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18:00 Uhr


Während Megan und Zak ihre Waffen überprüften, frische Thermoclips einsetzten und die Zielkalibrierung checkten, saß Keel’o ihnen regungslos gegenüber, den leeren Blick ziellos aus dem Fenster des fliegenden Shuttles gerichtet. Seine Hände waren in seinem Schoß zusammengefaltet. Er war sich nicht wirklich sicher, was er von diesem Gespräch, das sie gerade geführt hatten, halten sollte. Yuri hatte sich als ein sehr gewiefter Junge herausgestellt, der ein außerordentlich loses Mundwerk hatte. Umso enttäuschter war Keel’o, als sich herausstellte, dass er wohl nur ein Schürzenjäger war, der einem jungen Mädchen nachgestellt hatte. Das gab ihm keinen Grund, ihm für seine Frechheit ein paar raubeinigere Gesellen aufzuhetzen – nach all den Jahren war Keel’o noch ein Mann mit Prinzipien und Yuri noch immer ein Quarianer. Einer der seinigen, denen er Unterstützung geschworen hatte. Nein, er musste mehr über diese andere Tote herausfinden. Sie war keine Pilgerreisende mehr, also war es wohl am wahrscheinlichsten, dass sich die beiden auf Omega kennengelernt hatten. Wer war diese Frau? Keel’o rief erneut die Daten auf, die er von Zak erhalten und auf sein Omnitool überspielt hatte. Sie war um einige Jahre jünger wie er, ausgehend von den Daten der Obduktion, aber doch alt genug, um davon auszugehen, dass sie wusste, wie der Hase im Universum und vor allem in den Terminus-Systemen lief. Er war versucht, die medizinischen Unterlagen und ein Bild an die Flottille zu schicken, damit dort nach Angehörigen für eine angemessene Identifizierung des Leichnams gesucht werden könnte, aber er verdrängte den Gedanken schnell wieder. Sie war keine Pilgerreisende mehr und auch nicht auf der Flottille. Von offiziellen Operationen, etwa der Marines, wurde Keel’o in der Regel unterrichtet, was bedeutete, dass es sich wohl um eine der wenigen Quarianerinnen handelte, die ein Leben außerhalb der Flottille wählten. Außerdem starb sie auf Omega, dessen Tötungsrate pro Tag so hoch war, dass er sich manchmal fragte, wieso man überhaupt noch dorthin fahren sollte. Seine Anfrage würde in einer Flut von wichtigerem untergehen, also versuchte er es gar nicht erst. Er hatte schon genug Feinde innerhalb der Flottille – und doch war er bereit, alles für sie zu geben. In dusteren Stunden, wenn die Einsamkeit ihn mit voller Wucht traf, fragte er sich, wo der Sinn in all dem lag. Er fragte sich, was die Flottille getan hatte, dass sie diese Art von Aufopferung von ihm verdient hatte. Das waren auch die Momente, in denen er die monatealten Chatlogs und eMails von Rin ausgrub, um sie noch einmal durchzulesen. Es schmerzte ihn zwar, schon so lange nicht mehr mit ihr gesprochen zu haben, doch nichtsdestotrotz genügte ihm das als Motivation, weiter zu machen und all seine Energie darin zu setzen, der Flottille zu dienen – und wenn das bedeutete, zur Abwechslung „nur“ einen Mord zu rächen.
„Keel.“ Es war Zaks feste Stimme, die ihn beinahe aufschrecken ließ.
„Was? Tut mir leid, ich war nicht ganz bei mir.“
„Du bleibst draußen. Megan und die Männer können mich begleiten.“
„Auf keinen Fall“, widersprach Keel’o heftig, um sogleich im Shuttle aufzustehen. Aus einem der Waffenschränke holte er die Locust hervor, die Maschinenpistole seiner Wahl. Keel’o hatte schlechte Erfahrungen mit Sturmgewehren, Schrotflinten und dergleichen gemacht, da er sich oft in der Situation wiederfand, ganz einfach zu schwach zu sein, um mit solch großkalibrigen Waffen ordnungsgemäß umgehen zu können. Er bevorzugte für gefährlichere Einsätze, so wie diesen hier, ein SMG, welches einen angemessenen Kompromiss aus der leichten Handhabe einer Pistole und der Feuerkraft eines Sturmgewehrs bot. Auf die M-12 war er bereits auf Illium gestoßen, doch größtenteils war sie auf Omega zum Einsatz gekommen.
„Du bist nicht ganz auf der Höhe. Wir-“
„Zak, ich habe uns in diese Geschichte reingeritten, also lass mich auch dabei sein, wenn wir uns da wieder rausziehen.“ Erlauben Sie mir die Bemerkung, aber im Nachhinein ist diese Aussage recht amüsant, wenn man bedenkt, wie weit entfernt diese Truppe doch war, diese… Affäre hinter sich zu lassen.
„Na gut“, seufzte schließlich Zak, der wohl sehr genau wusste, dass es keinen Zweck hatte, seinem Freund die Idee ausreden zu wollen, „du bleibst dicht bei mir.“
„Ich bin kein Kind. Wir haben das schon öfter gemacht“, raunte Keel’o und lud die M-12 durch, „gib mir lieber einen Überblick darüber, wie der Plan aussieht.“
„Er ist simpel“, begann der Salarianer und projizierte mit seinem Omnitool einen dreidimensionalen Lageplan des Lagerhauses in das Shuttle, „es gibt nur einen Zugang zum Gebäude, hier. Wir werden gemeinsam mit dem Observationsteam reingehen und das untere Stockwerk sichern. Meine Männer konnten T-Bone mittels Wärmebildaufnahmen im zweiten Stock ausmachen, jedoch nicht die genaue Position ermitteln. Wir werden also mehr oder weniger blind da reingehen, weshalb wir vor allem im Obergeschoss aufpassen müssen.“
„Ich denke, er wird genau das erwarten, wenn er nicht komplett dumm ist“, warf Megan ein und umkreiste den Eingangsbereich der Lagerhalle mit ihrem Zeigefinger, „Wir wissen nicht, was er im Erdgeschoss alles für uns aufgestellt hat. Postieren wir deine Männer lieber vor dem Haupteingang, während wir uns ein Hintertürchen bauen und ihn überraschen.“
„Nein“, erwiderte Zak mit einem Kopfschütteln, „wir haben nicht die Zeit, die nötigen Sprengmittel herbeizuschaffen.“
„Bullshit. Du und deine Privatarmee, ihr könnt in maximal zwanzig Minuten das Zeug von den Andockbuchten zum Lagerhaus bringen.“ Keel’o lächelte. Egal, wie lange ihre militärischen Vergangenheiten schon zurücklagen, manche Angewohnheiten wollte man nie so wirklich verlernen. Ihm gefiel es zu sehen, wie problemlos die beiden bei der Planung des Zugriffs zusammenarbeiten konnten. Beide waren voll und ganz in ihrem Element.
„Die zwanzig Minuten haben wir aber unter Umständen nicht. Das Team war vorher recht eindeutig, dass jetzt schnell gehandelt werden muss und-“ Der Salarianer stockte. Er schien wieder einen Funkspruch über sein Earpiece zu erhalten. Nach einigen Momenten schnalzte er mit der Zunge und runzelte die Stirn.
„Was?“ Keel’o mochte den Gesichtsausdruck seines Freundes ganz und gar nicht.
„Schlechte Neuigkeiten“, raunte Megan und der Salarianer nickte, um ihre Vermutung zu bestätigen.
„Er hat das Observationsteam entdeckt und das Feuer eröffnet.“


Das Shuttle landete direkt neben einem anderen, das ebenfalls mit dem Logo von Zaks Männern verziert war und die Tür öffnete sich mit einem lauten Zischen. Geduckt lief das Trio zum Observationsteam, das sich dahinter verschanzt hatte. Es war ein Drell und eine Asari, die mit Sturmgewehren bewaffnet waren.
„Geben Sie mir einen Lagebericht!“, befahl Zak sogleich, als er neben dem Drell in Deckung gegangen war. Keel’o und Megan waren hinter ihnen und der Quarianer ließ seinen Blick zu der Asari schweifen, die hinter einer Säule in Deckung gegangen war.
„Es gab Bewegung in der oberen Etage“, erwiderte der Drell und über ihren Köpfen schlugen mehrere Kugeln in der Verkleidung des Wagens ein. Die Asari kam hinter ihrer Deckung zum Vorschein und erwiderte das Feuer mit einer kurzen Salve, ehe sie sich gleich wieder verschanzte.
„Wir konnten vom Wagen aus nichts Genaueres erkennen und haben versucht, eine höher gelegene Position zu erreichen, da hat das Ziel das Feuer eröffnet. Sir, es ist anscheinend jemand bei ihm.“
„Was?“, kam es aus Zaks und Keel’os Mündern unisono, jedoch fuhr der Salarianer alleine fort, „wie konnte das geschehen und wieso erfahren wir erst jetzt davon?“
„Wir haben es gerade erst visuell bestätigen können, Sir“, der Drell reichte Zak ein Fernglas und sah kurz über seine Schulter zu der Asari, „Lara, Sperrfeuer!“ Die Asari belegte ein Fenster des Lagerhauses mit mehreren Salven aus ihrem Gewehr, während Zak sich über den Wagen beugte und mit dem Fernglas die Häuserfront absuchte. Keel’o kam neben ihn.
„Was siehst du?“, fragte er ungeduldig.
„Er hat eine Asari dabei. Sie steht im Fenster, bietet ihm so Schutz.“
„Zeig her.“ Zak gab ihm das Fernglas und Keel’o schnalzte abfällig mit der Zunge, als er Farrheya erkannte, „was macht die denn hier?“
„Du kennst sie?“
„Eine Prostituierte, zu der er recht gerne gegangen ist. Von ihr haben wir den Tipp gekriegt, er sei hier.“
„Hat vielleicht versucht, ihn zu warnen“, raunte Zak und Keel’o legte das Fernglas weg.
„Ich könnte in den gegenüberliegenden Block gehen“, schaltete sich Megan ein und deutete auf ein Wohnhaus, das auf der anderen Seite der Straße lag, „von dort könnte ich freie Schussbahn haben.“
„Wir töten keine Unschuldigen“, stellte Keel’o bestimmt fest. Er sah in die Runde. Zak sagte nichts, dafür kannte der Salarianer ihn schon zu gut und Keel’o wusste, dass er mit ihm einer Meinung war. Megan begann jedoch, zu widersprechen. „Ich werde nicht zulassen, dass diese Station mich und meine Werte verändert“, fuhr er fort, bevor die Söldnerin etwas sagen konnte, „bezieh in dem Gebäude Stellung, aber du schießt nur, wenn ich es dir sage. Haben wir uns verstanden?“ Megan nickte und Keel’o ebenfalls zufrieden. Sie stand auf und zückte ihr Präzisionsgewehr, während sie sich geduckt zum Eingang des Hauses aufmachte.
„Wir müssen uns auf ein langes Patt einstellen, Keel.“
„Sir, er hat nicht genug Munition oder Wasser, um nennenswerten Widerstand leisten zu können“, korrigierte der Drell seinen Chef, „schon bevor Sie hier waren, haben Lara und ich gesehen, wie das Ziel nervös wurde. Er wird Fehler machen, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, Sir.“
„Ausgezeichnet, Krill.“
„Sir.“ Der Drell nickte Zak zu und dieser drehte sich zu Keel’o, während Krill, so war anscheinend der Name des Drells, sich wieder dem Beobachten des „Schlachtfelds“ widmete. Keel’o gefiel der Mann, dessen militärischen Schneid jener auch trotz seiner Tätigkeit als privater Dienstleister für Zak nicht abgelegt hatte.
„Ich hoffe nur, das Blood Pack funkt uns nicht dazwischen, Keel“, seufzte Zak, während er sich auf dem Boden absetzte und sich mit dem Rücken an der Wand, die den beiden die ganze Zeit über schon Deckung bot, anlehnte, „jede Minute, die wir hier sitzen, macht uns zu einem potenziellen Ziel.“
„Du weißt, dass Dinge mit mir im Schlepptau immer dazu neigen, etwas komplizierter zu werden“, erwiderte Keel’o mit einem Lächeln und nahm neben seinem Freund Platz. Es war still geworden um sie herum. Gelegentlich fielen Schüsse, die von den beiden Soldaten Zaks sogleich erwidert wurden, doch größtenteils hielt die Feuerpause, was sie versprach: Ruhe und die Möglichkeit, sich zu erholen – für beide Seiten. Keel’o versuchte sich vorzustellen, wie sich T-Bone gerade fühlte. Alleine, von Freunden und Verbündeten verlassen, gehetzt, auf der Flucht? Er wusste es nicht. Er konnte nur raten, aber soweit er die Lage beurteilen konnte, so musste es wohl der absolute Horror für T-Bone sein. Auf der anderen Seite war er ein Kroganer und noch dazu ein Mitglied des Blood Pack. Dieser Mann war vermutlich durch wesentlich schlimmere Höllen gegangen; Keel’o wusste von einer seiner Operationen auf einer dünn besiedelten, alles andere als lebensfreundlichen Welt der Terminussysteme, als T-Bone damit beauftragt wurde, eines der unzähligen Eclipse-Nester auszuheben. Es endete alles in einem einzigen Desaster, T-Bones Team wurde niedergestreckt und er war der einzige, der den Planeten lebend verließ. Jedoch mit dem Zünder einer Bombe in der einen Hand und dem Kopf des örtlichen Eclipse-Bosses in der anderen. Das war sein Ticket gewesen in die höheren Führungsriegen des kroganischen Gangstersyndikats und zugleich auch der Grund, weshalb Keel’o froh war, Zak dabei zu haben, wenn sie ihn festnehmen würden. Es würde sicherlich alles andere als einfach ablaufen.
„Erinnert mich irgendwie an Neshir“, raunte Zak und grinste. Keel’o tat es ihm gleich.
„Ein wenig, ja. Das waren noch Zeiten, hm?“ Der Quarianer sah zu seinem Freund, der die Augen geschlossen hatte. Neshir war ein rauer, staubiger Planet, besiedelt von einigen hundert Batarianern und anderen Freischärlern; unter Piraten als zweites Antirumgon gehandelt, nur wärmer und wesentlich steiniger. Als er noch auf Illium gewohnt hatte und dort gerade in der Hochphase des Aufbaus seines Netzwerkes war, da hatte Keel’o mit Zak einen Ausflug dorthin gemacht. Sie wussten, dass ein Konkurrent dort eine Zweigstelle errichten wollte und zu diesem Zweck eine ressourcenreiche Operation einige Kilometer außerhalb der Hauptsiedlung gestartet. Er und Zak hatten sich eingebildet, ihn so ausschalten zu können und zugleich das Budget ihres eigenen Unternehmens aufzubessern. Wie töricht sie damals doch gewesen waren… auf Neshir hatte sich herausgestellt, dass es sich bei diesem „Konkurrenten“ um einen Agenten des Shadow Brokers gehandelt hatte und die Söldner auf Neshir verdammt gut auf Keel’os Truppe und deren Angriff vorbereitet gewesen war. Noch heute wusste er nicht, ob der Tipp nicht sogar vom Broker selbst gekommen war, um sie in eine Falle zu locken.


„Die restliche Strecke sollten wir zu Fuß zurücklegen, Kapitän.“
Der Wüstenwind zerrte an Keel’os Schal und feine Sandkörner rieselten über das Visier seines Helms. Die Klimaanlage seines Anzugs arbeitete war auf Hochtouren, doch er schwitzte dennoch unglaublich, während die eisblaue Sonne im Zenit über ihnen stand. Keel’o hatte den für sein Volk so charakteristischen Anzug um seine Kapuze erleichtert und sich ein sandfarbenes Shemag um den Hals gebunden. Es war ein Modestück von der Erde, welches die Menschheit schon vor ihrer Reise zu den Sternen zum Schutz vor Sonne, Hitze und vor allem Staub eingesetzt hatte. Keel’o trug es, um zu verhindern, dass die feinen Sandkörner sich in die zahlreichen Nischen und erst recht in seinen Mundfilter fraßen. Sein Blick wanderte über den Horizont, der sich unter dem wolkenlosen Himmel erstreckte. Es war eine nicht enden wollende Steinwüste, durch die er sich mit Zak und einem handverlesenem Team seiner wenigen Männer in einem Klasse-III-Tomkah bohrte, doch endlich schienen sie dem Ziel ihrer Reise näher zu kommen: unter ihnen, zwischen zwei Hügeln und am Fuße eines dritten, lag ein Lagerhaus, das von außen einen sehr unscheinbaren Eindruck machte, hinter welchem sich Keel’o jedoch einen entscheidenden Beitrag zu seiner endgültigen Übernahme der Unterwelt Illiums versprach.
„Also gut“, erwiderte er schließlich auf die Feststellung des Batarianers und drehte sich um zu ihm, „Kratt und Velas, ihr tarnt den Tomkah“, befahl er, woraufhin sich der Batarianer (Kratt) und ein Turianer (Velas) entfernten und damit begannen, den massiven Transporter, welchen sie hinter einem riesigen Felsbrocken versteckt hatten, mit braunen Tarnnetzen zu überziehen. Wenn man genauer hinsah, würde man das Fahrzeug mühelos erkennen können, aber Keel’o dachte daran, die Aktion so schnell durchzuziehen, dass ein Beobachter für einen zweiten Blick gar keine Zeit mehr hätte. Zak kam mit einem weiteren Salarianer wieder, mit welchem er die Basis, ihr Ziel, ausgekundschaftet hatte. Beide waren mit Sturmgewehren bewaffnet und in einem ähnlichen Aufzug wie Keel’o, um sich vor der gnadenlosen, omnipräsenten Sonne zu schützen. Zak trug etwas, dessen menschliches Äquivalent wohl eine Baseball-Cap wäre und seine großen Augen waren durch eine Sonnenbrille verdeckt. Der zweite Salarianer schützte seine Augen durch einen verspiegelten Visor, der genauso blau wie der Himmel über ihnen war.
„Schlechte und gute Neuigkeiten“, begann Zak sogleich, „nur zwei Wachen im Außenbereich, die Kratt mühelos ausschalten kann, aber die Basis liegt so, dass wir gezwungen sind, in einen Flaschenhals zu laufen. Das muss wirklich schnell gehen oder eine einzige Granate bringt uns alle um.“
„Wir werden hier keinen Urlaub machen“, erwiderte Keel’o und lud seine Maschinenpistole durch, „ich plane nicht, lange hier zu bleiben, Zak.“
„Kapitän, wir haben den Tomkah getarnt.“
„Gut. Kratt, du gehst voraus. Ich will zwei makellose Treffer, Slesh soll dir ein Update geben. Velas, du bleibst bei mir. Los geht’s.“ Keel’o hatte Kratt auf Illium kennengelernt, ihn jedoch das erste Mal bereits auf der Citadel getroffen. Batarianischer Ex-Militär und so ziemlich der beste Scharfschütze, den Keel’o in dieser Galaxis auftreiben konnte. Hatte sich sogar mal für die Special Interventions Unit beworben, doch es stellte sich heraus, dass seine Akte alles andere als sauber war. Was genau vorgefallen war, wusste Keel’o nicht, da Kratt ungern darüber sprach. Er ließ nicht mehr durchblicken, als dass seine Vergangenheit auf Elysium und Torfan ihn einzuholen begonnen hatte. Keel’o hatte es gewundert, dass die recht skrupellosen Batarianer bei ihrem Militär so etwas überhaupt überprüften, aber andererseits wusste er auch nicht wirklich, was für dieses Volk „nicht sauber“ bedeutete. Kratt schmiss jedenfalls hin und begann die Terminus-Systeme unsicher zu machen, ehe er von Keel’o für dessen Pläne gewonnen werden konnte. Ein raubeiniger, manchmal etwas grantiger Typ. Slesh war das genaue Gegenteil: etwas arrogant, große Klappe und total hektisch, wie alle Salarianer eben, vor allem die jungen. Zak hatte ihn irgendwo aufgegabelt, vermutlich über seine STG-Kontakte. Keel’o hatte er erzählt, dass er auf seinem Radar aufgetaucht war, nachdem der grauhäutige Salarianer erfolgreich zwei Bankennetzwerke gehackt hatte und beide derart an der Börse aufeinander hetzte, dass eine der beiden sogar Insolvenz anmelden musste. Der dritte und letzte Begleiter des Duos Zak und Keel’o war der Turianer Velas. Eine treue Seele, der er nach Zak am meisten vertraute. Wie alle, bis auf Slesh, war er ein ehemaliger Soldat. Nahkampfspezialist, treu wie ein Hund und zäh wie Leder. Sein überkorrektes Verhalten ließ Keel’o anfangs daran zweifeln, ihn für sich gewinnen zu können, doch es stellte sich heraus, dass es einen Grund gab, weshalb Velas ein „bareface“ war, also ein Turianer ohne Markierungen: verantwortlich gemacht für einen Mord, den er schwor, nicht begangen zu haben, schmiss man ihn aus seiner Einheit und machte ihn zum Gejagten. Man zwang ihn, eine neue Identität anzunehmen, eine gänzlich neue Person zu werden und hatte ihn dabei, was wohl am schwersten wog, all seiner Ehre und Rechte beraubt. Rachegefühle trieben ihn durch die Kneipen der Terminus-Systeme und führten ihn von einem Blutbad zum nächsten, nur um dann erneut ohne Antworten dazustehen. Seiner Loyalität war sich Keel’o sicher, nachdem dieser ihm die Möglichkeit gegeben hatte, jene Rachegelüste zu befriedigen. Das Blutbad war grauenhaft, doch es waren die Turianer selbst, die dieses Monster erschaffen hatten. Sie waren es, die einem Mann alles in seinem Leben genommen hatten und so den blinden Zorn eines einsamen Wolfes auf sich gezogen hatten. Er war wie perfekt für Keel’os Team.
Die fünf Abenteurer – denn nur so konnte man diesen eigentlich bunt zusammengewürfelten Haufen, der nicht so recht wusste, was sie da eigentlich taten, nennen – nutzten das Terrain zu ihrem Vorteil, näherten sich den Wachposten im Schatten des rechten Hügels, sodass es viel zu spät war, als sie die Angreifer bemerkt hatten. Einer hatte bereits ein Loch in der Stirn und der zweite folgte sogleich, als sein Kamerad noch nicht einmal ganz den Boden berührt hatte. Es lief alles nach Plan, stellte Keel’o damals zufrieden fest.

Von wegen. Drei Stunden später waren sie der Basis gerade einmal sieben Meter näher gekommen. Es hatte sich herausgestellt, dass im Sand der Hügel und auf dem Dach des Lagerhauses ein ganzes Bataillon schießwütiger Söldner der Alpha Chimera lauerte. Ohne zu zögern hatten sie das Feuer eröffnet und die Angreifer so in Deckung gezwungen. Seitdem herrschte eine tödliche Stille in dem kleinen Tal, die nur durch den ein oder anderen Windstoß oder einen verwirrten Schuss unterbrochen wurde. Letztere lösten meist eine Vergeltung in Form von kürzeren Feuerstößen aus, doch änderten diese nichts an der Tatsache, dass die Fronten verhärtet waren. Ein Scharfschütze war dabei das größte Problem der Bande und Kratt hatte so seine Probleme, diesen auszuschalten.
„Wenn das keine Falle war, dann fresse ich daheim einen Besen. Mit Salz“, raunte der Batarianer unzufrieden und versuchte, von seiner Position aus einen besseren Blick auf die Verteidiger erhaschen zu können, wurde jedoch sofort durch mehrere Kugeln dazu gezwungen, in Deckung zu gehen. Keel’o sah zu ihm. Er war nur eine Armlänge von dem Granitfelsen entfernt, an dem der Quarianer mit seinem Rücken lehnte. Er hatte es schon lange aufgegeben, einen Blick auf die andere Seite erhaschen zu können. Sitzend und die Maschinenpistole dabei auf seinem Schoß sah er Kratt dabei zu, wie er einen erneuten Anlauf startete und diesmal sogar Erfolg zu haben schien. Der Batarianer lag direkt neben einer kleinen Sanddüne, die mit einem erbärmlichen Büschel Wüstengras verziert war, und sein Gewehr lugte dabei nur wenige Zentimeter hervor. Jede Bewegung war einstudiert und lief dabei ab wie in Zeitlupe.
„Kapitän“, es war Velas, der sich neben Keel’o setzte und dabei ein wenig schwerer atmete als sonst, „ich denke, ich habe einen Weg gefunden.“ Endlich. Vor einer Stunde hatte Keel’o den Turianer losgeschickt, um nach einem Ausweg zu suchen. Er nickte, um ihm so zu signalisieren, dass er sprechen sollte.
„Ich habe ein Heliumlager entdeckt. Eine geschickt platzierte Granate könnte ein ausreichendes Überraschungsmoment erzeugen, um uns einen Vorstoß zu ermöglichen und die feindlichen Kräfte auszuschalten.“
„Wir sind ihnen drei zu eins unterlegen“, schaltete sich Zak ein.
„Die einzig andere Option ist ein Rückzug“, erwiderte Velas, „und dann ist das für die Jungs wie Tontaubenschießen.“
„Slesh, überlade die Schilde der Söldner“, befahl Keel’o schließlich, „Velas, du wirfst die Granate. Der Rest gibt Deckung!“
„Probiert auch diesen Heckenschützen rauszulocken“, brummte Kratt.
„Verletzt er deine Ehre?“
„Halt die Fresse, Slesh…“