigkeiten. Sie haben mich immer an mein Ziel getragen. Heute aber, verlasse ich mich auf meinen Willen. Und dieser Wille wird mich zur Freiheit tragen."

    Was es auch kostet...

    Fügte er gedanklich hinzu, versuchte sich und seine hetzende Atmung zu beruhigen, die aus schnellen, unausgeprägten Atemzügen bestand und viel zu wenig Luft lieferte, um klar genug denken zu können. Der Wurf raubte ihm vom einen Moment auf den anderen nahezu alle Kräfte. Und genau darum musste er sich nun auf seinen unerschütterlichen Willen verlassen.

    Vorsichtig spähte er über die bröckelige Kante der hüfthohen Betonabsperrung hinweg und machte sofort die erschreckende Erkenntnis: Leif war weg! Zumindest nicht mehr zu sehen. Jetzt konnte der Turianer überall sein. Von überall zuschlagen. Denn der wusste genau, wo Jack Deckung suchte. Und wie es um ihn bestellt war.

    Wo bist du? Zeig dich!

    Eagles aufmerksames Gehör achtete auf jedes noch so kleine Geräusch. Und sei es nur ein Haufen Sandkörner, die von dem milden Wind aufgescheucht wurden.

    23:46 Uhr

  3. #63
    Rookie Avatar von Leif Arcellus
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    Uhrzeit: 23:51 Uhr


    Leif presste sich dicht gegen den kalten, geriffelten Frachtcontainer aus rostigem Metall, hinter den er hastig geflüchtet war, und betrachtete schweigsam die Pistole, die er unruhig und zittrig mit der rechten Pranke festhielt. Nervös lauschte er dem Zirpen der Grillen, die sich scheinbar im angrenzenden, ehemals landwirtschaftlich genutzten Feld befanden, und atmete ruhig und tief durch, während er gänzlich in die Fokussierung seiner biotischen Fähigkeiten tauchte und die restlichen Kräfte für die Manipulierung eines Masseneffektfeldes mobilisierte, nachdem er sich einige wenige Minuten lang ausgeruht hatte.

    'Für einen kurzen Augenblick dachte ich, dass er mich mit diesem Sturmgewehr attackiert und tötet. Ich dachte, alles sei vorbei. Doch in Wahrheit hat Eagle einen fatalen Fehler begangen, der ihm gleich zum Verhängnis wird.'


    Er war sich durchaus bewusst, dass zwischen der arg beschädigten, bröckeligen Betonmauer, hinter der Eagle instinktiv Zuflucht gesucht hatte, und den beiden wackelig gestapelten Frachtcontainern nur bracher und trockener Sandboden ruhte und es keine geeigneten Deckungsmöglichkeiten gab, die eine sichere Annäherung an den Menschen ermöglichte; aus diesem Grund hatte der erschöpfte Turianer sich fünf Minuten Zeit genommen, um aus den restlichen Reserven Kraft zu schöpfen und einen zweiten biotischen Angriff auszuführen, der es ihm gestattete, Eagle zu attackieren, ohne dabei zu riskieren, in eine fatale Falle zu rennen.

    'Ich habe nur wenige Sekunden, mir fehlt zu mehr die Kraft. Ich bete, dass er sich nicht weiter entfernt hat', dachte er unruhig und spähte flüchtig um die zertrümmerte Kante des Containers, 'gut, jetzt oder nie.'

    Hastig sprang er aus der Deckung hervor, wirbelte den rechten Arm in einer schwungvollen, von unten gerichteten Wurfbewegung umher und schleuderte den ahnungslosen Eagle gewaltsam durch das azurblau brennende Masseneffektfeld senkrecht in die kalte Nachtluft, bis sich die schwarze, klaffende Pistolenmündung in Bruchteilen einer Sekunde auf den zappelnden Körper des Menschen richtete und einen gnadenlosen Kugelhagel abfeuerte.
    Die schrill pfeifenden Projektile prasselten zunächst dumpf an Eagles kinetischem Schutzschild ab, der grell bei jedem einzelnen Treffer aufflackerte, bis es nach einigen Sekunden stumm versiegte und Leif das blutige Geräusch von platzendem Fleisch und berstenden Knochen hörte, ehe Eagle schreiend zu Boden fiel.
    Geändert von Leif Arcellus (18.03.2009 um 14:38 Uhr)

  4. #64
    Newbie Avatar von Jack Foster
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    23:51 Uhr
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    Immer noch lag eine beunruhigende, erdrückende Stille über der Anlage. Keiner der beiden Kontrahenten schien es in Erwähgung zu ziehen, seine Deckung zu verlassen. Wie auch? Alles vor Jack war eine freie Fläche ohne Deckungsmöglichkeiten. Nur die tiefe Spur, die Leifs biotischer Angriff mit sich zog, war noch deutlich zu sehen. Aber auch die wäre mit dem nächsten Regen wieder verschwunden. Und dann wäre alles wieder wie vorher. Niemand hätte je herausgefunden, dass hier ein tödliches Versteckspiel gespielt wurde. Wahrscheinlich wollte es auch nie jemand herausfinden.

    In unregelmäßigen Zeitabständen hatte Jack immer wieder einen Blick über die Kante gewagt. Doch es war keine Spur von Leif. Vielleicht war er sogar verschwunden und ließ Jack mit seiner Verletzung zurück. Doch in dieser Hoffnung die Deckung zu verlassen, war viel zu gefährlich, um es zu riskieren. Lieber wartete er noch einige Stunden, um wirklich sicher zu sein.
    Doch dann, als Foster gerade wieder über den Rand hinwegspähen wollte, erblickte er die pechschwarze Silhouette und ein wohlbekanntes Lichtspiel: Brennend azurblaue Schleier rasten direkt auf Eagle zu. Er hatte nicht mal die Zeit, daran zu denken, auszuweichen, da ergriffen sie ihn schon und erdrückten förmlich seinen Körper. Befreiten ihn wieder von jeglicher Kontrolle.
    Aber das war nicht der Punkt. Denn es sollte schlimmer kommen. Viel schlimmer. Aus dem Augenwinkel konnte der 32-jährige 'Gefangene' gut erkennen, was Leif ungefähr zwei Meter unter ihm veranstaltete. Doch da war es schon zu spät. Aus der kleinen Pistole lösten sich bereits die ersten Projektile, hinterließen das verhängnisvolle Geräusch des Abdrückens und versuchten, den kinetischen Schild zu durchdringen, der bei jedem Aufschlag eine kleine optische Druckwelle hinterließ. Eagle wusste: Jetzt war alles vorbei. Nur noch ein oder zwei Kugeln, dann würde der Schild nachgeben.
    Und genau so kam es. Der Turianer schoss gnadenlos weiter auf Foster ein. Der Schild löste sich auf. Die letzte Kugel traf ihn dann schließlich direkt an der rechten Brust, zerstörte bohrend Haut und Fleisch und durchdrang schließlich auch die knochige Brustplatte, bevor sie am Rücken wieder austrat und eine Schneise der Zerstörung in Jacks Körper hinterließ. Scharlachrotes, fast schwarzes Blut, trat sofort aus beiden Seiten der Wunde. Eagles Schrei ertönte die stille Nacht, bevor er hart zurück auf den Boden stürzte, wo ihn erneut der körnige, feine Sand erwartete.

    Die Bilder vor seinen Augen waren bereits verschwommen. Nichts war mehr klar zu erkennen. Seine Ohren waren größtenteils betäubt von den Folgen des Schmerzes. Nur ganz schwach nahmen sie langsame Schritte war, die auf ihn zu kamen. Aller Kraft beraubt, drehte Jack den immer schwerer werdenden Kopf in Richtung der Quelle. Es war Leif. Er starrte in das bleiche, schmerzverzerrte Gesicht des Menschen. Der salzige Schweiß hielt einige Sandkörner im Gesicht. Foster wusste, wie hart es ihn erwischte. Der stechende, brennende, unaushaltbare Schmerz in seiner Brust raubte ihm jeder Energie. Dennoch schein diese Energie zu reichen, um zu sprechen. Wenn auch nur leise.

    "Leif, wir beide sind gar nicht so verschieden. Wir haben sogar etwas gemeinsam. Ich weiß, es ist schwer zu glauben. Sie erlebten mich nur als rachsüchtiges Monster. Aber auch ich habe ein Gewissen. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht geglaubt habe. Und sie haben Recht: Ich war blind. Ich habe mich so auf meine Rachsucht fokussiert, dass in meinem Kopf kein Platz für Alternativen war. Und keine Angst, Juno wird nichts passieren. Und ihr wäre auch nie etwas passiert."

    Ein zufriedenes Lächeln tat sich in Jacks Gesicht auf.

    "Leben Sie wohl, Mr. Arcellus."

    Krächzte er die letzten Worte mit aller Kraft, bevor das Blut ihm schließlich den Atem nahm.

    Alles was er sah, wurde zu einem eintönigen Weiß, bevor sich daraus ein kleines Bachufer entwickelte.


    Plätscherndes, klares Wasser. Das Rascheln der Bäume im sanften Sommerwind. Die einzelnen Sonnenstrahlen, sie sich ihren Weg durch die dichten Braumkronen bahnten. Das zarte Kitzeln des hochgewachsenen Grases an der kräftigen Handfläche. Alles war so schön. So harmonisch. Weit weg von ihm erstreckte sich ein hohes Gebirge, brachte einen wunderschönen Kontrast zu dem Flachland. Seine Spitze war mit glitzernd weißem Schnee bedeckt. Ein Anblick für die Ewigkeit. Aber konnte es das wirklich sein? Ist er wirklich in die unberührte Welt gelangt? Er musste es herausfinden und stapfte Meter für Meter durch das hohe, saftig grüne Gras, um nach einem langen Weg ein freies Feld zu finden. Ein Feld epischen Ausmaßes. Und dennoch so schön. Die Zeit schien wie im Fluge zu vergehen. Die riesige Sonne ragte nur noch teilweise über den "Rand" hinaus und fräbte das gesamte Feld in ein feuriges Rot-Orange, erhielt aber dennoch dieses friedliche Gefühl, dass diesen Ort so ausmachte.
    So fasziniert von dem Sonnenuntergang, hatte er die kleine Hütte vollkommen übersehen. Und das so offensichtliche ebenfalls: rechts von ihm erstreckte sich Wasser. Viel Wasser. Es war ebenfalls in dieses warme Licht gehüllt. Genau wie diese Hütte. Von Neugierde gefesselt nahm er auch diesen Weg in Kauf. Er spürte keine Müdigkeit. Kein Zeitgefühl. Nicht mal Hunger. Er war einfach da. Nicht mehr. Nicht weniger.
    Die unscheinbare Hütte war kleines als gedacht. Sie hatte nicht mal eine Tür. So musste er außen herum gehen. Doch was er dann sah, war mehr als das, was er bisher als schön bezeichnete: Ein kleines Boot, ohne Motor, ohne Stahl - nur mit einem hohen Mast ausgestattet erstreckte sich vor ihm. Ein Traum wurde wahr. Ein mal mit einem traditionellen Boot auf das offene Meer herausfahren...
    Neu beflügelt, hielt ihn nichts mehr davon ab, das Boot zu erklimmen. Das glänzend weiße Segel war bereits ausgebreitet und warf einen schimmernden Schatten auf das glasklare Wasser. Nicht ließ ihn jetzt noch rasten. Er folgte einfach seinem Herzen und löste das dicke Seil und der Wind trieb ihn langsam heraus auf das Meer. Ein Blick zurück verriet, wie weit er bereits war. Die Hütte war kaum noch zu erkennen. Und alles war still. Angenehm still. Lediglich das rauschen des Wasser, das liebevolle Knartzen des Bootes und der Wind, der sich in dem Segel fing, erzeugten eine harmonische Melodie aus vollkommen natürlichen Geräuschen.
    Bis plötzlich ein weiteres Geräusch hinzu kam: War es? Ja, es war ein Flügelschlagen. Und ein Blick gen Himmel verriet: Es war das kraftvolle Flügelschlagen eines Vogels, der unbeschränkte Freiheiten hatte. Der Adler. Es war auf ein mal windstill. Das Boot trieb regungslos auf dem Wasser. Und er konnte den Adler nicht mehr aus den Augen lassen. Nachdem dieser einige Runden über dem Boot drehte, gab er einen adlertypischen Schrei von sich, bevor er sich mit kräftigen Schlägen entfernte und gen Horizont flog.

    Frei wie ein Vogel...
    Geändert von SpeechBubble (17.03.2009 um 21:22 Uhr)

  5. #65
    Rookie Avatar von Leif Arcellus
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    Uhrzeit: 23:54 Uhr


    Dickes, zähflüssiges Blut färbte die Zähne scharlachrot, perlte an Eagles zittriger Lippe ab und sprudelte in heftigen Schüben über das frisch rasierte Kinn und die röchelnde Kehle. Das salzig-feuchte Gesicht des Menschen war bleich und aschfahl, ebenso wie die schwitzenden Hände, die krampfhaft die blutende Schusswunde in seinem Brustkorb bedeckten und sich träge unter den schweren Atemzügen hoben.

    "Leben Sie wohl, Mr. Arcellus", keuchte Eagle durch knirschende Zähne und blickte Leif mit müden, smaragdgrünen Augen an, doch er lächelte zufrieden und irgendwie auch erleichtert.

    "Es tut mir Leid, dass es soweit kommen musste."

    Eagle hustete verzweifelt und spuckte Blut, dann verkrampfte der erschöpfte Menschenkörper kurz und sackte schlaff und leblos in den staubigen, körnigen Sandboden.

    "Sie beabsichtigten niemals, mich wirklich zu töten, nicht wahr? Sie kamen hierher, um von mir getötet zu werden", wisperte Leif kopfschüttelnd, kniete sich nieder und schloss behutsam die glasigen, geisterhaft starrenden Augen des Toten, ehe er nach einigen Sekunden das PDA von dem mattledernen Gürtel löste und zügig eine Nachricht in die abgenutzten Tasten tippte:

    Von: Leif Arcellus
    An: Arjun Otis
    Betreff: Paket


    Liefere das Paket per Landtransporter zu meiner Position ASAP und vergiss nicht, deine gesamte Ausrüstung von zu Hause abzuholen.

    Uhrzeit: 23:55 Uhr

    Otis musste demnach die kleine Juno per Frachtcontainer aus Leifs Anwesen schmuggeln, unterwegs Frau und Kind abholen, nur um hier in Leifs privates Shuttle zu steigen und dort die sichere Flucht von Elysium zu planen und durchzuführen, denn auch Otis, Leifs engster Vertrauter, und seine Familie waren nun, da Alpha Chimera den Supervisor von Elysium zu beseitigen versuchte, nicht mehr sicher.

    'Wenden wir uns nun Lianna Ferres zu.'

    Resolut wählte er die Nummer der heimtückischen Geschäftsfrau und lauschte einige Sekunden lang ungeduldig dem monotonen Freizeichen, das wie die zahlreichen, unbeantworteten Fragen durch seinen Kopf spukte, bis sich die melodische Stimme der Asari meldete:

    "Es freut mich, dass du die Konfrontation mit Jack überlebt hast, Leif."
    Geändert von Leif Arcellus (28.03.2009 um 18:50 Uhr)

  6. #66
    Rookie Avatar von Leif Arcellus
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    Uhrzeit: 23:56 Uhr


    "Es freut mich, dass du die Konfrontation mit Jack überlebt hast, Leif."

    Die kalten, eisblauen Augen des Turianers färbten sich düster; bitter starrten sie gen staubigen, grobkörnigen Sandboden, der sanft unter Leifs schmiegsamen Schritten knirschte, bis er das zertrümmerte Betontor durchquerte und wieder brüchigen Asphalt erreichte.

    "Warum so schweigsam? Möchtest du denn nicht die Wahrheit hören?", wisperte Lianna dämonisch und schenkte Leif ein sinnliches, melodisches Lachen, das, so schadenfroh und boshaft, des eines Teufels ebenbürtig war, "die Wahrheit ist, dass du ein barmherziger und deshalb toter Mann bist, Leif."

    "Ich bin nicht dumm, Lianna. Aber warum dieser Umweg durch Eagle?"

    "Aus Feigheit", erwiderte die hämische Asari amüsiert.

    'Feigheit?'
    , stutzte
    Leif, der erschöpft über das karge, schiefergraue Gestein trottete, irritiert, 'keiner meiner Kameraden hätte mich persönlich töten müssen, warum also aus Feigheit? Oder schämten sie sich allein für den Befehl, mich zu beseitigen, und überließen es deshalb einem Fremden?'

    "Deine ehemaligen Kameraden haben gemeinsam und einverständlich beschlossen, dich liquidieren zu lassen, doch scheinbar wollte dein Schützling Phantom diesen Befehl nicht persönlich ausführen."

    Blanke, tote Gedanken, die den Kopf benebelten. Kalte, krampfende Leere, die das Herz betäubte und jede Gefühlsregung im Keim erstickte.

    "Du lügst", knurrte er zittrig, die Stimme heiser und kehlig, und fuhr sich müde über das verzweifelt und ängstlich zerfurchte Gesicht.

    Phantom war wie ein Sohn für ihn gewesen. Er hätte ihn niemals verraten.

    Doch Lianna fuhr unbeirrt fort:

    "Gestern besuchte er mich in meinem Büro und zahlte mir eine großzügige Summe Credits, damit ich ihm dabei helfe, dich zu töten, ohne den Verdacht auf Alpha Chimera oder ihn persönlich zu lenken. Es sollte nicht wie Verrat oder interne Exekution aussehen, damit Phantom ohne Schuldgefühle und ohne internen Widerstand in deine Position schlüpfen konnte."

    Leif fühlte nichts mehr.

    Weder den trockenen, scharrenden Klumpen in der Kehle, der ihm die Stimme raubte, auch nicht das faule, rottende Gefühl in der Brust, das ihm das Atmen so schwer machte, noch die salzigen Tränen,
    die er nicht mehr zu unterdrücken vermochte.

    "Und da kamen heute Rhyn'Navras vas Saralesca und Jack Foster ins Spiel. Jack war schon immer ein nützliches Werkzeug, darum spielte ich ihn geschickt gegen dich aus, indem ich ihm vortäuschte, dass du der Sündenbock all seines Leids warst. Doch meine Intrige ist letztendlich gescheitert. Du hast überlebt und Phantom ist nun tot. Das Leben ist wahrlich ironisch, denkst du nicht?"

    Das PDA glitt stumm aus den scharfkantigen Krallen, prallte scheppernd gegen die gehalfterte Pistole und zerschellte den Bruchteil einer Sekunde später auf dem brüchigen und staubigen Asphalt, direkt neben der gebrochenen Gestalt Leifs, der kraftlos in die Knie gesackt war und apathisch in den sternenklaren Nachthimmel starrte.
    Geändert von Leif Arcellus (24.03.2009 um 14:21 Uhr)

  7. #67
    Taschenbillard-Spieler Avatar von Yayla Dalinari
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    8.46 Uhr

    Langsam öffnete Yayla die Augen und erblickte als erstes den Digitalwecker auf ihrem Nachttisch. 8:46 Uhr. Noch ein paar Minuten blieb sie liegen und genoss die Ruhe.
    Keine Batarianer, kein Alpha Chimera, keine Kämpfe, kein Stress, zumindest für die nächsten Tage. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Urlaub. Und das mit jeder Menge Credits von Alpha Chimera.

    Schließlich setzte sie sich auf und streckte sich erst einmal genüsslich, wobei sie den Blick kurz durch das lichtdurchflutete Hotelzimmer schweifen ließ. Es war nicht gerade billig gewesen, aber das Geld auf jeden Fall wert. Allein schon dieses kuschelige weiche Bett, in das sie sich eigentlich gleich weder hätte legen können, aber jetzt musste sie erstmal frühstücken. In der Gegend gab es sicher haufenweise Cafés und bei der Gelegenheit konnte sie gleich ihre neue Garderobe vorführen.
    Für eine kurze Tour durch die Läden Elysiums hatte sie am gestrigen Tag noch Zeit gefunden, sie konnte immerhin nicht länger mit ihrer Rüstung durch die Gegend rennen.

    Die Asari stand langsam auf und durchquerte das Zimmer bis zu einem ebenfalls sehr gemütlich aussehenden Sessel, auf dem sie die Klamotten abgelegt hatte. Sie wühlte eine Weile zwischen den verschiedenen Kleidungsstücken hin und her bis sie sich letztendlich für ein relativ dünnes blaugrünes Kleid entschied, das immerhin lang genug war, um die zahlreichen blauen Flecken an ihren Beinen zu verdecken. Sie hatte dazu auch ein Paar passende Schuhe mit mittelhohen Absätzen gekauft. Sowas hatte sie schon verdammt lang nicht mehr getragen und es kam ihr auch irgendwie seltsam vor, aber wenn sie schon einmal die Gelegenheit hatte, sich wie eine richtige Frau anzuziehen, wollte sie sie auch nutzen. In den nächsten paar Jahrzehnten würde das vielleicht nicht mehr passieren.

    Als sie fertig war betrachtete sich Yayla in dem großen Spiegel an den Schranktüren in ihrem Zimmer. Gar nicht mal schlecht, wenn da nicht dieses Scheißteil an meinem Kopf hängen würde…
    Aber dafür hatte sie auch etwas gefunden. Vorsichtig nahm die Asari das Verbandszeug an ihrer Schläfe ab und besah sich die Wunde kurz im Spiegel.
    Gar nicht mal so riesig, ich schätze, das kann ich mit verdecken…
    Sie ging schnellen Schrittes ins makellos weiß geflieste Badezimmer, wo sie eine weitere Errungenschaft der letzten Nacht aufbewahrt hatte: Medigelpflaster, die sich angeblich perfekt der Haut anpassten. Sie nahm eines der kreisrunden Pflaster aus der Verpackung, löste die Folie an der Unterseite ab und befestigte es auf der verletzten Stelle ihrer Schläfe. Es fühlte sich kalt und glibberig an, aber ein Blick in den Spiegel verriet, dass es tatsächlich hielt, was es versprach. Zwar konnte man es noch erkennen, wenn man genau hinsah, aber Yayla bezweifelte, dass das jemand tun würde, bei dem Kleid konnten die Leute auch sehr gut woanders hinsehen.

    Nun komplett zufrieden mit ihrem Aussehen verließ sie ihr Zimmer in Richtung der Eingangshalle des Hotels.

  8. #68
    Rookie Avatar von Leif Arcellus
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    Uhrzeit: 00:27 Uhr


    "Galatea, nimm die Kinder und bring sie zum Shuttle."

    Otis verriegelte sorgfältig die qualvoll quietschende Laderampe des Landtransporters und schlurfte dann nervös über den staubigen Asphalt, die finsteren, ovalförmigen Augen zu Schlitzen verschmälert, die argwöhnisch die kauernde, schweigsame Gestalt Leifs wenige dutzende Meter abseits betrachteten. Die cyanblaufarbene Asari scheuchte indessen die beiden kichernden Mädchen, die gemeinsame Tochter Serafina und das platinblonde Menschenkind Juno, liebevoll zu Leifs Shuttle, ohne, dass die beiden den zerrütteten Turianer erblickten.

    "Leif...?", fragte Otis misstrauisch, "Leif, geht es dir gut?", doch der desillusionierte Turianer lächelte nur bitter und schüttelte stumm den Kopf. Der verstörende Anblick seiner glasigen, eisblauen Augen, so tränenrot und müde, beunruhigte den ehemaligen Schmuggler zutiefst, denn so verzweifelt hatte er seinen alten Freund noch niemals zuvor gesehen.

    "Was ist nur passiert?"

    Da kollabierte der körperlich und seelisch erschöpfte Leif in Otis' magere Arme und drückte den dürren, schmächtig gebauten Salarianer in die Knie.

    "Verdammt...ugh...Galatea, ich brauche deine Hilfe!", schrie er überfordert und furchte das glatte, obsidanfarbene Gesicht, bevor er die schadenfroh grinsende Asari erblickte, "haha, sehr witzig. Komm, wir müssen ihn ins Shuttle schleifen, schnell. Wir können nicht warten, bis er wieder zu sich kommt, also fliegen wir sofort nach Antirumgon."

    >>>> Antirumgon, Narshad - Erste Ebene
    Geändert von Leif Arcellus (01.04.2009 um 16:24 Uhr)

  9. #69
    Taschenbillard-Spieler Avatar von Yayla Dalinari
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    11.02 Uhr

    Yayla beobachtete nun schon seit einer ganzen Weile die Menschen draußen vor dem Café, den Verkehr, die Gebäude… eigentlich interessierte sie das alles ja gar nicht, aber sie hatte alle Zeit der Welt, darüber nachzudenken, was sie als nächstes tun sollte.
    Das „La soleil“, das Café, in dem sie nun saß, lag gerade mal 100m von Yaylas Hotel entfernt und war somit die logischste Wahl gewesen. Sie hatte ein paar menschliche Spezialitäten ausprobiert, deren Namen sie inzwischen größtenteils wieder vergessen hatte – nicht unbedingt ihr Geschmack, aber genießbar.

    Hmm, und jetzt? Noch nichtmal viertel zwölf, also kann ich mich noch nicht ins elysianische Nachtleben stürzen… Wie wäre es dann mit…
    Jegliche weiteren Gedankengänge wurden jäh von Yaylas piependem PDA unterbrochen.
    Xarn? Ist der schon auf der Omega?
    Mit fragendem Blick zog sie ihr PDA aus ihrer Tasche und sah auf den Absender. Unbekannt. Sie öffnete die Nachricht, aber der Inhalt warf bedeutend mehr Fragen auf als er beantwortete.

    An: Yayla

    Erinnerst du dich noch an mich? Ich glaube nicht, aber es wird Zeit. Wir sollten uns treffen, ich muss mit dir reden.
    Vor dem Shopping Palace, der ist schwer zu verfehlen.

    Cya

    Yayla runzelte die Stirn. Wer zum Teufel war das, wozu wollte er sich mit ihr treffen und was sollte das Treffen vor diesem „Shopping Palace“? Klang nicht nach einem Ort, an dem sich Leute aus ihrer Vergangenheit mit ihr treffen wollten.
    Sollte sie hingehen?
    Irgendetwas sagte ihr, dass das keine gute Idee war, die Nachricht klang, als wollte da irgendjemand seine Spielchen mit ihr spielen und das konnte sie absolut nicht leiden.
    Und dennoch war sie neugierig, wer hinter der Sache steckte. Yayla konnte nicht behaupten, dass sie noch etwas besseres vorhatte und in aller Öffentlichkeit würde wohl keiner versuchen, sie umzulegen.
    Sicherheitshalber konnte sie ja eine Waffe aus ihrem Hotelzimmer mitnehmen, also warm nicht?


    11.38 Uhr

    Yayla beobachtete wieder die Straße und die Gebäude, die dieses Mal jedoch so schnell an ihr vorbeizogen, dass sie kaum nennenswertes erkennen konnte.
    Die Fahrt würde wohl noch eine Weile dauern und das gab ihr jede Menge Zeit für Spekulationen über die Identität der Person, mit der sie sich treffen sollte.
    So viel zum Thema Urlaub und Entspannung. Woher weiß dieser Kerl überhaupt, dass ich hier bin? Naja, wer weiß, vielleicht will mich Xarn nur ‚n bisschen verarschen…
    Jemand, der glaubt, ich könnte mich nicht mehr an ihn erinnern… ein Auftraggeber, Kollege, jemand dessen Verwandtschaft ich abgeknallt hab? Oder jemand von Selassa…
    Einen Moment lang verkrampfte sich ihr Griff um die Pistole, die sie nur einen Tag zuvor von Cryon erhalten hatte.
    Denk dir keinen Scheiß, deine Leute sind schon längst tot… oder sitzen im Knast oder sonst was…

    Es dauerte noch etwas zehn Minuten bis das Taxi endlich wieder anhielt. Yayla bazahlte den Fahrer ohne ein Wort zu verlieren und trat hinaus auf den Kreisrunden Platz vor dem riesigen Einkaufszentrum „Shopping Palace“, auf dem es vor Menschen nur so wimmelte. Wunderbar, wie sollte sie sich hier bitte mit jemandem treffen? War wohl nur irgendwelche Zufallsverarsche gewesen… aber woher wusste der dann, wie ich heiße?
    Das PDA in ihrer Tasche piepte wieder. Also doch nicht.

    An: Yayla

    Wow, schneller als ich dachte. Ja, ich kann dich von hier aus sehr gut sehen. Nettes Kleid… Dreh dich um, neben dem leerstehenden Laden ist eine schmale Gasse. Ich warte da auf dich, darf mich in der Öffentlichkeit nicht sehen lassen…

    Yayla fuhr herum und suchte die gesamte Häuserreihe nach dem Laden ab. Tatsächlich, direkt gegenüber dem Einkaufszentrum… logisch dass die armen Schweine hatten zumachen müssen.
    Die Gasse lag direkt daneben, aber aus der Entfernung hätte sie auch niemanden erkennen können, wenn keine zwei dutzend Leute ihr die Sicht genommen hätten. Die Sache gefiel ihr nicht, aber jetzt konnte sie keinen Rückzieher mehr machen.

    Es rührte sich nichts und das machte sie nur noch nervöser. Vor ihr lag nur die völlig leere schmale Gasse, keine Türen, keine Verstecke, kein Lebenszeichen.
    „Hey! Wo bist du?!“, rief Yayla und betrat die düstere Schlucht zwischen den beiden Gebäuden, die Hand schussbereit an der Pistole.
    Sie ging vorsichtig weiter bis kurz vor das Ende der Gasse, bis die andere Asari sich zeigte. Sie stolzierte lässig um die Ecke, lehnte sich an die Wand und lächelte Yayla herablassend an.
    „Na? Freust du dich, mich wiederzusehen?“
    Yayla klappte die Kinnlade herunter. „Nalya?!“

  10. #70
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    12.23 Uhr

    Sie schwiegen sich immer noch an, wie die ganze Fahrt über. Nalya hatte dort in der Gasse nur gesagt: „Nein, deine andere Schwester. Wer denn sonst? Ich schätze mal du wohnst hier irgendwo, also gehen wir da hin, ich hab dir ja gesagt, dass wir reden müssen.“
    Yayla hatte nur genickt, sonst nichts. Sie hatte nicht gewusst, was sie hätte sagen können. Da stand ihre kleine Schwester, die sie seit hundert Jahren nicht mehr gesehen hatte, wie aus dem nichts vor ihr und redete locker drauf los, ihr genaues Ebenbild, immer mit diesem Ausdruck im Gesicht, der nichts anderes als Verachtung ausdrückte.

    Yayla saß auf dem Bett in ihrem Hotelzimmer, starrte Nalya an, die gerade mit hochgezogenen Augenbrauen den Kleiderhaufen auf dem Sessel zu zerpflücken.
    Sie selbst trug eine schwarze ärmellose Schutzweste und hautenge graue Hosen, was im krassen Gegensatz zu Yayla und dem gesamten Raum stand. Sie machte den Eindruck, als würde sie alles hier drin anwidern.
    Sieht so aus als wäre sie genau wie du damals oder? Das harte Mädchen aus den Slums, dass ständig im Knast landet und Ärger mit der Polizei hat und alle reichen Leute als dekadente Snobs und den letzten Dreck ansieht. Oh, stell dir nur vor was sie gerade in diesem Moment von dir denkt, ha! Aber was hast du anderes erwartet, warum hätte sie auch ein nettes kleines Mädchen bleiben sollen?, spottete eine leise Stimme in ihrem Kopf.

    „Ist ja… nett hier. Mal ernsthaft, bist du inzwischen ne Edelnutte oder sowas?“
    „Nein, ich bin immer noch Söldnerin. Du hattest nur leider das Pech, die drei Tage in hundert Jahren zu erwischen, an denen ich jede Menge Credits über hab und mich etwas entspannen will“, gab Yayla ebenso kühl zurück.
    Sie hatte ihre Schwester immer mehr geliebt, als ihre Mutter, sie hatte sich oft an sie erinnert, an sie gedacht, sich gewünscht, sie einmal wiederzusehen… aber jetzt war da nur Kälte. Die Nalya, die dort vor ihr stand war nicht mehr die von früher. Und sie hasste Yayla so offensichtlich, dass es fast schon traurig war.

    „Ah, ja, deine Ausrüstung liegt da hinten. Scheinst ja einen wirklich tollen Job gefunden zu haben. Und jede Menge Geld. Zu schade, dass ich davon nie was gesehen habe. Hätte es wirklich brauchen können, aber du warst ja der Meinung, du wärst ohne uns besser dran. Oh, ach ja, Mutter. Sie ist keine zehn Jahre nachdem du weg warst gestorben.“
    Jetzt lächelte sie sogar.
    „Erinnerst du dich an diesen Turianer, der im Hinterzimmer vom „Broken Dreams“ sein Büro hatte? Sie hatte einen Kredit bei ihm aufgenommen und konnte ihn nicht zurückzahlen. Er hat sie abknallen lassen, auf offener Straße. Am nächsten Tag haben sie unsere Wohnung ausgeräumt und mich hätten sie auch noch umgelegt, wenn ich mich nicht versteckt hätte. Tja, da hatte ich wohl wirklich Glück, abgesehen davon, dass mein Leben die nächsten Jahre die reinste Hölle war. Aber dich hat das alles ja überhaupt nicht interessiert, du hast dich irgendwo in den Terminus-Systemen amüsiert und mich auf dieser scheiß Kolonie zum Verrecken zurückgelassen. Übrigens vielen Dank dafür.“

    Yayla blickte ihr unvermindert in die Augen. Es tat ihr nicht Leid, dass ihre Mutter tot war. Es war ihr schon seit langem klar gewesen, auch wenn sie es nie sicher hatte wissen können. Und Nalya… es tat Yayla nicht Leid, was ihr geschehen war… aber was anscheinend aus ihr geworden war. Es war schon so lange her gewesen, dass sie ihr altes Leben vergessen hatte. Sie waren beide schon lange tot gewesen. Doch Nalya war wiederauferstanden…

    „Du wolltest reden?“, fragte sie emotionslos.
    Einen Moment lang wirkte Nalya enttäuscht, doch dann kehrte wieder diese Härte in ihre Augen zurück.
    „Vor kurzem bin ich ins Schmugglergeschäft eingestiegen. Ich dachte mir, so komm ich runter von Selassa und mach nebenbei noch ne Menge Kohle. Es lief auch eine Weile ganz gut, bis ich mich mit den falschen Leuten auf einen Deal eingelassen hab. Die haben mich um meine Ware beschissen. Ich konnte das natürlich nicht auf mir sitzen lassen und hab eins ihrer Lagerhäuser angezündet, um mich zu revanchieren. Das dumme an Leuten denen mehrere Lagerhäuser gehören ist nur, dass die meistens ziemlich Kohle haben und jetzt ist auf de Kopf von Nalya Dalinari eine Belohnung von 20.000 Credits ausgesetzt.
    Keine Ahnung, ob das für deine Verhältnisse viel ist, aber jetzt sind ein paar von diesen Kopfgeldjägerschweinen hinter mir her und ich brauche Hilfe. Ja, ich sag das lieber ehrlich, als mir den Kopf wegballern zu lassen! Ich hab jemandem ne handvoll Credits gegeben, damit er rausfindet, wo du rumlungerst. Das war nur dummerweise meine letzte handvoll Credits, also entweder du rettest mir den Arsch oder ich bin aufgeschmissen. Die Kerle sind Profis und ich hab scheiße Glück, dass ich noch lebe. Du kannst es von mir aus als kleine Wiedergutmachung ansehen oder ach als Bezahlung dafür, dass ich dich in Zukunft in Ruhe lasse. Also?“

    Und schon waren sie am Kern der Sache angelangt: Ihre lange verlorene Schwester tauchte mal eben auf, wollte, dass sie ein paar Kerle umbrachte, nur um dann auf nimmer Wiedersehen zu verschwinden, damit alles genauso weiterging wie zuvor.
    Warum sollte sie das annehmen? Es machte keinen Sinn. Absolut keinen.

    „Ich tue es.“

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