Uhrzeit: 10:36 (Ortszeit)
Endlich hatte sich Finleys Magen etwas beruhigt, der Reiz sich zu über geben ließ allmählich nach.
Oder es ist einfach nichts mehr in mir drin das ich hochwürgen könnte.
Schließlich hab ich mich in den letzten Tagen von nichts außer Powerriegeln, Fastfood und Alkohol ernährt.
Etwas wacklig auf den Beinen erhob er sich und begab sich zu einem in die Schiffswand eingelassenen Müllschlucker, in welchen er seine zwei halbwegs vollen Plastiktüten warf. Es schmatzte abstoßend als sie irgendwo innerhalb des Apparates aufschlugen und mit einem ätzenden Zischen verdampfte die Müllverbrennungsanlage in den Eingeweiden des Schiffs Finleys ehemaligen Mageninhalt, bis nurnoch ein Häufchen schwarzer Asche zurückblieb.
Während dessen machte sich Finley jedoch schon an einem Wasserspender zu schaffen, der aussah, als sei er aus einer mittelständischen Einbauküche des zwanzigsten Jahrhunderts hinaus direkt in dieses Schiff gebeamt worden. Nachdem Finley erkannt hatte, dass der Mechanismus weder mit Sensoren noch nit einem Hebel, sondern mit zwei altertümlichen Rädchen ausgestattet war, welche den Wasserfluß aktivierten, ließ er sich das klare Naß über seine hohle Hand direkt in den Mund laufen. Es schmeckte abgestanden und schal, wie er es für die Wassertanks eines Schiffes in diesem Allgemeinzustand erwartet hatte, aber es vertrieb den säuerlichen Geschmack von seiner Zunge.
Nach einigen Schlücken wandte Finley sich dem Ausgang zu.
Eine Sonne, die er nicht nur nach ein paar Monaten auf Omega als ungemein blendend empfunden hätte, sendete ihr Licht durch die offenen Türen der Austrittsschleuse.
Doch sich Finleys Augen an die Helligkeit gewöhnen konnten, verdunkelte ein Schatten die Sonne.
Der Schatten gehörte dem Kroganer, dem Leibwächter des Salarianers, dem dieser Frachter gehörte.
"Reisegebühr!" knurrte dieser, eine Pranke nach oben geöffnet, die andere scheinbar lässig auf den Kolben seine Pistole gelgt, die in ihrem Halfter steckte. Seine Absicht war offensichtlich, dennoch versuchte Finley es auf die diplomatische Art.
"Meine Begleiterin hat den Transport nach Elysium bereits mit dem Besitzer dieses Schiffes ausgemacht, wir sind ihm nichts mehr schuldig.
Und dir auch nicht."
Ein Grinsen umspielte das kroganische Gesicht, während er die Hand fordernd unter Finleys Nase hob.
"Reisegebühr!" wiederholte er.
Gemächlich atmete Finley einen Zug aus seinem Inhalator ein. Er bemühte sich verängstigt zu klingen.
"Hör mal, ich hab gerade mal eine Hand voll Credits, wird das reichen? Das ist wirklich alles!"
Zitternd klaubte er ein flaches Bündel Scheine aus einer Tasche seines Hemdes und legte es in die Hand des Kroganers.
Dieser fuhr einmal mit seinem Daumen quer über die Scheine und lächelte.
"Einen angenehmen Aufendhalt auf Elysium... Mensch."
Mit diesem Worten stopfte er sich die Scheine in eine der Taschen an seiner Rüstung und Finley drückte sich an ihm vorbei, hob seine Kiste vom Boden auf und legte sich den Oberen Teil seiner Rüstung lässig über eine Schulter.
Der Kroganer grinste ihn blöde an: "Aufwiedersehn, ich freue mich immer auf zahlende Kunden."
Blitzschnell schoss Finleys rechte vor, und ebenso schnell wurde der Leibwächter von seinen Füßen gehoben und flog durch das Schiff.
Seine enorme Stirnplatte durchschlug die Metallverkleidung des Müllschluckers.
Ein Stöhnen war zu hören.
Finley war bewusst, das die Wucht des Aufpralls einen Menschen getötet hätte, doch ein Kroganer war aufgrund seiner Physiologie nicht so leicht auszuschalten.
Aber das war ja auch nicht seine Absicht gewesen.
Er nährte sich dem benommenen Kroganer und fischte sein Bündel Credits aus der kroganischen Rüstung. Eine weitere, größere Rolle Scheine kam zum Vorschein und Finley steckte sie gleich mit ein. "Die Firma dankt!"
Mit einer urplötzlichen Bewegung versteifte sich der Körper unter ihm, die Muskeln spannten sich zum Sprung...
und der Kopf des immernoch benommenen Kroganers prallte gegen die Reste der vorstehenden Metallverkleidung.
Stöhnen sackte er mit leerem Blick zurück.
Schnell spurtete Finley auf das offene Luk zu, machte draußen auf dem Absatz kehrt und tippte, nachdem er sich vergewissert hatte das keiner ihn sah, auf die äußere Konsole der Luftschleuse ein. Zischend schloss sich das Schott und Luft wurde aus der Schleuse gepummt. Langsam erzeugte sich ein Vakuum.
Das dauert jetzt erstmal, durfte den Drecksack 'ne Weile aufhalten.
Der Kroganer fasste sich an seinen dröhnenden Schädel.
Dieser verdammte dreckige stinkende Mensch ist auch noch ein kranker Biotiker; Gestörte und Behinderte allesamt!
Ein merkwürdiger Geruch stieg ihm in die Nase.
Warm und gänzlich unbekannt. Wie altes Fleisch und schlechte Milch und...
Unhaltbar stieg halbverdautes Essen in seinem Magen auf und bahnte sich seinen Weg durch seinen Mund.
Selbst für einen Kroganer sind die Dämpfe von schwelendem Plastik und kochendem Erbrochenen zu viel.
Finley grinste in die Sonne. Elysium war ein schöner Planet, sofern man das auf einen Blick sagen konnte. Wie alle Kolonien in denen er bisher gewesen war haftete der Luft noch irgendwo etwas reines, unschuldiges an, etwas von dem Geruch, den vollkommen reine Luft haben mochte, völlig frei von Verschmutzungen aller Art, einfach sauber!
Doch auf Elysium schien diese feine Duftnote schon fasst verblasst zu sein. Obwohl auch dieser Planet noch einige unberührte Stellen aufwies, lag er dennoch in der Luft, dieser immer unterschiedliche und doch stets gleiche Geruch von Zivilisation.
Es war der Geruch von Ausscheidungen und Ausdünstungen, von Verbrennungsmotoren und Lebensmitteln, von Rauch und künstlichen Duftstoffen, von lebendem und von wesendem.
Aber immerhin is es schön warm!
Langsam schlenderte Finley über die Rampe des Frachters und bewunderte die Skyline von Elysium.
Die Raumhäfen und Gebäude hatten alle einen irdischen Touch, was bei einer menschlichen Kolonie ja nicht anders zu erwarten gewesen war.
Glänzende schlanke Häuser reckten sich gen Himmel, nüchterne weiße Betonbauten blickten Abweisend in die Umgebung und hie und da schossen Kolonnen von AntiGrav-Vehikeln in langen Schlangen und auf mehreren Ebenen durch die Stadt.
Die Raumhäfen-Bezirke wurden dominiert von freien erhöhten Landeflächen, welche einem, leer wie sie waren, eine unglaublich Weite vermittelten.
Hie und da stieß ein Tower aus dem Feld der Plattformen und Ebenen für größere Kreuzer, doch auch diese waren leer.
Schade, es sind wohl alle Schiffe im Orbit, hätte ich während der Landung mal aus dem Fenster gesehen hätte ich nochmal eine Flotte aus der Nähe sehen können. Aber ich musste mir ja in dieser verrosteten Nussschale die Seele aus dem Leib würgen!
Unten, an einem Abgang zum ebenerdigen Logistik- und Transportlevel stand Rhyn und blickte mit in die Hüften gestämmten Händen über die vor ihr ausgebreitet leigende Stadt.
Er näherte sich ihr, als sein rüstungsinterner Computer zu piepsen begann.
Etwas umständlich fummelte Finley an dem Oberteil seiner Rüstung herum, welches er immernoch über einer Schulter hielt, und überprüfte die Fehlermeldung.
"Lokale Uhrzeit nicht ermittelbar! Connection Problem! Überprüfen sie, ob sie sich in der Nähe einer kabellosen Extranet-Senders befinden und versuchen sie es erneut."
spuckte ihm der Computer entgegen.
In einer der größten Städte auf einer der größten Kolonien der Menschheit habe ich keine Verbindung zum Extranet?
"Verdammte Technik! Rhyn, weißt du vielleicht..."
Das diese Frage ihr ein wenig gegen den Strich ging, war ihrer Bewegung anzusehen, als sie ihren Arm aussteckte und auf das untere Level deutete.
Neben der Treppe hing eine digitale Anzeige, die unter anderen mehr oder weniger sinnvollen Informationen auch die aktuelle Uhrzeit enthielt.
"10:42"
Da vergisst man einmal die Zeit und gleich ist das ein Grund mies drauf zu sein...
Andererseits hat sie ja Recht, es is ne verdammte Technik, aber wehedem die höchsten Standards sind außer Funktion, dann weiß sich kaum einer noch zu helfen anstatt einfach nach einer Uhr zu suchen!
Ein Grinsen schlich auf sein Gesicht, als er die Uhrzeit manuell eingab und sich seine Rüstung vollständig anlegte.
Ohne fühlt man sich einfach... nackt.
Dann atmete er tief durch. Da sie mit einem Frachttransporter gekommen waren, waren sie in der Nähe der Märkte gelandet.
"Hmm, also ich hab Hunger wie ein Wolf, ich könnte nen ganzen Batarianer vertilgen! Also wenns dir nichts ausmacht würd ich mir gerne auf dem Markt was Anständiges gönnen. Heut mach ich ma nen bischen von meinem verbliebenen Ersparten locker...
Also wie wärs, gehn wir was essen oder trinken, oder is dir das nich möglich?"
Sie blickte ihn lange an, und durch ihr Visier wirkte sie so kalt wie der Transporter für Flüssiggastreibstoff, der sich in einer Abteilung mit anderen Servicefahrzeugen der Landeplattform näherte.
Meine Fresse ist das nen schlechter Vergleich!
Dann wandte sie sich der Treppe zu.
" Lass uns erstma gucken, wie wir zum nächsten Terminal und aus dem Raumhafen rauskommen."
Na toll, besser konntest du dich ja garnicht anstellen, klar das sie dich so abweisend behandelt. Eine Quarianerin zum essen einladen! Was denkst du dir denn auch dabei! Sie könnte weder was essen, noch ist sie an irgendeiner Freundschaft interessiert. Schließlich habt ihr euch nicht auf einer Partnerbörse, sondern in nem Gemetzel in einer Kneipe kennengelernt. Ihr hattet einen Handel, jetz muss ich noch meinen Teil erfüllen und wir sind quitt und sie zieht ihrer Wege, das wars dann.
Aber neben dieser nüchtern analysierenden Stimme in seinem Kopf war da noch eine andere und die konnte garnicht aufhören zu fragen.
Was WILLST du eigendlich von ihr?
WAS willst du von ihr?