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    FRPG-Account Avatar von Octavian Visconti
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    Citadel: C-Sec
    23:58

    Aus dem Radio erschallte turianische Volksmusik, der Götze auf dem Armaturenbrett und das Bild einer Turianerin bescherten Octavian einen persönlichen Einblick in das Leben seiner neuesten, aber vermutlich nicht gefährlichsten Nemesis. Während sie sich im Landeanflug zur C-Sec befanden, hinter ihnen manche Shuttles Hupkonzerte von sich gaben, da der Turianer alles andere als ein rücksichtsvoller Fahrer war, ergab es sich, dass Octavian den C-Sec Detective noch etwas beobachten konnte, aber selbst als ein größeres Shuttle knapp an ihnen vorbei schlitterte, verzog dieser nicht sein cooles Gesicht; allem Anschein nach war er ein Draufgänger – Octavian sollte es recht sein. Knapp am Gebäude entlang, fing der Turianer an die Bremsen zu ziehen, um dann kurz auszuscheren und reinzufliegen, was man wohl kaum als normales Landemanöver bezeichnen konnte. „Und nichts wird mehr erklingen außer unseren Waffen / und die Moral der Feinde verschwindet“, schaffte das Radio gerade noch auszuspucken bevor der Turianer es abdrehte. „Turianische Schlachtgesänge“, zwinkerte er Octavian zu: „Nehmen Sie die Zeilen nicht zu ernst, es ist nur gute Musik um durch die Citadel zu düsen.“ Was auch immer. Er öffnete die Tür und zerrte seinen Gefangen harsch aus dem Shuttle, vermutlich war es Zeit für einen Auftritt.
    „Werden Sie mich jetzt wie eine Trophäe jedem in der C-Sec vorstellen?“
    „Sie haben wohl eine vollkommen falsche Meinung von mir?“
    „Das ist also kein Triumph für Sie?“ hackte Octavian nach.
    „Routine“, erwiderte der Turianer knapp.
    „Dafür dass es sich um Routine handelt, tragen Sie aber eine ziemlich schwere Rüstung, Detective“, neckte er ihn noch etwas, bis die beiden die Landeplattform verließen. Ein neonleuchtendes Schild signalisierte, dass diese Landeeinrichtung nur für C-Sec Shuttles erlaubt war und man sich doch bitte sofort beim Wachpersonal melden sollte. Vor sich Octavian immer wieder an schubsend, der sich leicht kindlich alles versuchte einzuprägen, kam der Turianer dem Personal näher, welches mit Sturmgewehren in der Hand und voller Montur an Rüstung den Eingang zur C-Sec versperrte.
    „Warum in so hoher Bereitschaft, Officers“, witzelte der Turianer den beiden Kontrolleuren entgegen, die sich daraufhin nur mit einem abweisenden Grinsen gegenseitig anblickten und dann zu den beiden Neuankömmlingen die Worte „weil du kommst“ entgegenwarfen. Es gab auch schon bessere Konter. Die offizielle Antwort, dass es aufgrund des Funds eines Geth-Exoskeletts war, wussten sie aber nicht und vor allem war die Information sowieso nicht für die Ohren des Turianers und Octavians bestimmt.
    „Freut mich, dass mich noch jemand beachtet. Sehen Sie Herr Octavian, ich habe genug Prestige?“
    Die beiden C-Sec Beamten, einer Turianer, einer Mensch, gaben ein Schnauben von sich, gefolgt von einem ungläubigen Kopfschütteln. Der Mensch nahm die Karte vom Detective entgegen und beantragte Freigabe. „Wohin mit dem?“
    „Zuerst Verhörraum, dann erst einmal in die Tagesarrestzellen. Er kann nur hoffen, dass eine nette Kaution für ihn herausspringt.“
    „Was hat er denn angestellt?“
    „Schwere Körperverletzung“, antwortete der Turianer knapp, der Mensch betrachtete währenddessen die Handschuhe von Octavian, der gelangweilt vor den beiden Wachen stand.
    „‘Ne Asari-Schlampe verprügelt, was?“ Der Mensch offenbarte sein dreckigstes Grinsen und zeigte dabei seine gelben Zähne. Statt eines Kommentars schnaubte der Detective aber nur knapp, was als Antwort wohl vollkommen ausreichte, und auch Octavian gab nichts von sich preis; sie schritten einfach durch die Tür in den nächsten Gang und folgten den Beschreibungen, die sie zum Lift bringen würde. Mehrere Türen befanden sich am Gang und eine der Türen stand offen; ein Trupp von C-Sec Offizieren machten sich gerade für einen Sondereinsatz bereit und wuselten hektisch, aber konzentriert und eingespielt um sich gegenseitig herum um ihre Equipment so rasch wie möglich zu erlangen. „Schneller – Abflug ist in einer Minute“, brüllte der Sergeant und seine Officers fingen noch mehr zu hudeln an. Als Octavian und der Detective am Lift angekommen waren, hörte man noch ein lautes „Jetzt aber los“ und ein Trupp von bewaffneten, schwergepanzerten C-Sec Beamten stürmten aus der Kabine heraus, gefolgt von einer torkelnden, blonden Gestalt, die den Officers noch knapp hinterherwinkte, ohne dabei von einem von ihnen eine nette Abschiedsgeste zu bekommen, und sich dann lächelnd umdrehte, um ebenfalls in den Lift zu steigen. Octavian bemerkte wie der Turianer näher an ihm rankam und er konnte das immer schnellere Atem erkennen. Die leicht kauzige Art mit der sie sich mit einer Hand an der Wand anlehnte und die andere dazu verwendete um salopp ihre Hüfte zu berühren, das nervöse Augenzwinkern und dabei die äußerst entspannten Kaubewegungen, aber vor allem die verfärbten Zähne, das bleiche Gesicht, die roten Augenringe und die abgekauten Fingernägel entlarvten sie für Octavians Augen als eine Drogensüchtige. Einige Symptome passten zu Red Sand, aber nicht alle, vermutlich war sie gefangen in verschiedenen Mischungen. Ihr Emblem zeigte dass sie ebenfalls Detective tätig war. Octavians Musterung schien dem Turianer nicht zu entgegen, denn er bot dem weiblichen Detective den Lift an und schlug vor zu warten. Mit einem Seufzen, aber keinem Dankeschön nahm sie das Angebot an und schlenderte gemütlich in den Lift. Kurz bevor sich der Lift schloss, meinte sie noch: „Wenn ich draußen bin, werde ich alle Tasten drücken – meinen Dank auszudrücken.“ Und quittierte dies noch mit einem hämischen Lächeln gefolgt von einem Augenrollen.
    „Sehr freundlich die Beamten von heute – das muss man schon sagen“, meinte Octavian sarkastisch. „Undercover-Agentin?“
    „Was geht dich das an?“
    „Nun, die Symptome sind mir bekannt. Ich hatte einst einen Mitarbeiter unter mir, der ähnlich agiert hat. Natürlich musste ich ihn feuern, so jemand nutzt niemanden etwas. Aber scheinbar kann man bei der C-Sec wohl machen was man will.“ Der Turianer schritt an Octavian vorbei und drückte den Knopf erneut um den Lift heraufzuholen.
    „Willensschwach. Hat eine einige Zeit lang mit Yvonne de Laurant zusammen gearbeitet und ist jetzt dafür ziemlich im Eimer.“
    „War der Einsatz erfolgreich?“
    „Keine Ahnung, sagen Sie es mir?“
    „Wie meinen?“
    Der Turianer zögerte, überlegte vermutlich und antwortete dann: „Die Gesundheit und Psyche eines Detectives zu riskieren nur um ein paar Schmuggler festzunehmen, die sowieso ein paar Tage später von anderen ersetzt werden. Das ist irgendwie kein guter Tausch.“
    Der Lift öffnete sich und die beiden traten ein. „Aber trotzdem ist es die Aufgabe der Polizei. Und wer sich zum Dienst meldet, insbesondere für einen Undercover-Einsatz, muss mit solchen Risiken rechnen. Wie will die C-Sec sonst gegen solcherlei Verbrecher vorgehen? Die Drahtzieher sollten doch die oberste Priorität sein:“ Der Turianer drückte einen Knopf.
    „Ich habe nie einen Drahtzieher kennen gelernt, im Endeffekt sind alle nur Idioten, die in eine dumme Situation geraten sind oder zu viel Macht errungen haben. Die Typen können wir auch so auffliegen lassen und festnehmen, dafür braucht es keinen Undercover-Einsatz, nur engagierte Officer.“
    „Für Sie ist Polizeiarbeit wohl eine ziemlich einfache Sache?“
    „Ist es das nicht? Die Bösen festnehmen, den Unschuldigen helfen. Schwarz-Weiß Denken? Mag sein. Aber für mich verkompliziert sich die Welt zu sehr, ich mag es zu wissen auf welcher Seite ich stehe, geht es Ihnen nicht auch so?“
    „Nein“, erwiderte Octavian und fügte nach kurzer Zeit zu: „nicht wirklich.“
    „Und da irgendwie jeder nur noch denkt, dass es kein Schwarz-Weiß gibt, sondern nur Grauzonen, wird alles zu einer unendlichen moralischen Frage definiert. Man verstrickt sich in einem Dilemma, eine einzige Zwickmühle, die einen davon abhält zu handeln. Und ich für meinen Teil bin hier um etwas zu unternehmen.“
    „Sie haben Recht, eine äußerst einfache Einstellung.“
    „Dafür hat sie mich nicht davon abgehalten, sie festzunehmen. Ich habe Kollegen, die verstehen warum sie die Asari verprügelt haben. Und hätten es zugelassen. Entweder weil sie korrupt sind oder sich für intelligenter halten als sie sind. Ich behaupte nicht ich sei sonderlich clever, aber ich habe noch Prinzipien.“
    „Die habe ich auch.“
    „Ach, und die wären?“ Der Fahrstuhl wurde langsamer und öffnete sich, der Turianer packte Octavian und schubste ihn damit er losging.
    „Zum Beispiel, dass man nicht meinen toten Vater demütigt.“
    „Und da dachte ich, sie hätten ihren Vater gehasst?“ Octavian ließ die spöttische Frage des Detectives unkommentiert und schritt stattdessen nur den nächsten Gang entlang, beinahe genauso designt wie der vorherige; wodurch ein eigenartiger Zustand des Nirgendwo entstand. Er hätte im ersten, im achten oder im letzten Stock sein können, aber all das konnte er nicht sagen, denn die Übereinstimmungen, fast schon die Gleichheit, waren überragend und stellten ein gar absurdes Gefühl der Uniformität dar; hinzu kamen nämlich noch dieselben Rüstungen und symmetrisch gleich groß gebaute Büros, die verachtenden Blicke, die hier und da Octavian prüften und den Grund kannten, warum er hier war, auch wenn die Handschellen unter dem Mantel gut versteckt waren. Es war merkwürdig, dass Octavian immer noch die Handschuhe trug, die der Turianer eigentlich schon lange als Beweismaterial beschlagnahmt hätte sollen. Aber vielleicht sah der Turianer die ganze Sache auch um einiges gelassener als so manch anderer und scherte sich nicht groß um solcherlei Kleinkrämerei. Für ihn zählte Octavian vielleicht doch mehr als der korrekte Ablauf einer Verhaftung.
    „Und was passiert jetzt?“ fragte Octavian nach, nach dem die beiden den Korridor gewechselt hatten und der Turianer die Handschellen von seiner neuesten Trophäe entfernte.
    „Jetzt werden Sie verhört, was aber vermutlich mehr ein Kaffeeplausch sein wird, und anschließend geht es in die Kurzzeit-Arrestzellen. Sonst irgendwelche Fragen?“
    „Nein.“
    „Gut, ich würde auch keine mehr beantworten“, erwiderte der Turianer mit einem trotzigen Augenzwinkern, dass man nicht klar deuten konnte, sofern man nicht gerade ein Spezialist für turianische Gesten war. Er tippte einen Code im nächstgelegenen Tastaturfeld ein und mit einer forschen Handbewegung, die Octavian an der Schulter packte, schubste er ihn in die Verhörzelle. „Bis gleich.“ Die Tür schloss sich und ehe es Octavian noch recht realisierte, öffnete sich eine zweite Tür und eine Asari trat herein. Es war nicht die Partnerin des Turianers, sondern scheinbar nur eine Sekräterin, die die formalen Angelegenheiten erledigte. Mit einem einfachen Block bewaffnet, trat sie an Octavian heran, gebot ihm sich zu setzen. Das Formular und der Stift wurden sogleich an ihn ausgehändigt, aber sonderlich erfreut war er darüber nicht. „Muss ich das machen?“
    „Bitte füllen Sie einfach das Formular aus.“
    „Meinetwegen.“
    Das Formular war dabei in gängigen Standardfragen gehalten, Name, Wohnort und so weiter. Mit reichlich ungelenkiger und man mag gar meinen unleserlicher Schrift schrieb Octavian alles weitere nieder. „Ich hoffe Sie können das verwerten“, gab er knapp und scherzhaft von sich, aber die Asari nahm nur das Blatt wieder an sich um es vermutlich anschließend in ihrem Terminal einzutippen.

    Der Raum fiel äußerst karg aus, die Leere des Raums und der blaue, depressive Grundtenor, ausgelöst durch die Lichter, erzeugten bereits einen Vorgeschmack auf die kommenden Stunden in der Arrestzelle. An den Wänden hing nicht viel, außer zwei Kameras die alles überwachten, was vor sich ging rund um den Tisch in der Mitte, sowie rund drei Lampen, die reichlich genug Licht verbreiteten. Der Tisch aus Metall sowie den zwei festgenagelten Stühlen fehlte es an Charme und das Prädikat „Eigentum der C-Sec“ prangerte an jedem von ihnen. Er streifte endgültig seine Handschuhe ab, ebenso den Mantel und seine Kappe. Das violette Blut hatte die Asari bemerkt, fiel ihm jetzt auf und obwohl er sie während dem Ausfüllen des Formulars kaum beobachtet hatte, sah er in den wenigen Augenblicken wie sie ihn anstarrte respektive eher seine Handschuhe. Gewalt gegen eine asarische Zivilistin; vermutlich hatte Octavian noch Glück gehabt, dass ein Turianer ihn fest genommen hatte. Zweifellos aber spielte das im Endeffekt keine Rolle, ein paar Hiebe taten einen Moment lang weh, um genau zu sein spürte Octavian die früheren Schläge mit der Schrotflinte auf seinen Kopf nur noch entfernt, was aber weitaus wichtiger war, war letztendlich das Resultat morgen, ob er ein freier Mann sein würde oder nicht.

    Die Tür durch die Asari zuvor hereinkam, zischte erneut auf und diesmal war es ein turianischer Freund, der sich seiner C-Sec Rüstung entledigt hatte und stattdessen gemütlichere, aber dennoch offizielle Kleidung trug, ein hübsches C-Sec blau, in Verbindung mit schwarzen Streifen. Ihren Stil sollte die C-Sec nochmal überdenken, dachte sich Octavian.
    „Wie gesagt, ich glaube kaum dass Sie groß was abstreiten werden, schließlich habe ich Sie auf frischer Tat ertappt“, meinte der Turianer, während er an den Tisch näher kam und ein Diktiergerät zuvor aus einer Tasche hervorzauberte, er knallte ein paar Formulare auf den Tisch und anschließend machte er es sich auf dem Stuhl gemütlich: „und außerdem, werden Sie vermutlich sowieso nach einem Anwalt kreischen, nicht?“
    „Ein Anwalt verzögert doch nur dieses Prozedere, nicht?“
    „Bitte?“
    „Ich habe seit drei Tagen quasi nicht geschlafen. Ich bin müde, und betrunken und mit den Nerven am Ende, denn schließlich – nur um es für die Akte festzuhalten – ist mein Vater vor kurzem ermordet worden. Etwas was aber auch als Vulvia Terasys jüngstem Bericht hervorgehen sollte.“
    „Sie geben also zu, dass Sie Vulvia Terasy tätlich angegriffen haben?“
    „Die Handschuhe sagen das zumindest aus, ja.“
    „Und wieso?“
    „Verleumdung, Lügengeschichten. Manchmal reicht es einfach und dann platzt es schon einmal aus einem heraus.“
    „Ihnen tut es Leid was Sie getan haben?“
    „Nicht wirklich. Sie hat es schließlich verdient.“
    „Wären Sie weitergegangen?“
    „Nein.“
    „Für mich hat es aber so ausgesehen als wären sie kurz davor gewesen Vulvia Terasy brutal zu ermorden.“
    „Dann haben Sie eine ziemlich merkwürdige Auffassungsgabe. Ich wollte hier eine Lektion erteilen. Man streut kein Salz in Wunden anderer Leute, aber vor allem muss man dann mit den Konsequenzen leben.“
    „Sind Sie froh festgenommen worden zu sein?“
    „Dämliche Frage.“
    „Inwiefern hat sich der Tod ihres Vaters genau auf sich ausgewirkt?“
    „Sind Sie jetzt Anwalt?“
    „Ich möchte nur gerne die Sachverhalte klären warum Sie Vulvia Terasy tätlich angegriffen haben.“
    „Mein Vater ist mir wichtig, sehr sogar. Wir hatten in der Vergangenheit unsere Differenzen, aber so ist es nun mal unter uns Menschen, und besonders in unserer Familie. Vielleicht würden wir uns alle gegenseitig hassen, wenn wir nicht verwandt wären, aber wir gehören zusammen. Also ja, der Tod hat mich erschüttert, ich wäre ein gefühlloses Nichts, wenn ich den Tod einfach so hinnehmen könnte. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen, Ihre Akte über mich ist sowieso schon viel zu dick.“
    „Sie würden es also nicht als emotionale Tat bezeichnen?“
    „Ich war mir bewusst was ich tue.“
    „Diese Antwort ist verblüffend ehrlich.“
    „Und wieso das?“
    „Ach, meistens hört man etwas von wegen ‚ich war nicht ich selbst‘ oder ‚ein roter Schleier hatte sich über meine Augen gelegt‘, all solches Gedöns. Also sagen Sie, dass Sie Herr ihrer Sinne waren?“
    „Ja.“
    „Nicht einmal betrunken?“
    „Wollen Sie mir jetzt ein Alkoholverbot aufdrängen?“
    „Wenn Sie das in Zukunft von solchen Verbrechen abhält…“
    „Oh nein, aber derlei Sachen liegen hoffentlich in der Vergangenheit, zumindest wenn Vulvia Terasy gelernt hat nicht weiterhin Unsinn über meinen Vater, die Firma oder mich zu verbreiten.“
    „Sie sind sich sicher, dass alles erlogen ist, was Sie schilderte? Ein Fünkchen Wahrheit steckt doch überall drinnen.“
    „Waren Sie nicht währenddessen damit beschäftigt mit der Freundin meines Bruders zu flirten?“
    „Eher umgekehrt. Aber ich habe den Bericht dennoch gesehen. Für mich klingt das alles allzu plausibel und sofern ich Bescheid weiß gab es schon mehrere, negative Berichte über Corefield Design und Schlagzeilen über die geradezu katastrophalen Arbeitsbedingungen auf Ilium.“
    „Geht es jetzt über Corefield Design oder über mich?“
    „Oh, ich versuche nur etwas rumzustochern, die Situation zu verstehen. Vielleicht hat Vulvia Terasy gar nicht gelogen, vielleicht hat Sie auch einfach nur die Wahrheit preisgegeben. Und das gefällt Ihnen gar nicht.“
    „Sie hat am Tag der Beerdigung meinen Vater und sein Vermächtnis beleidigt.“
    „Und seit neuestem sollen sich die Medien von so etwas beeinflussen lassen. Das klingt nicht gerade nach Pressefreiheit, ein Ideal auf das Ihre Rasse doch so sehr pocht, nicht?“
    „Etwas Anstand wäre immer angebracht.“
    „Angenommen ein Diktator stirbt und das unterdrückte Volk jubelt, würden Sie jedem eine Tracht Prügel androhen, nur weil der Diktator ihr Vater war?“
    „Wenn es ein guter Diktator war, dann ja.“
    „Ein guter Diktator, gibt es so etwas?“
    „Es ist möglich. Bedienen wir uns dem Ideal des Philosophenkönigs, dem Fürsten im machiavellischen Sinne oder – um einen turianischen Vertreter zu nennen – Kantos aufgeklärtem Götzenprinz, so ist die Botschaft immer dieselbe. Ein einzelner Mann, mit Wissen, Kompetenz, Macht und Güte, ist effizienter, besser und notwendiger als eine Schar von demokratischen Moralaposteln und juristischen Halsumdrehern. Mein Vater hat nicht umsonst Corefield Design praktisch alleine geleitet, und das ist öffentlich bekannt. Und aus jedem einzelnen Jahresbericht ist zu entnehmen, dass Corefield Design sich gebessert hat, jedes Jahr aufs Neue. Vielleicht liegt es daran, weil mein werter Vater einfach Glück hatte, vielleicht auch daran, dass Familienunternehmen, wie Corefield Design, in Generationen denken und nicht in Quartalen, vielleicht aber liegt es auch einfach daran, dass mein Vater verdammt gut darin war, was er tat – auch wenn er sonst genügend persönliche Fehler hatte. Und wenn Sie es jetzt immer noch nicht verstanden haben, dann sage ich es Ihnen erneut: Die D’sorni Schwestern wollen Corefield Design zurück und Vulvia Terasy ist eine Mittel zu diesem Zweck, nicht mehr. Eine Lektion für Vulvia bedeutet eine Lektion für diese zwei Nervensägen. Damit wäre alles zu erklären und wenn Sie jetzt noch Fragen haben, dann halten Sie lieber meinen Vater aus dieser Angelegenheit heraus. Es dreht sich nur um mich.“
    „Hm, ich verstehe. Keine allzu persönlichen Fragen. Denken Sie ich bin ein verfluchter Straßenbulle? Ich muss Ihnen unbequeme Fragen stellen, ich muss reinwühlen, denn nur so kann ich feststellen, wie groß ihr Strafmaß ausfallen sollte. Und auch wenn ich es nicht bestimmen kann, will ich so viel wissen wie möglich. Damit meine ich alles.“
    „Und deshalb soll ich Ihren mangelnden Respekt mir gegenüber tolerieren?“
    „Mangelnder Respekt? Was meinen Sie denn damit schon wieder?“
    „Ihr Shuttle anhalten um mich in einem privaten Gespräch zu verhören. Mir mit ihrer Schrotflinte den Schädel einzuschlagen. Bei der Trauerveranstaltung meines Vaters herum zu schnüffeln und die Gäste zu diskriminieren. Für was halten Sie sich mich? Denken Sie nur weil ich nicht zu Gegend war, habe ich es nicht gesehen. Rumgeschnüffelt haben Sie, wie ein lausiger Hund auf der Suche nach Nahrung. Und damit sind Sie zu weit gegangen, ebenso wie Vulvia Terasy. Respektieren Sie gefälligst die Privatsphäre meiner Familie. Und ich muss gestehen, in gewisser Weise bin ich sogar froh, dass Sie mich fest genommen habe, denn jetzt weiß ich, dass Sie es in ihrer irrem, fehlgeleitetem Gerechtigkeitssinn nur auf die Viscontis abgesehen haben – verraten Sie mir bitte, wie viel?“
    „Wie viel was?“
    „Sie wissen schon. Wie viel haben ihnen die D’sornis gezahlt.“
    „Nichts.“
    „Und ich soll Ihnen glauben, dass Sie nur aufgrund von Vulvia Terasys Bericht oder Anruf, was auch immer es war, gefolgt sind? Woher wusste Sie überhaupt, dass Sie für den Fall eingeteilt waren?“
    „Sie ist eine gute Journalistin.“
    „Tz, natürlich.“
    „Muss ich Ihnen klar machen, dass Sie gerade einen Beamten der Citadel beleidigen?“
    „Und Sie beleidigen mich. Unentschieden würde ich meinen.“
    „Okay, Visconti. Noch einmal von vorne. Sie haben auf Vulvia Terasy auf brutalste Weise eingeprügelt. Sie geben zu, dass Sie bei klarem Verstand waren, und deshalb hätten Sie sie nicht getötet, aber sicherlich bleibende Schäden riskiert nur um ihren Jähzorn zu befriedigen, der nur durch einen einzelnen Bericht am Tag der Verbrennung ihres Vaters gesendet wurde, weil Quarianer vor dem Krematorium protestiert hatten, die selbstverständlich jedes Recht dazu hatten ein Zeichen zu setzen. Es sieht schlecht für Sie aus.“
    „Korruption macht ebenso keinen guten Eindruck, sowohl in der C-Sec als auch bei den Citadel News.“
    „Was zum Teufel ist ihr Problem? Ich werde nur von der Citadel bezahlt, sind Sie paranoid oder ist das eine typische menschliche Eigenschaft jedes Wort, sobald es aus dem Mund einer anderen Rasse kommt, umzudrehen?“
    „Weder noch, Sie stinken einfach nur nach Korruption.“
    „Glauben Sie wirklich dass Sie mich reizen können?“
    „Mit der Wahrheit? Immer.“
    „Das entspricht aber nicht der Wahrheit.“
    „Drehen wir uns nicht etwas im Kreis hier?“
    „Eine Frage noch: Glauben Sie das Vulvia Terasy etwas zu tun hatte mit dem Tod ihres Vaters?“
    „Wenn ich ja sage, würde das mich entlasten, nicht?“
    „Naja, vielleicht.“
    „Und wenn ich nein sage, dann verschlimmert es das alles nur, richtig?“
    „Nun, ich-“
    „Nein. Ich glaube nicht, dass Sie etwas mit der Ermordung meines Vaters zu tun hatte.“

    Mit diesem letzten Satz entließ der Turianer sich selbst aus dem Zwiegespräch, in das er sich mit Octavian eingelassen hatte. Während seines Verhörs hatte er immer wieder Notizen aufgeschrieben, versucht die Reaktionen und Antworten von Octavian zu deuten, aber die scheinbar ehrlichen Antworten beunruhigten ihn. Die kalttrotzige Willkürlichkeit mit der Octavian stets reagiert hatte, so als würde er beliebig antworten und nur dann eine ausführliche Erklärung abgeben, wenn es ihm genehm war, machte es dem Turianer hart seinem Häftling etwas zu entlocken. Und auch wenn er letztendlich alles hatte um Octavian für schwere Körperverletzung anzuprangern, kam er sich unweigerlich als Verlierer vor. Octavian ätzte förmlich vor Niederlage und inneren Bezwingung, und mit jedem Wort, dass er ausspie, kam sich der Turianer vor als würde er mehr den Duft der Bedrückung in sich aufnehmen, während sich Octavian Stück für Stück davon entledigte und langsam immer mehr aufblitzte; die feinen Gesichtszüge, die sich zeitweise lockerten, nur um wieder kurz darauf starr zu werden, das angedeutete Lächeln jedes Mal wenn er scheinbar die Wahrheit sprach, die Regungslosigkeit, die Octavian zeigte, selbst dann als er über seinen Vater sprach. Er zeigte Schwächen, ja. Und jeder andere hätte mit diesen Aussagen wohl bereits den nächsten Flug nach Purgatory gebucht. Aber der Turianer konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass er als Verlierer hervor ging. So als hätte Octavian gerade genug geopfert um ihn in einen Hinterhalt zu treiben, damit er geschwächt sich aus dem Verhör zurück ziehen konnte, aber nicht vernichtend, und Octavian würde ebenso geschwächt im Verhörraum verweilen, am selben Ort, keinen Mucks von sich gebend, bis jemand ihn abholte, aber dafür zumindest triumphierend. Das Verhör gefiel dem Turianer nicht, und er hätte es bevorzugt die Akten und das Diktiergerät seelenruhig zu verstauen, stattdessen sammelte er seine Sachen zittrig ein, darüber nachdenkend welche Schritte er weiter unternehmen sollte.

    Ein paar Minuten nach dem der Turianer den Verhörraum verlassen hatte, kam die Asari erneut in den Raum. Diesmal hatte sie eine Pistole in der Hand, gefasst darauf Octavian erschießen zu müssen, falls er sich wehrte. Er gedachte es nicht, und das störte die Asari vielleicht. Zumindest konnte Octavian dies ihren hasserfüllten Augen ansehen. Erschossen in der C-Sec, das wäre eine traurige Schlagzeile, redete er sich scherzhaft ein. „Gehen wir?“, fragte Octavian schnippisch. Aber es gab keine Reaktion. Die Asari nahm Octavians abgelegene Kleidungsstücke an sich, fuchtelte knapp mit der Pistole vor seinem Gesicht herum als wäre sie eine Art Mafiosi und drang ihn damit zum Aufstehen. Gesagt, getan. Immer noch zumindest die Jacke tragend, verließen sie den Verhörraum, nur um einen Gang entlang zu schreiten, der fast lebloser wirkte als das Zimmer zuvor; keine Menschenseele war zu sehen und keine Dekoration war zu erkennen, stattdessen war kein sanfter Blauton zu genießen sondern karge, graue Töne verwelkten Octavians neu gefundenen Siegesgeschmack. Das Verhör lief gut, wenn auch nicht perfekt. Er hätte gern den Turianer zur Weißglut gebracht, ihm damit seine Argumente den Hals runterstopft, um ihm zu zeigen, dass man sich nicht immer unter Kontrolle hatte. Aber der Turianer war nicht dumm, vermutlich war das kein Turianer wirklich, zumindest fast keiner. Trotzdem war es ausreichend um ein gutes Gefühl aus dem Verhörraum hervorzutragen. Die Gegenargumente Octavians hatten es in sich wie er fand und die kühle Art wie er antwortete, hatte sicherlich zur Situation gepasst. Vor allem aber war er ehrlich über das was er getan hatte, das waren das mindeste und das Beste was er wohl tun konnte. Ein Anwalt hätte das alles nur hinaus gezögert, und vor allem hätte er ihn zum Leugnen und Lügen angestiftet. Das war nicht gerade nützlich, da er doch primär den Mörder seines Vaters, mit oder ohne C-Sec Unterstützung fassen wollte. Und den Turianer unnötig zu verärgern, war wohl kaum einträglich dafür. Deshalb musste Octavian alles in allem sich selbst eingestehen, dass es gut lief. Auch wenn er, so musste er ebenfalls zugeben, über eine Sache gelogen hatte: Vielleicht hatte Vulvia Terasy tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun. Aber das war nur eine reine Formsache.

    Die Asari hatte ihn kommentarlos in den Lift geführt und ließ ihn nun ein paar Minuten lang warten, während zwei vollausgerüsteten, gut gepanzerten C-Sec Offiziere Octavian wachsam beäugten, nachdem sie sich ihm endgültig alles bis auf sein Hemd und die Hosen abgenommen und verstaut hatten. Der salarianische Beamte kümmerte sich währenddessen um weitere formale Angelegenheiten und sorgte dafür, dass ein Kroganer versetzt wurde, sodass Octavian nur mit einem wesentlich schwächeren Häftling für ein paar Stunden in der Zelle saß, vermutlich würden sie beide morgen entlassen werden. Obwohl eigentlich die Vorhalle zu den Stunden-Arrestzellen, die man wohl als ungemütliche Variante des Stundenmotels bezeichnen konnte, gab sich der Raum indem Octavian warten musste alle Mühe sich herauszuheben. Er war tatsächlich nett eingerichtet mit lederüberzogenen Stühlen und ein paar Blumensträußen auf dem Tisch, was zweifellos einen bizarren Eindruck vermittelte – so als wäre man gar bei einem Arztbesuch. Schlussendlich erhob sich der Salarianer und reichte Octavian eine Kommunikationseinheit. „Einen Anruf, nicht mehr“, gab der Salarianer knapp von sich. Und Octavian war glücklich über diese Möglichkeit, denn es war höchste Zeit jemanden anzurufen. Sarvil? Er wollte doch kein Massaker in der C-Sec veranstalten. Antonius? Eine Lieferung Alkohol würde bestimmt nicht schaden. Lepidus? Eine Moralpredigt würde schaden. Pavel, der Chardinismus-Priester? Er wurde verhaftet, aber es drohte doch keine Todesstrafe. Sejan? Der würde sich nur zu viele Sorgen machen. Jacqueline? Auf keinen Fall.
    Zögerlich wählte er eine Nummer, nach dem er sich sicher war, dass er zumindest das Treffen absagen musste.
    „Anna Vanderlyle am Apparat“, meldete sich die liebliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
    „Anna, ich bin es, Octavian. Schlechte Nachrichten, unser Bloody Mary-Treffen muss verschoben werden.“
    „Etwas Schlimmes passiert?“
    „Wie man es nimmt. Ich wurde verhaftet, aber nichts was sich nicht glätten lässt.“
    „Wegen diesem Bericht?“
    „Genau.“
    „Oh, nein. Antonius hat mir davon erzählt, ich habe ihm gesagt, dass würde schlecht enden, aber er hat gemeint, dass das notwendig war. War es das? Im Gefängnis zu landen?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Und wieso meldest du dich?“
    „Nun, um dir Bescheid zu sagen. Schließlich sollst du nicht vergebens auf mich warten.“
    „Ich verstehe.“
    „Und noch etwas, halte ein paar Credits bereit um die Kaution zu bezahlen, falls es so weit kommt. Ich würde nur ungern die nächsten Tage im Knast sitzen wegen dieser Lappalie.“
    „Verdient hättest du es.“
    „Sag‘ so etwas nicht.“
    „Viel Glück, pass‘ auf beim Duschen.“
    „Dein Mitgefühl hilft mir wirklich.“
    „Immer doch.“

    Der Salarianer befahl einer der Wachen Octavian abzuführen, nach dem er die Komm-Einheit zurück auf den Tisch gelegt hatte. Wenig zimperlich richtete die menschliche Wache Octavian mit einem einzigen Ruck auf und schubste ihn in den Gang, der bedrohlich von Gitterstäben abgegrenzt wurde. Mit weißem Hemd und schwarzer Hose und gesenktem Kopf, das blonde Haar matt, zerzaust und ungewaschen, der Buckel nach vorne gelehnt und schläfrigen, erschöpften Augen trat Octavian in die Zelle ein. Ein Salarianer befand sich in ihr, er wirkte verwirrt und hatte etwas Hyperaktives und Hibbeliges an sich, als hätte er vor jedem seine Lebensgeschichte zu erzählen. Seine Augen leuchteten leicht bläulich, offensichtlich ein Red Sand-Süchtiger. Die Lebensgeschichte eines Drogenabhängigen. Das wollte Octavian nicht hören, er wollte schlafen, nur schlafen.

  2. #122
    FRPG-Account Avatar von Octavian Visconti
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    Citadel: C-Sec
    Tag 4: 7.4.2184
    Uhrzeit: 01:04

    „Es fing alles an als die Typen mir gesagt hätten, sie würden meiner Sisala wehtun. Sie kamen einfach eines Tages zu mir, gepanzert und mit Waffen bestückt, ein perverses Gesicht trug jeder von ihnen, dass mir klar machte, dass sie es ernst meinten. Zitternd saß ich in meinem Büro und arrogant und gemütlich stapften sie durch das Zimmer, spielten ein wenig mit meiner Dekoration; sie haben mir ganz schön Angst gemacht. Und kaltschnäuzig haben sie von mir gefordert, dass ich ab sofort Red Sand für sie produzieren soll. Kein Geld für mich natürlich, aber mein Leben. Im Rückblick weiß ich gar nicht mehr, warum ich zugestimmt habe. Vermutlich hat mich die Aussicht auf etwas Abenteuer im Innersten beflügelt, oder ich war einfach nur ein Feigling. In all diesen Videos, wo jemand bedroht wird, von wegen rufen sie ja nicht die Polizei und der ganze Kram. Die haben genau so etwas mit mir abgezogen, mit mir armen Schlingel. Dabei war ich vor ein paar Jahren nur ein Angestellter in einer Chemiefabrik auf Sur‘Kesh und damit fing das Ganze irgendwie an. Ich habe in der Firma meines Vaters gearbeitet und wir haben uns vor allem auf Anti-Depressiva konzentriert. Wir Salarianer können manchmal ganz schön in einen Trott hineinfallen, wenn man zig Stunden am Tag wach ist und tausend Gedanken durch den Kopf sausen; das zieht sich und drückt einen runter. Ein paar Pillen sind dann für manche genau das richtige, insbesondere da wir – im Gegensatz zu euch Menschen – auch nicht gerade sonderlich trinkfest sind. Ich frage mich, ob es anders gekommen wäre, wenn ich nicht dort gearbeitet hätte, aber das ist dann wohl auch zu hypothetisch, oder nicht? Und ich wäre nicht hier heute Nacht und ich wäre nicht ich selbst. Wenn ich etwas anders gemacht hätte. Jedenfalls hatten wir schon dieser Zeit einen ordentlichen Umsatz und diverse Unternehmen wollten Leute von uns anheuern – entweder für Forschung oder für die Produktion, alles Mögliche. Die meisten blieben uns aber treu und irgendwie schafften wir es von einer kleinem Chemieunternehmen über die Jahre größer zu werden; das schlug sich aber auch auf meinen Vater nieder, er begann selbst die Pillen zu nehmen, versuchte sich über Wasser zu halten. Als er aber… nun, als er sich umgebracht hatte, war das für mich eine Initialzündung. Ich habe nicht viel über den Tod nachgedacht, aber ich habe entschlossen Initiative und vor allem wollte ich meinen eigenen Weg beschreiten, nicht mehr meinem ‚Schicksal‘ folgen, sondern es quasi selbst gestalten. Eine närrische Entscheidung im Rückblick, mag sein, aber zu dieser Zeit fühlte ich mich frei. Und im Gegensatz zu vielen anderen Salarianer emigrierte ich nicht bloß temporär, um meine Familie in der Heimat finanziell zu unterstützen oder dergleichen, sondern wollte ich vor allem mich losreißen. Ich habe die Stricke gekappt. Untypisch für einen Salarianer, aber vielleicht hing ich schon damals zu sehr an den Pillen, vielleicht hatten sie mich zu stark beeinflusst in meinem Tun. Und so flog ich zur Citadel, schlief ein paar Tage nicht und bunkerte mich in einem Hotel ein, verschickte Bewerbungen und wurde schlussendlich genommen, als Chauffeur. Können Sie sich das vorstellen? Der Sohn eines Industriellen ist nicht mehr wert als der Posten eines Chauffeurs für irgendeine Asari? Sisala war ihr Name und sie hatte als Tochter einer angesehen Matriarchin eine ähnliche Entwicklung durchlebt. Mittlerweile hatte sie es geschafft sich auf der Citadel zu etablieren und genoss ihr Leben bei einem beliebten Modeunternehmen. Zuvor musste sie aber kämpfen sich von ihrer Mutter loszusagen. Und ich weiß nicht recht, wie das von statten ging, aber wir kamen uns näher; sie sah wahrscheinlich etwas von ihr in mir. Ich weiß es nicht. Aber sie ist wunderschön und sie ist großzügig und sie hat mir das Leben von einer anderen Seite gezeigt. Ich konnte mich sogar lossagen von den Pillen, oh – ich liebe sie. Ja, ich liebe sie. Und nach der ersten Nacht, die wir miteinander verbracht hatten, entfaltete sich eine neue Welt für mich, wahrlich eine ganz neue. Sie wollte nicht mehr länger, dass ich für sie arbeite und so verschaffte sie mir einen Platz in dem Unternehmen und ich bekam ein eigenes Büro und alles schien endlich wieder bergauf zu gehen. Ich fühlte mich gut. Nach dem Citadel Blitzkrieg nahmen wir uns ein gemeinsame Wohnung und aufgrund der – nun ja, Verluste während des Krieges – wurde ich auch befördert. Also so gesehen brachte der Angriff der Geth vielleicht wirklich etwas Gutes, und erst nach dem Blitzkrieg konnte ich mich endgültig etablieren. Ich begann erst ein echtes Interesse an Mode und Kleidung zu entwickeln und ich brachte damals viele gute Ideen ein, Sisala war stolz auf mich, und ich war glücklich. Irgendwann wollte ein Journalist einen Artikel über mich schreiben. Die Überschrift war etwas provokativ gewählt und auf meine Vergangenheit bezogen, was mir gar nicht gefiel. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, aber die Überschrift bezeichnete Mode als Droge. Oje, das klingt jetzt nach einem schlechten Reim, nicht? Jedenfalls wurde im Artikel, wie schon gesagt, meine Vergangenheit erwähnt, dass ich mich gut mit allermöglichem Zeug auskenne. Der Journalist hat gefragt, ob ich immer noch all dieses Wissen hätte für all das, und ich antwortete mit ‚Aber natürlich‘, das weiß ich noch genau. Durch den Bericht wurde dann leider diese Gruppierung auf mich aufmerksam und sie versuchten mit mir zu verhandeln, aber da gab es nicht wirklich viel Chance. Ich hatte Angst, so unfassbar Angst. Eines Tages begab ich mich auf den Weg zur C-Sec und die Gruppe schnitt mir den Weg ab, drohte mir. Die hatten mich im Visier, sie wollten mich – mich! Ich war so was wie ein Heilsbringer, theatralisch ausgedrückt, versteht sich. Ich könnte sie vom Schmuggel befreien, und stattdessen ihnen die Mittel für die Erzeugung von Red Sand selber geben. Wohlangemerkt, sie waren keine große Gruppierung, ein paar Männer und Frauen, nicht mehr. Aber sie brauchten mich, denn seit dem Blitzkrieg verschärften sich die Kontrollen und es war noch schwerer als früher zu schmuggeln. Und sie waren süchtig, alle hochgradig süchtig. Das waren Wahnsinnige, die Red Sand Droge anbetend und ich sollte ihr Prediger werden. Ich muss zugeben – und so etwas würde ich nie vor Gericht zugeben, dort würde ich nur auf meine Angst appellieren, aber es hatte etwas Verführerisches an sich, so wichtig zu sein, so viel Kontrolle zu haben. Natürlich bekam ich von ihnen kein Geld, wie gesagt, nur mein Leben durfte ich weiterleben. Irgendwie. Aber ich musste in einem Kellerzimmer ihre Droge fabrizieren – mit Luftmaske und Schutzanzug war es zumindest nicht gesundheitlich gefährlich, etwas von dem ich sie erst nach ein paar Tagen überzeugen konnte. Die Armen hatten wirklich keine Ahnung auf was sie sich eingelassen hatten. Ich bedauere mich nicht so sehr, als dass ich sie bemitleide, gefangen in ihrem Instinkt, geleitet von einem Irrlicht. Es dauerte nicht lange bis die C-Sec auf uns aufmerksam wurde, zwei ihrer Leute wurden nach einer Woche gefasst. Ich wollte schon aufhören, aber das war schon zu spät – stattdessen wollte ich es selbst erstellen. Stockholm Syndrom, nennt ihr es, richtig? Dann frage ich mich wie man es nennt, wenn man nach der Droge süchtig wird, die man selbst herstellt. Vermutlich trägt dieses Syndrom meinen Familiennamen, wurde ich doch gegen Ende dasselbe wie mein Vater. Sie haben mich jetzt aber gefasst, und ich weiß nicht mehr weiter, Sisala wird so dermaßen enttäuscht von mir sein und ich brauche Geld um einen Anwalt zu bezahlen und – ojemine, mein… mein Kopf schmerzt. Sieh, sieh! Ich zittere und alles erscheint schwammig, sind das etwa Entzugserscheinungen oder nur alltägliche Paranoia?“

    Octavian hatte es sich auf seiner Pritsche so weit wie möglich gemütlich gemacht, er rauchte seine verbliebenden Zigaretten und hörte dem Salarianer nur mit einem Ohr vage zu. Es hatte in dezenter Weise den Eindruck von Musik in seinen Ohren, aber hätte er zugehört, so hätte er sogar das ein oder andere gelernt. Auch wenn das Leben des Salarianers seines in keinster Weise wiederspiegelte, so gab es doch Schnittstellen und Parallelen, die man zumindest auf interpretative Weise ausfindig machen hätte können. Aber Octavians Hauptinteresse galt nun mal der Decke über ihm und wie der Rauch sich unter ihr versammelte, und vor allem dem stechenden Schmerz in seiner Braust. Die Tage, um den Tod des Vaters zu verdrängen, hinterließen eine Spur des Verwesung und des hemmungslosen Konsums. Sein Gesicht war mürbe geworden, die Linder sonderlich schwer und seine Haare sammelten sich auf dem Polster um dort zu verweilen bis jener irgendwann gereinigt wurde. Stress, Stress! Der Magen war mit Alkohol gefüllt und die Innereien waren kurz davor auszubrechen. In gewisser Weise war es gut, dass er nichts mehr trinken konnte, andernfalls hätte er sich noch übergeben - sich ergeben. Der Körper war zum Pulsieren gekommen und er kannte dieses Gefühl. Die letzten Stunden wurden nicht einfach verkraftet, die letzten Tage konnte man nicht vergessen, und der Körper konnte Widerstand leisten, war aber auch nur eine Barrikade, die brechen würde. Gerade die letzten Stunden hinterließen – wie so oft – die frischeste Wunde. Der Zusammenprall mit Terasy, die Verhaftung durch den immer noch namenlosen Turianer, das Gefasel des Salarianers – vor allem das Gefasel des Salarianers. Octavian wurde gezwungen erneut Ereignisse Revue passieren zu lassen vor seinem geistigen Auge und in diesem Prozess stieg es wieder in ihm herauf. Das Fieber, es kündigte sich an. Und hätte er seine Medikamente bei sich gehabt, so könnte er es bekämpfen, aber auf sich alleine gestellt, war Octavian nur ein kranker Körper, eingepfercht in drei Wänden und schwedischen Gardinen. Es plagte ihn stets in den unwillkommensten Situationen – in den ruhigsten, in welchen man nichts tun musste, in den man sich nicht weiterbewegen konnte, nicht voran konnte, nichts hatte auf das man sich konzentrieren konnte – nicht einmal die Gedanken, denn die waren alle schon verschwendet; nur die Zeit bewegte sich fort und irgendwann würde es vorbei sein. Es war ein Virus, der einen erst dann im Raum willkommen hieß nach dem man die Tür hinter sich geschlossen hatte, und dann über einen blutrünstig herfiel. Zugleich ein Merkmal des überbordenden Lebensstils, geprägt von intensivem Alkohol- und Zigarettenkonsum, einem ständig arbeitenden Kopf, der auf der Suche nach Antworten war und Fragen stellte, die nicht beantwortet werden konnten, und einem Umfeld, dass sich wie ein Parasit an ihm labte. Der Alkohol hatte aufgrund des wenigen Lebensmittelkonsums in den letzten Tagen den Magen geschwächt und reichlich Magensäure produziert, diese ätze empor – zumindest fühlte es sich für Octavia stets so an, und drang ihm in die Kehle, erschwerte ihm das Atmen und das Denken. Nur das Beten schien noch zu funktionieren und während er anfing hibbelig in seinem Bett zu werden, nach Luft zu schnappen und dabei die Spucke, die sich in seinem Mund sammelte, runterschluckte, begann er langsam zu verzweifeln. Seine Medizin, er wollte sie jetzt haben und er war ein Narr, dass er nicht daran gedacht hatte. Sicherlich hatte die C-Sec etwas in ihren Beständen, dass ihm helfen würde – es war ein kleiner Schritt und Hilfe würde herbeieilen. Vom Salarianer war nichts zu erwarten, der war zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Octavian konnte ihm nicht böse sein, war er doch im Moment mit sich ebenfalls zu sehr beschäftigt; wobei kämpfen der bessere Ausdruck wäre. Und die kleinen Schritte zum Gitter um zu brüllen, schienen ihm so weit weg zu sein. Abgesehen von der Blamage, die er mit dieser Tat über sich selbst hereinbringen würde. Er wollte hauptsächlich, dass der Schmerz stoppte. Die Medizin, sie würde ihm helfen. Und um sich abzulenken, zitierte Proust. Wie war es doch gleich? In die Medizin zu vertrauen ist dumm, an sie nicht zu glauben ein Irrtum. Nein, es war anders. Wer erinnerte sich schon an korrekte Zitate eines lang verstorbenen Narren, wenn man Galle spuckte? Verzeihung, Proust? Großartiger Autor. Und großzügiger Gott. Er bekreuzigte sich, nach dem er die Bettdecke über sich zog, damit der Salarianer es nicht bemerkte wie lächerlich Octavian doch sich gerade benahm, aber sein Zellengenosse war von seiner eigenen ignoranten Trauer bedeckt, hätte er nicht einmal gemerkt wenn Octavian einen Schrein dem Teufel gebaut hätte – so als würde dies ihn erlösen. Die Rippen zogen sich enger, das Atmen wurde noch schwerer, als er sich zur Seite windete, und die Augen wurden glasig. Die Zigarette fiel unter die Pritsche, der Rauch stieg, Octavian ließ eine Hand die Pritsche runterbaumeln, hielt mit der anderen die Decke fest und kauerte sich in sie, die Augen erst offen und keuchend, dann geschlossen und am ganzen Leib zitternd.

    Das Meer forderte seinen Tribut, die stürmische See verschlang die Fregatte von August. Prinz Adalbert von Preußen und seine närrischen Fantasien eines Neu-Preußen, oder wie man es auch immer betiteln wollte. Die Fregatten zerschellten an der Brandung des Landes, unwillig ihre Eroberer empfangen zu heißen. Und die See würde jede Erinnerung an diese Expedition löschen. Donner und Blitz kreischten über der See, gaben August zu erkennen, wohin er musste um zu überleben, aber das Salzwasser und die Wellen drängten ihn immer weiter nach unten, ihm aufdrängend wie schutzlos ausgeliefert er ihnen war, und durch eine Laune der See schwappte eine weitere Welle über seinen Kopf herein, die ihn purzeln ließ im Wasser und ihn näher an die Oberfläche brachte, ehe er seinen Kopf, nach Luft schluchzend, aus der See erhob und im Wechselspiel der Gezeiten für einen Augenblick die Flotte weiter sinken sah. Würde ihn die See erbarmen, so würde man ihn in seiner Heimat töten, ein Leben verwirkt, so schien es.
    August schaffte es gegen das Meer sich zu stellen, sich gegen den Sog nach unten zu wehren und hielt sich tapfer am stetig steigenden und fallenden Wasserspiegel, je nachdem ob eine Welle ihn erfasst oder nicht. Die Blitze offenbarten die Brandung, die die preußische Flotte endgültig in die Knie gezwungen hatte, die Speerspitzen der Natur ragten heraus und die Wellen überschwemmten sie, nur um sich zurück zu ziehen und die forsche Widerstandsfähigkeit des Gesteins zu offenbaren. Und mit jeder weiteren Welle kam August den gefährlichen Felsen näher, um sein Leben bangend und gleichzeitig dagegen ankämpfend, gegen die Strömung schwimmend, verzweifelt, nach dem er erkannte was das Meer mit ihm vorhatte und wie es gedachte ihn in die Knie zu zwingen. So lange August gegen die Strömung anschwamm und mit seinen Blicken über die Schulter dezent erkannte wie die Fässer und Holzbretter auf die Felsen aufschlugen und brachen, führte er einen Kampf gegen Windmühlen; etwas, dass er zuerst nicht wahrhaben wollte. Stattdessen probierte er die Wellen auszutricksen, sich unter Wasser zu begeben, unterzutauchen, tief genug, dass er dem Druck der Wellen standhielt. Der Sturm konnte nicht ewig dauern, irgendwann musste es zu Ende sein und dann würde er an Land schwimmen und seine verbliebenden Männer sammeln, und… Er tauchte am Antlitz des Meeres wieder auf, Gott gab ihm die nötige Kraft dazu, vermutlich war es aber nur das Adrenalin, dennoch reichte sein Glaube aus um ihm ein Stoßgebet an den Allmächtigen zu erlauben. In seinem scheinbaren Erfolg erkannte er erst nicht, dass er sich nicht wirklich vom Fleck bewegt hatte, aber das reichte aus um ihm neue Hoffnung zu geben, schließlich war er den tödlichen Felsen somit auch nicht näher gekommen. Die graue Eminenz des Sturms aber hatte noch genug Kraft um dieses Spiel gar für Stunden weiterzuspielen. Und August musste einsehen, nach mehreren weiteren Versuchen der Brandung zu entgehen, dass er das Unweigerliche nur herauszögerte, denn rasch schwanden seine letzten Kraftreserven, von denen er so sicher war, dass er sie erfolgreich mobilisiert hatte. Schließlich realisierte August, während er zu einem weiteren Tauchvorgang ansetzte und gegen die Wellen anschwamm, dass ihm seine Kraft nicht reichen würde. Ein Wagnis war geboren in seinen Gedanken, ausgelöst durch den Mangel an Luft oder der Todesgefahr in der er schwebte, und als er wieder auftauchte und merkte wie sein Körper immer schlaffer wurde und sich nach der erlösenden Brandung sehnte, um das Leid zu beenden, war er sich seines Vorhabens sicher, wie er sich unter diesen Umständen sein konnte, und ließ die nächste Welle zu – um sein Ende herbeizuführen oder dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Die Welle erfasste ihn und wirbelte ihn herum, aber er schaffte es die Orientierung zu behalten, hielt seinen Blick starr auf die Brandung gerichtet, sobald er über Wasser war und auch unter Wasser ließ er das Meersalz in seinen Augen zu, um Herr der Situation zu werden – und es zu bleiben. In krampfhafter, aber einzig möglicher Manier versuchte er seinen Körper einzustellen auf den Fels, überlegte sich die Manöver, die er bei der Marine gelernt hatte, und schneller als erhofft oder gar befürchtet kam er dem ersten Felsen näher, nach dem ihn eine weitere Welle vorantrug und ihn drohte auf den Felsen zu schmettern. Stattdessen schindete er seinen Körper ein weiteres Mal, unterdrückte das Wasser in seiner Speiselunge und presste jedweden Bestand an vorhandener Luft hinunter, um solange wie möglich daran festzuhalten. Die nächste Welle war groß genug und August sank tiefer ins Meer, drang durch die Welle empor und kam in überbordender Manier zum Vorschein mitten in der Welle, wetzte seine Arme, bereit sich ins Gestein festzubeißen für den Preis des Überlebens. Der Aufprall donnerte das Wasser, die Luft und schlussendlich auch das Blut aus seinem Körper heraus, er spuckte es aus, biss sich aber fest, schaffte es seine Hände an zwei Wölbungen zu positionieren und an diesen festzuhalten. Mit Schmerzen in der Brust, einem geschundenen, blutverschmierten Gesicht – die Nase gebrochen, die Schrammen am Kopf nur ein Kratzer im Vergleich dazu wie es unter der Haut brodelte und hämmerte vor Leid – und brachliegender Hoffnung, dies alles zu überstehen, zog er sich hinauf, beeilte sich gehörig. Auch die nächste Welle erfasst ihn, aber das kleine Stück Gestein, dass aus dem Meer herausragte, dass er sich ausgesucht hatte als seine Rettung, bot ihm genügend Halt um nicht davon geschwemmt zu werden. Er ging in Lauerstellung, war bereit festzuhalten am Gestein jeden einzelnen Moment, während er vage Blicke den Hauptinvasoren zu warf, und das peitschende Auf- und Ab des Meeres rund um die Felsen in der Brandung ignorierte.

    Der Strand, eingebettet in eine Bucht, bewacht von einer Seite von Klippen und der Brandung und zur anderen Seite von einem dichten Schilf, kristallisierte sich mit seinem feinen, weißen Sand als Sammelpunkt für Augusts Truppen heraus. Der Admiral hatte den Sturm überlebt und erschöpft, vor allem aber verdrossen aufgrund des Verlustes der Flotte, schwamm er durch die Brandungsfelsen, an den Klippen entlang, die sich über mehrere Meilen erstreckten. Aber August und seine Flotte hatte Pech gehabt. Der Prinz hatte ihnen nur vage Beschreibungen gegeben, wo sie die Flotte positionieren sollten um landeinwärts vorzustoßen. Als der Sturm wie aus dem Nichts aufzog, befand sich die Flotte gerade auf dem Weg um die Klippen zu positionieren, und so überraschend wie er kam, so stark war er anfangs. Eine Fregatte stieß in eine Brigg, zersägte diese förmlich, während sich ihr Mast löste und die Fregatte selbst in die Knie zwang. Das Admiralsschiff von August hielt dem Sturm stand, aber nicht die Besatzung. Mann für Mann ging über Bord, während sie versuchten dem Sturm Paroli zu bieten und den Zusammenprall mit den Klippen vermeiden wollten. August ging als letzter Mann über Bord, aber er ging nicht mit dem Schiff unter. Stattdessen zerschellte das herrenlose Flaggschiff in den Mauern der Natur und die Besatzung kämpfte ums Überleben, während sie die nahegelegene Bucht versuchten anzuschwimmen. Männer starben und ertranken, und manche schafften es sich zu retten, dank dem Holz der zersägten Brigg oder der sinkenden Fregatte. Das letzte Schiff der Expedition schaffte am längsten dem Sturm Einhalt zu gebieten, aber war im Endeffekt auch nur den Launen dieses Naturspektakels ausgesetzt. Zeitweise schien es gar als würde die Fregatte schweben oder zumindest auf den Wellen reiten, ehe es schwer beschädigt auf Grund lief in der rettenden Bucht, nach dem die ganze Magie des Sturms auf verbraucht war.
    Über einen Hügelkamm schaffte es August zuerst sich aus dem Wasser zu retten, und anschließend ohne weitere Umstände in die Bucht zu gelangen. Die Soldaten und Matrosen schienen gerade ihr weiteres Vorgehen lautstark zu besprechen. Während die Matrosen vorwiegend darauf appellierten hier auszuharren bis andere preußische Expeditionen vorbeikommen würden, bestanden die Soldaten auf die pflichtgetreue Umsetzung des Vorhabens, dass sie hier her geleitet hatte. Alles Narren, dachte sich August, der hinkend und nach Trinkwasser sehnend, den Hügel hinabschritt, peinlichst darauf bedacht aufgrund des Schlamms nicht auszurutschen. Ungläubig starrten sie den Admiral an, als sie ihn erkannten. Die Matrosen jubelten, während die Soldaten – um ihren Anführer betrogen – und somit August untergebend, wie es der Prinz angeordnet hatte, verhalten applaudierten, wenn überhaupt, und bereits meuternde Blicke sich gegenseitig schenkten.
    „Wie ist die Situation?“
    „Hohe Verluste“, sprach der Kapitän der Fregatte, die am besten davon gekommen ist. „Das Schiff ist schwer beschädigt und nicht manövrierfähig. Kanonen und Schießpulver sind aber verwendbar, zudem gibt es genügend Musketen in den Kisten, um die Soldaten und Matrosen auszurüsten. Der Proviant hält sich in Grenzen, die Rationen dürften wohl für zwei Tage reichen“; meinte er, während er dem Admiral eine Feldflasche reichte, welche dieser dankend annahm.
    „Gut. Moral?“
    „Erschüttert, bestenfalls“, kam es vom ersten Offizier zur Antwort, der leise genug sprach, damit die Männer es nicht verstanden.
    „Inwiefern?“
    „Die Soldaten wollen die spanische Kolonie einnehmen, die Matrosen wollen warten bis eine weitere Expedition kommt, das kann sich aber um Wochen handeln, und wer weiß wo genau sie Anker legen werden.“
    „Natürlich ist Warten keine Option. Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass wir den Sturm so gut überstanden habe. Mir schien es zeitweise als würden wir fliegen, so atemberaubend majestätisch und tödlich war der Sturm.“
    „Einen Sturm kann man das nicht mehr nennen.“
    „Stimmt, vielleicht braucht man ein neues Wort dafür. Wie steht es um den General?“
    „Tod, oder verschollen.“
    „Also liegt die alleinige Entscheidungsgewalt bei mir.“ August nahm noch einen weiteren Schluck, diesmal länger und befriedigender, als der Erste und ideal um sich weitere Gedanken zu machen. „Sendet einen Spähtrupp aus. Jetzt sofort. Mareck, Sie werden es persönlich übernehmen, stärken Sie sich und ihre ausgewählten Männer aber zuvor. Wir müssen wissen ob Indianerstämme in dieser Region noch existieren. Und nehmen Sie auf jeden Fall einen der Linguisten mit. Sollte es Stämme geben, überzeugen Sie sie davon sich gegen die Spanier sich zu erheben, das dürfte ein leichtes sein. Bieten Sie ihnen Kanonen an, aber geizen Sie mit der Munition. Wir wollen schließlich nicht, dass später preußische Waffen uns töten. Zwar wäre es mir lieber gewesen diese Wilden zu unterjochen, nach dem wir die Spanier hinweg gemetzelt hätten, aber wir brauchen ihre Hilfe, wie es ausschaut. Die hiesige spanische Kolonialstadt sollte nördlich von hier liegen, rund hundert Meilen entfernt. Stärkt die Truppen und dann etablieren wir uns im Dschungel, sodass uns spanische Boote, auch wenn es nur Fischer sind, nicht entdecken. Die Schiffswracks werden ihnen anzeigen, dass wir hier sind, aber zumindest wissen sie dann nicht wo wir sind.“

    … Ein durchgeschnittener Leichnam lag blutend am Boden, der Sand kam mit dem Blut in Einklang, Schießpulver und wütendes Geschrei drohten eine Meuterei an, ehe sie erfolgreich erstickt wurde.


    Nebulös entfaltete sich die Zelle von neuem vor Octavians Augen, als er schwer atmend sich aus der Pritsche erhob und sich eine Zigarette anzündete. Er fühlte sich besser, aber noch nicht gut genug. Die Zigarette würde nicht helfen, jedoch war es Routine nach derlei Träumen das fiktiv Erlebte zu verdauen und Routine zwang, solang sie nicht gebrochen wurde. Fieberträume. Die Schweißperlen tropften an ihm herab, die Kleidung fühle sich feucht an wie Augusts Uniform. Das leise Wimmern des Salarianers war das einzige was Octavian im Dunkeln hörte, passende Hintergrundmusik für seinen Versuch etwas ruhigen Schlaf zu finden.

    05:10
    Geändert von Octavian Visconti (14.02.2011 um 23:54 Uhr)

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    Citadel: C-Sec
    8:30

    „Visconti, aufwachen!“

    Die turianische Wache rüttelte ihn etwas, stieß ihn dann aber fester. Er hörte von jenseits der Dunkelheit die Stimme, aber wollte nicht darauf reagieren. Stattdessen umklammerte er den Polster fest mit seinen beiden Armen, ließ seinen Kopf darauf ruhen um noch ein paar Sekunden die Augen geschlossen zu halten. Er hatte schon lange nicht mehr so gut geschlafen, was merkwürdig klang, war doch eine Arrestzelle alles andere als der ideale Platz um Erholung zu finden und sich zu regenerieren. Aber die wenigen Stunden nach dem Albtraum, den man wohl besser als billigen Trick seines Unterbewusstseins bezeichnete musste, eine erzwungene Metapher für seinen Alkoholkonsum vielleicht oder ein Schandmal als Symbol für den Untergang der Kolonien und von Corefield Design – wer wusste es schon, jedenfalls kam der ruhige, kindliche Schlaf einer Erlösung für Octavian gleich. Die ständigen schlechten Träume seit der Diagnose von Vaters dahinzerrender Krankheit und seiner anschließenden Ermordung hatten ihm keine ruhige Nacht beschert. Träume wie der vorangegangene waren der Alltag, und es gab keine Ausnahme. Sobald er die Augen schloss, suchten sie ihn unweigerlich heim. Er hatte über mancherlei absurdes, skurriles und bizarres geträumt, aber genauso gut Träume gehabt, die real anfingen, die sich aber in einem Moment um hundertachtzig Grad drehten, und für die Octavian betete, dass sie nie real werden würden. Alle aber hatten eines gemein: Sie fühlten sich für Octavians Geschmack zu wirklich an. Er wollte weder von preußischen Kolonisten noch von seiner toten Mutter träumen, er wollte kein Superbösewicht sein und schon gar kein geisteskranker Kobold, der stundenlang lachend um seinen Topf Gold läuft. Es war ihm einerlei ob er in Shepards Schuhen steckte oder als Vietcong, der US-Soldaten im Urwald bekämpfte. Jeder Traum war eine Lüge und Octavian mochte es nicht angelogen zu werden.

    Mit einer Hand packte die Wache Octavian am Arm und wälzte ihn auf die andere Seite, nur um ihm mit einem Ruck unsanft aus dem Bett zu katapultieren. „Aufstehen, habe ich gesagt“, murmelte der Turianer und ging dabei scheinbar mit Octavian noch gemütlich um, wie der kürzlich Festgenommene merkte, als die Wache den Salarianer, nach einem knapp gesprochenen Befehl, brutal aus dem Bett beförderte und ihm anschließend einen Stoß mit dem Kolben seines Gewehrs verpasste. „Schlafmützen“, kam es aus dem Mund des Turianers ungünstig gespien, „euer Frühstück wartet auf euch.“ Zumindest etwas Service boten sie in den Arrestzellen, aber gewiss musste man auch für den Service eines persönlichen Weckers extra zahlen. Schleppend und noch mit müden Knochen im Körper richtete sich Octavian auf, trat anschließend an die sanitäre Anlage in der Arrestzelle und klatschte sich das erfrischende, aber ebenso kalte Wasser ins Gesicht. Er beäugte sich einen Moment lang im Spiegel – die Augenringen fabrizierten einen Eindruck als würde es sich bei Octavian um einen Zombie handeln, und die einzige Lösung für ihn dieses Maske von sich zu lösen, war die klassische ‚Gute Morgen‘-Zigarette. Er inhalierte den Rauch, warf dem Gefängnisfraß einen argwöhnischen Blick zu, als der Salarianer sich über das zusammen gemischte ‚Etwas‘ hermachte, und spürte dabei wie der Rauch sich durch das Karies durchmogelte, das sich auf seinen Zähnen seit gestern gebildet hatte. Es war ein unangenehmes Gefühl, aber mittlerweile genauso vertrautes, den ungeputzte Zähne waren in den letzten Octavian eine zwingende Nebenerscheinung wie es schien. Und wenn er sich mit der Zahnbürste über sie hermachte, dann nur grob und fahrlässig. Sie erschienen dennoch weiß genug um nicht direkt zum Zahnarzt zu rennen um eine Bleichung der Zähne zu betragen oder gar schlimmeres, eine Wurzelbehandlung. Sicherlich gab es mittlerweile moderne Methoden um sich um seine Zähne zu kümmern, aber sein Vater hatte ihm gelernt, dass – wenn es um den Körper ging – man am besten nur sich selbst vertrauen sollte, keinem technischen Schnickschnack und schon gar keinen Medikamenten. Das Denken des Vaters war ein Relikt in Octavians Handlungsweisen, dass – wenn überhaupt – nur langsam verschwinden würde. Er hatte versucht sich von ihm abzukapseln, aber Lebenslektionen und Ratschläge hatten sich tief eingebrannt in jenen Situationen, in denen Octavian für sie am empfänglichsten war. So überlebten Traditionen und so vegetierte zumindest ein Teil von Julius Leben weiter dahin, auch wenn der Ursprung und Quell schon verbrannt war. Octavian lächelte in den Spiegel, schüttelte dabei unglaubwürdig den Kopf und konnte es nicht ganz wahrhaben, dass die ersten seiner Gedanken an diesem Morgen seinem Vater gedacht waren. Vielleicht war das auch gut so. Er nahm einen letzten Zug der Zigarette und warf sie anschließend in das Abflussrohr; das Frühstück, das auf ihn wartete, war nicht einladend. Es war ein einfacher Brei, dabei viel zu wässrig und damit schon mehr als Suppe durchgehend, zusammen gemischt mit einfachsten und billigsten Zutaten. Keine Spur von salarianischen, gen-manipulierten Früchten, Gewürzen oder Gemüse, kein legendärer Tiroler Speck, kein Maklovensaft von turianischen Feldern und schon gar keine morgendliche Ausgabe der Citadel Times; und zudem kaum noch Zigaretten in der Packung. Octavian lebte relativ bescheiden, aber er hatte gewisse Luxusgüter, die ihm wichtig waren. Und als er gestern Morgen ankam, hatte er sicherlich nicht damit gerechnet heute Brei essen zu müssen. Das Leben und alles was damit verbunden war; verabscheue es oder ignorier es, man kann es nicht mögen, meinte einst dauerdepressiver Roboter in einer der beliebtesten Geschichten der Menschheit, die insbesondere unter Salarianer, aufgrund ihres bizarren, verschachtelten und hintergründigen Humor großen Anklang fand.

    Octavian stocherte etwas im Brei herum, während er auf der Pritsche saß und fühlte wie sein Hunger immer mehr verschwand, je mehr er die verschiedenen Zutaten machte.
    „Holt dich nun Sisala ab?“, fragte Octavian den Salarianer, der gerade sein Mahl beendet hatte und hungrig einen Blick auf Octavians Essen warf. Er bemerkte dies und reichte es dem Red Sand-Süchtigen; typische Entzugserscheinungen bei einigen Süchtigen – sie konnten essen und immer mehr essen, sie wurden nicht satt; Kompensationsverhalten um die ‚Leere‘ der Droge zu kaschieren.
    „Ich weiß es nicht, ich hoffe es. Irgendjemand muss meine Kaution bezahlen und – naja“, kam es dem Salarianer heraus, zuvor hatte er bereits drei Löffelladungen des Breis verschlungen hatte. „Du schnarchst ziemlich laut.“
    „Tut mir Leid.“
    „Ich hätte sowieso nicht schlafen können. Das frisst von mich ihnen auf!“
    „Und deshalb stopfst du den Brei in dich hinein?“
    „Nein, ich bin nicht einmal hungrig. Ich will nur die Zeit schneller verstreichen lassen, mich mit etwas beschäftigen.“
    „Dann solltest du langsamer essen.“
    „Du bist ein ziemlicher Klugscheißer, das hat man dir schon einmal gesagt, ja?“
    „Familienangewohnheit.“
    „Hm – vielleicht.“ Der Salarianer legte den Löffel beiseite, seine Backen plusterten sich auf jene eines Hamsters, ehe er den Fraß hinunterwürgte: „Sisala geht mir nicht aus dem Kopf. Sobald ich die Augen geschlossen hatte, sah ich sie. Deshalb konnte ich nicht schlafen. Ich werde so beschämt sein wenn ich ihr gegenüber trete, und sie um Verzeihung betteln muss – wenn sie es überhaupt erlaubt. Ist es närrisch dass ein Salarianer sich in eine Asari verliebt; der Altersunterschied, der Rassenunterschied, und ich – so viele Hürden.“
    „Es ist bestimmt nicht gesund, aber wann ist es das schon?“
    „Was bedeuten soll?“
    „Amour Fou. Den Rest kann ich dir nicht beantworten.“ Octavian blickte durch den Salarianer in diesem Moment hindurch, der ihn fragend anstarrte und wohl gerade versuchte die zwei letzten gemurmelten Worte von Octavian einzuordnen, und sah an der Wand hinter dem Salarianer für einen Augenblick das Antlitz von Jacqueline. Das wehende, rot-braune Haar, das einsame Muntermahl auf ihrer Stirn, die hellbraunen Augen, die Octavian jedes Mal durchdrangen, das zynische Lächeln, weich geformte Arme und zarte Hände, lange, himmlische Beine, ein Pinsel in einer der Hand, Farbe vom Malen auf ihrem BH, unter dem die kleinen, perfekt geformten Brüste sich verbargen, nahezu komplett verbergend von einem Hemd, das Octavian am Vortag trug, und die liebreizende Versuchung, dass all dies ein glückliches Ende nehmen würde. Amour Fou. Systematisch in die Vergessenheit verdrängt, aber manches brennt sich ein, sodass man sich nicht davon trennen kann.

    „Visconti!“ Die Wache kam um die Ecke und öffnete die Zellentür. „Zeit für die Hinrichtung.“ Der Turianer lachte, vermutlich um sich über die Trübsinnigkeit seines Lebens hinweg zu helfen, aber es war ein ziemlicher schlechter, und reichlich makabrer, Witz. Dennoch hatte es auf Octavian den Eindruck einer Exekution, als er das Sturmgewehr in der Hand des Turianers musterte und wenig darauf die zweite Wache, ebenfalls bewaffnet, sich zur Eskorte meldete. Er reichte dem Salarianer zum Abschied die Hand und wünschte ihm viel Glück; der Salarianer nahm es dankend an.
    Octavian wurden die Handschellen wieder umgelegt und ein salarianischer C-Sec Beamte holte Octavians Gegenstände aus einem der zahlreichen Schränke. Zusammen mit der bewaffneten, asarischen Eskorte und dem Salarianer als Gepäckträger verließ er die Arrestzellen, ungewiss ob er nun in einen anderen Zellenkomplex verlagert wurde oder freigelassen wurde. Weder noch schien es fürs Erste. Einer der Verwaltungsetagen wurde ausgewählt, ein höheres Tier wollte wohl mit ihm sprechen. Vielleicht um sich bei ihm einzuschleimen, eine Tracht Prügel anzudrohen weil er eine Journalistin verletzt hatte, Kaution einzufordern oder Erpressungsgeld zu kassieren, vielleicht hatte jemand ein gutes Wort eingelegt, oder jemand wollte einen Gefallen von Julius Visconti endlich einlösen, auch wenn dieser tot war. Um die Umstände interessierte sich Octavian nicht sonderlich, und um ein hohles Wort wie Freiheit scherte er sich auch nicht, war er doch sowieso ein Gefangener seiner Suche nach Vergeltung und den Hintergründen hinter Vaters Mord, wollte Corefield retten und sich gegenüber der Welt für einen kurzen Moment lang abschotten. So gesehen ging alles Hand in Hand und ob er nun rechts oder links gehen würde, änderte den Zielort nicht. Sie verließen übrigens den Lift zur rechten Seite.
    Ein paar C-Sec Beamte fingen gerade ihre Schicht an und Octavians Körper hielt dem Druck ihrer Blicke Stand. Er fühlte sich nicht mehr krank, wohl aber unwohl während die prüfenden Ermittler ihn von Scheitel bis Sohle musterten und innerlich wohl Wetten abschlossen, wieso er zu Lieutenant Tetans Büro unterwegs war, dem stellvertretenden Captain in diversen Revieren der Citadel, glücklicherweise auch der Bezirke.
    Der Gepäckträger setzte sich noch leicht schlaftrunken auf einen der Wartestühle, die Asari meldete sich durch das Intercom bei Tetan, der daraufhin die Tür öffnete und Octavian hereinbat. Die Asari wollte folgen, wurde aber durch einen Handwink von Tetan vom Betreten gehindert und wartete stattdessen besorgt und verdattert draußen, wie Octavian ihre Reaktion zumindest einschätzte.
    „Octavian“, nuschelte der Lieutenant, erhob sich aber nicht und gebot Octavian sich zu setzen. Die Handschellen trug er immer noch und Tetan machte keine Anstalten sie von ihm zu nehmen. „Mein Beileid.“
    „Danke, Lantar.“
    „Natürlich. Kann ich dir etwas anbieten?“
    „Einen Tee?“
    „Sicher, ich habe aber nur grünen Tee hier, was auch immer das ist. Mein Sekretär hat ihn gekauft und mir gesagt, die Marke wäre beliebt. Also wenn er nicht schmeckt, ist es nicht meine Schuld.“
    „Grüner Tee ist gut.“ Tetan setzte etwas Wasser auf und wenige Sekunden später bereits war das Wasser fertig gekocht. Er holte aus einer Schublade einen grünen Tee heraus sowie eine turianische Marke, deren Namen Octavian aus der Entfernung nicht lesen konnte. „Drei Löffel Zucker bitte.“
    „Ganz ein Süßer, hm?“ scherzte Tetan.
    „Eher nicht, sonst würde ich nicht so viel Zucker benötigen. Nette Arrestzellen habt ihr hier.“ Octavian nahm mit den Handschellen um seine Handgelenke den Tee hingehen. Nicht gerade komfortabel, aber diese Schwierigkeit nahm Octavian gerne in Kauf um etwas Tee trinken zu können.
    „Haben sie dich also gut behandelt?“
    „Mich schon, meinen Zellenkameraden eher weniger.“
    „Tz. Ich kann nicht jede Wache abstrafen für ihr Verhalten, wir sind sowieso schon zu wenig Leute derzeit auf der Citadel.“ Der Tee schmeckte gut. Tetan drehte sich in seinem Stuhl, hielt mit einer Hand die Tasse und ließ den Untersatz auf dem Tisch stehen; er nahm genüsslich den ersten Schluck, wohl stand ihm ein langer Tag bevor.
    „So – ich kann dir sagen, du hast dir keinen guten Detective als Wachhund ausgesucht. Er hat mich drei Mal angerufen, damit alles in Ordnung geht. Und er ist verbissen an dem Fall dran; könnte vielleicht die Beförderung für ihn bedeuten. Einer meiner besten Leuten, was heutzutage aber leider auch nicht mehr unbedingt schwierig ist.“ Tetan schüttelte mit dem Kopf, nahm einen weiteren Schluck und rieb sich dann seine Hörner. „Gerade diese neuen Menschenrekruten machen mir das Leben teilweise schwer. Wilson, Schneider, Richter, Xiun – liegt das in euren menschlichen Genen ausgerechnet mir das Leben das schwer zu machen?“
    „Sie meinen sicherlich nur das Beste, genauso wie der turianische Detective. Ich kenne seinen Namen immer noch nicht.“
    „Hanibahl. Ist eigentlich ein turianischer Frauenname, hat aber dafür mehr Eier als ein Kroganer, wie es mir scheint. Quasi die halbe Belegschaft der C-Sec ist ihm was schuldig, weil er ihnen in einem Einsatz das Leben gerettet hat und die andere Hälfte fürchtet sich vor ihm weil er jeden korrupten Polizisten ans Messer liefert. Erinnert mich an mich. Aber er ist zu verbissen.“
    „Aha.“
    „Damit wir uns verstehen, Octavian. Ich decke Hanibahl zu hundert Prozent. Er ist einer meiner besten Detectives, und wenn ihm etwas passiert, bist du der Erste, an den ich denken werde. Aber genauso viel liegt mir daran, dass Hanibahl keinen Hirngespinsten hinterher jagt. Ich will eine C-Sec die funktioniert, und nicht wie ein paranoider Elefant durch die Citadel durch stolpert.“
    „Ich hafte für seine Sicherheit? So wie sich der Detective verhält, klingt es für mich sicherer wenn ich einfach die nächsten Tage in der Arrestzelle bleibe.“
    „Mitnichten. Sein Instinkt ist zwar – auch wenn er es nicht gern hört – verbesserungswürdig, aber überleben kann er. Und außerdem, behalten wir dich nicht hier. Terasy hat keine Anzeige eingereicht und für schwere Körperverletzung sind die Wunden zu leicht. Dementsprechend gibt es ein Strafgeld zu zahlen – was sich wohl um die 5 bis 10.000 Credits belaufen dürfte, und du bist wieder frei.“ Octavian lief ein Schauer über den Rücken; Terasy wollte ihn nicht aus dem Weg ziehen, andernfalls hätte sie ihn bis zur erfolgreichen Firmenübernahme der D’sornis im Gefängnis rotten lassen, sie wollte ihn in der Freiheit wissen, was unweigerlich bedeutete, dass sie noch mehr vor hatte, vielleicht gar dass sie ihn zerstören wollte und nicht nur ihn zu demütigen gedachte. Die Gesichtszüge verengten sich, zogen zusammen, ließen die Gesichtsknochen erkennen – aber Octavian bebte nicht. Er war dieses Mal nicht einmal wütend, stattdessen war er kontrolliert genug um Tetan weiterhin anschauen zu können. Danke für die Information; somit war Octavian erneut ein wenig klüger – oder auch nicht, und es bot sich ihm die Gelegenheit Vulvia noch ein wenig besser zu verstehen, ihre Intentionen zu verstehen. Dass sie eine Marionette war, war ihm schon lange bewusst. Unklar war aber ihre Aufgabe. Ging es um Octavian oder um Corefield, ging es um seine Brüder, den Vater, oder um den Pulitzerpreis oder das asarische Pendant davon? War es pure Unterhaltung in ihrem obwohl journalistischem, jedoch sonst so ereignislosem Leben oder diente es einem höheren Zweck, wie der Liebe zu Nadava. Ging es um das Recht für quarianische Arbeitnehmer oder wollte sie nur für ein paar Schlagzeilen sorgen? War alles erlogen oder entsprach es der Wahrheit. Octavian schloss die Augen für einen Moment, ging in sich. Tetan beäugte ihn misstrauisch, schlürfte aus seiner Tasse den letzten Schluck. Die Antwort kam langsam: Es ging um Vulvia selbst; müde davon nur zu dienen und nicht selbst entscheiden zu können, gelangweilt von der Citadel und von Ilium, geleitet von den Chefs der Nachrichtensender oder von Nadava, von und für irgendjemanden. Vulvia hatte gerade erst ihre jungfräuliche Phase beendet, und wenn man Vulvias Aktion mit der gängigen Umwälzung in der asarischen Psyche kombinierte, war das Bild ein klares. Ein Sklave wollte sein eigener Herr werden; die älteste aller Geschichten. Die letzte Zigarette wurde aus der Packung gefingert, aus dem verschlissenen und muffeligem Hemd wurde das Feuerzeug hervor geholt, und genüsslich der erste Rauch eingeatmet. Octavian fragte gar nicht erst um Erlaubnis, ein paar Credits mehr Strafgeld würden ihn auch nicht in den Bankrott führen; Tetan schien sich aber darum sowieso nicht zu kümmern. Ein erster Schritt war getan; auch wenn Octavians gerade festgestellte These nicht der Wahrheit entsprechen musste, so war es eine Möglichkeit, die er nutzen konnte – jetzt oder irgendwann einmal.
    „Wichtige Gedanken, hm?“
    „Erkenntnisse.“
    „Meinetwegen.“ Tetan reichte Octavian ein Komm. „Soll dich jemand abholen?“
    „Komfortabel.“ Octavian legte die Zigarette auf den Untersatz seiner Tee-Tasse und wählte Sejans Nummer. Dabei war das Gespräch mehr selbst ablaufend, simple Worte, die er tausend Mal aussprach und deshalb auch keiner Erwähnung wert waren. Nach getanem Anruf und der Meldung, dass Sejan in zwanzig Minuten, dort sein würde, nahm er erneut die Zigarette.
    „Keine Sorge, Lantar, ich werde Hanibahl schon keine Schwierigkeiten bereiten, schließlich kooperiere ich mit der C-Sec. Ich stelle mich nicht übers Gesetz. Der Vorfall mit Terasy ist leider höchst unglücklich. Ich gebe zu, ich habe mich-“
    „Erspar es mir bitte. Ich bin nicht dein Richter, und schon gar nicht dein Henker, und ich serviere dir auch nicht dein letztes Mahl hier. Ich weiß, wo meine Kompetenzen liegen und was meine Leute tun müssen um die Citadel sicher zu halten; ich lebe nicht in einer Traumwelt, aber deshalb erhöh ich nicht einfach willkürlich meine Rechte und Pflichten, und wenn meine Leute Mist bauen, müssen sie dafür gerade stehen. Und solange du nach den Regeln spielst – um das festzuhalten - ist alles in Ordnung.“ Octavian nickte zustimmend und er fand Tetans Worte beurhigend. Zumindest bedeutete dies, dass Hanibahl keine Narrenfreiheit besaß. Der kurze Gefängnisaufenthalt war es wohl doch wert. „Aber ich will nicht sagen, Terasy hätte es nicht verdient. Einen Bericht zu senden am Tage der Verbrennung, aufgenommen vor dem Krematorium. Die Quarianer im Bericht hatten keinen Schimmer, was sie eigentlich taten.“
    „Verdient habe ich es aber trotzdem, richtig?“
    „Richtig. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss dem Strike-Team mal wieder die Leviten lesen. Sie führen sich auf als wären sie der turianische Gott des Krieges höchstpersönlich.“
    „Natürlich.“ Octavian erhob sich, die Tür hinter ihm wurde durch einen Klick von Tetan auf sein Terminal geöffnet.
    „Und Visconti“, Octavian drehte sich im Gehen noch einmal herum, „nochmal mein herzlichstes Beileid zum Verlust.“
    „Danke.“

    Draußen vor Tetans Büro bekam Octavian die Handschellen von seinen Armen gelöst und seine Kleidung und Gegenstände zurück, bis auf seine weißen Handschuhe, die wurden wohl als Beweisstück behalten. Der Salarianer verschwand gähnend, während die Asari ihn noch nach unten begleitete. Octavian sah auf seinem Weg zum Ausgang, nichts Erinnerungswürdiges und somit endete sein nächtlicher Aufenthalt relativ unspektakulär. Die Asari überreichte ihm anschließend noch seinen Schlagstock, warf ihm einen drohenden Blick zu und verschwand. Octavian interpretierte es, als solle er lieber sich selbst mit dem Stock verprügeln als eine ihrer Artgenossen. Er kontrollierte kurz, ob all seine Utensilien bei ihm waren, warf einen flüchtigen Blick ins Portemonnaie und holte seine Karte heraus. Er entschied dazu bei der gegenüber liegenden Trafik auf Sejan zu warten, kaufte sich auch eine Packung Zigaretten, zwanzig Stück, und bestellte nach dem er die erste Zigarette sich anzündete auch noch ein Croissant, dass er auf der Fahrt verspeisen würde und das vermutlich schon lange abgelaufen war. Er studierte etwas die Schlagzeilen der Zeitungen, keine Meldung über den Bericht. Aus dem Nachrichtenterminal kam die Meldung eines Anschlags vor der Botschaft, ein Reporter war vor Ort und musste sich selbst eingestehen, dass er nicht recht wusste was vor sich ging. Eine Bombe also. Octavian rümpfte etwas angewidert die Nase und dachte sich, ob es den in diesen früheren Morgenstunden wirklich die ideale Zeit für einen Terroranschlag wäre. Aber sicherlich dachten sich die Verantwortlichen etwas dabei. Eine Zeugin wurde interviewt, ihre strahlend blauen Augen glänzten im Kameralicht, sie schluchzte, wedelte mit ihren Händen Luft entgegen und konnte es nicht fassen, was gerade passiert war. So war Politik nun mal, dachte sich Octavian, als ein Hupen ihm signalisierte, dass Sejan hier war. Mit seinem Mantel über den Arm gestülpt, kam er Sejan näher. Dieser schien ebenfalls aufgelöst zu sein, wohl kaum wegen der Explosion sondern viel mehr aufgrund Octavians unfreiwilligem Aufenthalt im Gefängnis.
    „Herr“, sprach er ihn an, „geht es Ihnen gut? Hat man Sie auch gut behandelt?“
    „Natürlich.“ Ohne weiteres Zögern stieg Octavian ein, war froh endlich die C-Sec verlassen zu können.
    „Bitte sagen Sie mir nicht, dass Sie jetzt auch noch am Durchdrehen sind. Zuerst ihr Vater…“ Sejan realisierte im selben Moment was er gerade gesagt hatte. „Verzeihung.“
    „Wohin?“
    „Corefield.“

    >>> Citadel: Industriegebiete

  4. #124
    ME FRPG only Avatar von Kate Devereaux
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    <----- Die Citadel: Zivile Andockbuchten

    Die Citadel: C-Sec

    Das Shuttle landete ohne Zwischenfälle auf dem C-Sec Gelände und Kate wurde in das Gebäude geführt. Nachdem man ihr sämtliche Gerätschaften, die sie noch bei sich geführt hatte, darunter auch das Datapad von Aric Agapios, abgenommen hatte, wurde sie fachgerecht abgelichtet. Man überprüfte nochmals ihre Identität. Währenddessen schien jedoch niemand darauf erpicht zu sein, auch nur irgendeine ihrer Fragen zu beantworten, sondern sie wurden alle geflissentlich übergangen. Die einzigen Kommentare, die Kate abbekam, waren Anweisungen, was sie als nächstes zu tun hatte. Nachdem die Aufnahmeprüfung, wie einer der Officer die gesamte Prozedur nannte, überstanden war, wurde sie in eine temporäre Zelle gesteckt. Immerhin war diese so komfortabel wie ein spärlich ausgestattetes Wohnzimmer. Doch aufgrund der abgeschlossenen Glastür, dem Fehlen eines Terminals sowie einer offensichtlichen Überwachungskamera war trotzdem ein gewisses und vor allem unangenehmes Gefängnis-Flair vorhanden.

    Die Biotikerin ließ sich seufzend auf der kleinen Couch, die schon bessere Zeiten gesehen hatte, nieder und versuchte ihre gesamte Situation gedanklich zu ordnen. Fakt war, dass sie noch immer nicht wusste, warum genau sie festgenommen wurde. Ebenso sicher war auch, dass sie keine Chance zum Ausbrechen hatte. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen, dass alles auf einem großen Missverständnis beruhte. Doch die Wartezeit war das Schlimmste von allem, da sie viel Zeit zum Nachdenken hatte. Vornehmlich versuchte sie sich natürlich daran zu erinnern, was sie angestellt haben könnte, aber ihre Gedanken drifteten immer wieder zu ihren Eltern ab. Diese waren ihre Ausweichmöglichkeit, ihre Notoption.
    Kate würde angeben, dass sie daheim bei ihren Eltern wohnte und derzeit auf Arbeitssuche war. Somit waren auch die Reisen zwischen der Citadel und anderen Orten erklärt. Da es ihren Eltern nachweislich nicht an Geld mangelte, war diese Lüge auch glaubhaft. Doch was würde geschehen, wenn jemand ihre Eltern kontaktierte? Sie war zwar sicher, dass weder ihre Mutter noch ihr Vater sie auffliegen lassen würden. Aber was, wenn die beiden herkämen, um ihre Tochter abzuholen? Was würde sie dann machen? Natürlich konnten ihre Eltern sie nicht mehr festhalten. Sie war – im Gegensatz zu der Zeit, als sie von daheim geflohen war – volljährig und durch die Biotik verfügte sie auch über eine physische Kraft, die bestimmt weit über das Vorstellungsvermögen ihrer Eltern hinaus ging. Eine Tür oder eine Mauer, selbst Fesseln waren kein Hindernis für eine geübte Biotikerin, wie sie es war.

    Auf der anderen Seite blieb die Frage, wie Kate es selbst wegstecken würde. Wie würde es ihr ergehen, wenn sie ihre Eltern und vor allem ihre Schwester wieder traf? Würde sie Ellen ein weiteres Mal zurücklassen können? Würde sie überhaupt nochmals von ihrer Schwester weg wollen? Möglicherweise hatten sich sogar ihre Eltern mit der Zeit geändert und würden akzeptieren, was aus ihr geworden ist. Vielleicht würden sie ihr beistehen, ihr helfen, ein normales Leben zu führen. Doch wie würden sie reagieren, wenn sie von Kates Taten in den Terminus-Systemen, den Verbrechen und von den vielen rücksichtslosen Tötungen, erfuhren? Konnte sie so überhaupt ein normales Leben führen oder würde ihre Vergangenheit dann für sie selbst eine zu große Belastung?
    Aus momentaner Sicht kam es ihr der Gedanke daran absolut unvorstellbar vor. Vielleicht wäre es ein ruhiges und entspanntes Leben, ein Leben mit Freunden und Familie. Aber ein Leben, für das sie nicht geschaffen war, für das sie sich nicht berufen fühlte, eine Verschwendung ihres Potentials. Es war echt zum Haareausraufen.
    Doch warum hatte sie solche Angst davor, dass ihre Eltern von ihrem momentanen Aufenthaltsort erfuhren? Sie könnte einfach erneut ihre Familie hinter sich lassen, selbst mit Ellen konnte sie sich bestimmt arrangieren, denn im Gegensatz zu Lucie und John konnte man mit ihr vernünftig reden und vielleicht würde sie ihre große Schwester auch verstehen.
    Kam die Angst möglicherweise daher, dass ihr ein normales und gesittetes Leben gefallen könnte? Ein planbares Leben, mit Urlaub an Sandstränden, Ausflügen in Naturparks, Partys mit Freunden, durchzechten Nächten in Clubs, ganz ohne befürchten zu müssen, dass ihr jeden Moment irgendwer ein Messer in den Rücken jagen konnte. Kein Stress, kein Ärger, keine Sorgen. War es trotz aller bewussten Abneigung so verlockend?

    Das elektrische Summen des Schlosses in der Glastür riss Kate aus ihren Gedanken. Sie setzte sich auf, dankbar dafür, dass sie sich zumindest im Moment nicht weiter damit beschäftigen musste. Ein Mann mit bereits ergrautem Haar und zivil mit einem Anzug bekleidet betrat ihre Zelle. Hinter ihm wurde die Türe von einer Wache wieder sorgfältig geschlossen. Ihr Besucher hatte eine schmale schwarze Ledermappe unter dem Arm, die er auf dem kleinen Tischchen, das vor der Couch stand, deponierte. Anschließend reichte er Kate die Hand. Sie stand auf und nur um nicht gleich negativ aufzufallen ergriff sie die angebotene Hand zum Gruß.
    „Miss Devereaux, ich heiße Dr. Eduard Aldrin und bin für Ihre Rechtsvertretung zuständig, solange Sie keinen eigenen Anwalt konsultieren.“, stellte er sich vor, bevor er sich auf dem Hocker ihr gegenüber niederließ und die Mappe zu sich zog. Jede seiner Bewegungen wurde mit einer Präzision durchgeführt, die man von einem mindestens seit vier Jahrzehnten tätigen Juristen erwarten konnte. ‚Dr. Edi: Bestimmt schon mit Doktortitel geboren.‘, ging es Kate durch den Kopf, als sie sich ebenfalls setzte, doch sie ließ sich ihren Zynismus – oder konnte man es schon als Galgenhumor bezeichnen – vorerst nicht anmerken.
    „Bitte“, erwiderte sie, konnte sich dann eine kleine Spitze doch nicht verkneifen. „Ich habe im Moment sowieso nichts Besseres zu tun.“ Dr. Edi lächelte höflich. Allerdings blieben seine Augen trotz des Lächelns humorlos und er schien recht unbeeindruckt zu sein. Er klappte seine Mappe auf und blätterte kurz in den Dokumenten, bis er einen Absatz gefunden hatte, der ihm wohl gefiel.

    „Es wird Ihnen vorgeworfen, dass Sie am sechsten April 2184 um ca. elf Uhr morgens tätlich durch Einsatz von Biotik gegen den salarianischen Händler Mock vorgegangen sind. Dabei haben Sie ihm zwei Knochen gebrochen. Als seine Leibwache Sie aufhalten versuchte, sind Sie ebenfalls gegen diese vorgegangen, haben zuerst zwei Personen mithilfe Ihrer Biotik gegen eine Wand geschleudert und auf einen weiteren Leibwächter geschossen. Dieser ist noch am Tatort seinen Verletzungen erlegen. Bei der anschließenden Flucht haben Sie sich einer Festnahme durch einen turianischen Detective der Citadel Security widersetzt. Aufgrund des durch Ihnen verursachten Schusswechsels konnten sie von ihm weder identifiziert noch weiterverfolgt werden.“, erklärte der Jurist Kate, die seinen Aussagen mit wachsendem Erstaunen folgte. ‚So war das aber nicht!‘ Sie wollte dem Doktor diese Tatsache soeben an den Kopf werfen, als er fortfuhr.
    „Mister Mock verlor kurzzeitig sein Bewusstsein und erhob Anklage gegen Sie, als er wieder zu sich kam. Ihre Identität wurde durch eine Gewebeprobe bestimmt und mit einer Beschreibung Ihrer Person durch den Detective bestätigt.“ Er stoppte und sah von dem Dokument zu Kate auf. „Stimmen Sie dem zu?“

    „Nein!“, erwiderte Kate und entschloss sich dazu, die Wahrheit zu sagen. „Ich habe den Salarianer, Mock, biotisch ein wenig zurückgeschleudert und anschließend auch seine Schießhunde.“ Bei dem Ausdruck verzog Aldrin ein wenig sein Gesicht, meinte aber nichts dazu. „Allerdings hat er mich belästigt, wollte mir unbedingt etwas andrehen und hat mich auch festgehalten. Und als kleine Draufgabe wollten seine Leibwächter auf mich schießen.“
    „Warum sind Sie dann geflüchtet, wenn Sie unschuldig sind? Ihre Reaktion war ja laut Ihren Worten reine Notwehr.“
    „Weil ich von dem Typen weg wollte.“
    „Und Sie haben es nicht als wichtig genug empfunden, den Vorfall bei der C-Sec zu melden. Vor allem, da sie so oder so direkt an einem Detective vorbeigekommen waren.“
    Das war tatsächlich ein gutes Argument, doch auch hier wusste Kate eine passende Antwort. „Ich hatte Schüsse gehört und wollte nur noch Weg. Den Detective habe ich gar nicht wirklich wahrgenommen.“
    „Nun gut“, meinte der Jurist daraufhin. „Jedoch steht Ihre Aussage allein gegen die mehrerer Personen. Ich sollte und werde mich zwar für Sie einsetzten, jedoch sieht die Situation nicht gut aus.“
    ‚Richtig toll!‘
    „Die Waffe!“, meinte Kate plötzlich. „Ich hatte eine Kessler III. Anhand des Projektils…“
    „Es gibt leider keine genauen Ergebnisse. Das Projektil könnte sowohl von einer Kessler, einer Striker, sowie auch von jeder anderen Waffe stammen.“
    So modern die Forensik auch war, ein Projektil in Sandkorngröße, welches mit Geschwindigkeiten, die in einem mehrstelligen Kilometer-pro-Sekunde Bereich gingen, war nicht mehr sehr aussagekräftig. Die Reibungskräfte beim Einschlag und die dadurch freiwerdende Energie vernichtete so ziemlich jede Aussagekraft.
    „Miss Devereaux“, sprach Aldrin nach einer Gedenkpause weiter. „Ihre Personalakte ist interessanterweise recht dürftig, wenn ich das so sagen darf. Ich würde von Ihnen noch einige Informationen benötigen.“
    Die Biotikerin unterdrückte den Impuls, scharf einzuatmen, um sich in dieser Hinsicht keinesfalls zu verraten. Es war die Frage, vor der sie sich am allermeisten gefürchtet hatte.
    „Ja?“
    „Können Sie mir bitte Ihren aktuellen Wohnort nennen.“
    „Ich wohne bei meinen Eltern.“, antwortete sie, wobei ihr Herz stark zu klopfen anfing. „Villa Devereaux, N2 La Pointe-Noire, Basse-Terre.“
    „Auf der Erde?“
    „Auf den Antillen.“ Der Mann zog kurz die Augenbrauen hoch, notierte sich dann die Adresse. Scheinbar war ihm doch eingefallen, dass die Antillen eine Inselgruppe auf der Erde war.
    „Haben Sie einen Nebenwohnsitz?“
    „Zählt diese Zelle?“, entgegnete Kate etwas bissiger, was sie sofort bereute, als er von seiner Mappe wenig erfreut aufsah. Manchmal konnte sie ihr Mundwerk nicht halten, egal wie kritisch die Situation war. „Also kein Nebenwohnsitz?“
    „Nein, keiner.“
    „Und ihre derzeitige Arbeitsstelle?“
    „Ich bin auf Arbeitssuche.“
    „Mhm. Sie sind zur Citadel gereist, weil…?“
    „Ich mich bei einer Firma vorstellen wollte.“
    „Der Name der Firma?“
    ‚Scheiße!‘ „Dürfen Sie das überhaupt fragen?“, erwiderte Kate und suchte fieberhaft nach einer passenden Antwort. Wenn sie keine fand, würde ihr gesamtes Konstrukt zusammenbrechen und auch ihre Glaubwürdigkeit wäre vollkommen aufgebraucht.
    „Haben Sie keine Antwort?“
    „Ich kenne den genauen Firmenwortlaut nicht.“, meinte sie und gewann so noch eine Sekunde Zeit. Im allerletzten Moment kam ihr eine Idee. „Sie entwickelt Software und ein Bekannter meines Vaters, Lev Iljin, der hier auf der Citadel lebt, wollte mir die Firma präsentieren und mich anschließend zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Ich bewerbe mich als Rezeptionisitin, falls Sie das auch noch wissen müssen.“
    Dem Gesichtsausdruck nach zu schließen, nahm Dr. Aldrin ihr die Erklärung ab und sie atmete innerlich auf. Jetzt galt es nur noch zu hoffen, dass niemand bei Lev oder bei ihren Eltern diesbezüglich nachfragte.
    „Danke. Das wäre vorerst alles. Ich muss jetzt weiter zu einem anderen Klienten. Wir sehen uns morgen vormittags, damit wir gemeinsam Ihre Verteidigung vorbereiten können.“
    Er stand auf und reichte Kate erneut die Hand. „Auf Wiedersehen, Miss Devereaux.“
    „Auf Wiedersehen.“

    Nachdem der Jurist aus der Zelle verschwunden war, ließ sie sich wieder auf die Couch fallen. ‚Verdammt! Dieser kleine Lügenbastard von einem Salarianer. Soll er doch zur Hölle fahren!‘

  5. #125
    Rookie Avatar von Nika Violet Duran
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    Die Citadel – Bezirke >>>>

    Die Citadel – C-Sec

    Kaum hatte Nika das lokale Departement der C-Sec betreten, fühlte sie sich vollkommen in ihre Rolle hineinversetzt und deutete schon jetzt ein siegessicheres Grinsen an. Es war sofort hör- und spürbar, dass die Behörde genau die war, die sowohl von den Andockbuchten als auch von den unteren Märkten den meisten Dreck und Abschaum zugeliefert bekam. Gab es doch nicht einen einzigen anwesenden Officer, der nicht so aussah als würde er bereits die dritte Schicht hintereinander schieben. Der wahrscheinlich undankbarste Job der Welt. Es blieb jedoch keine Zeit, Mitleid mit einem Haufen Alienfreunde zu haben, denn irgendwo in diesem Brutnest krimineller Energien und ‘Vor dem Gesetz sind Aliens und Menschen gleich!‘ befand sich eine unberührte, zarte, unschuldige, reine und vor allem attraktive Jungfrau, die nur darauf wartete, dass jemand sie aus den schartigen Klauen dieses finsteren Ortes befreite.
    Die Agentin wappnete sich geistig für diese Aufgabe und auch wenn mit ihren letzten Gedankengängen die Ernsthaftigkeit der Lage etwas durch den Dreck gezogen wurde, war sie sich schließlich doch schnell wieder der Bedeutsamkeit bewusst. Es war ein Auftrag von Cerberus, jenen, denen sie alles verdankte was sie konnte, wusste und wollte.

    Das erste was sich ihren Augen aufdrängte war eine ganze Anzahl von überfüllten Informationsschaltern. Lärmende Zivilisten drängten sich vor die dahinterstehenden Officers, um diese mit Fragen oder Anliegen, Beschwerden oder Vorwürfen zu überschütten. Der undankbarste Job der Welt. Entschloss Nika nun endgültig und entschied für sich, denn überarbeiteten Gesetzeshütern zumindest ein Stückchen Stress zu ersparen, in dem sie sich selber an einer der Anzeigetafeln darüber informierte, in welchem Stockwerk sie die Abteilung für Kriminaluntersuchungen finden würde.
    Ohne, dass jemand sie aufhielt, oder sich auch nur irgendwer dafür interessierte, was sie vorhatte, marschierte Nika an der Menge von Citadel-Bürgern und C-Sec Officers vorbei und zwängte sich, noch immer von niemandem beachtet, in einen der Aufzüge - zusammen mit einer kleinen Gruppe aus teils uniformiertern und teils zivil bekleideter Cops. Zumindest nahm sie an, dass es Cops waren, denn sie hielt die Wahrscheinlichkeit, dass zeitgleich und genau hier noch eine Untergrundorganisation jemanden in ein C-Sec Departement einschleuste für recht gering. Die Fahrt erwies sich zügig als ereignislos und bis Nika auf der Etage angekommen war, auf die sie musste, war der Aufzug schon fast leer.

    „Entschuldigen Sie bitte.“ Wandte sie sich umgehend an einen der Officers, kaum dass sie die Abteilung betreten hatte. Der Mann, der von den näheren Anwesenden noch am jüngsten und somit wohl auch am unerfahrensten war drehte sich ihr eiligst zu und senkte dabei das Datapad, mit welchem er zuvor beschäftigt gewesen war. Wäre Nika nicht in einer Auftragsmäßigen Sache unterwegs gewesen, hätte sie sich möglicherweise sogar dafür getadelt, dass sie sich absichtlich den Wehrlosesten herausgepickt hatte - dafür war nun aber weder Zeit noch Interesse vorhanden.
    „Ich muss mit dem Captain dieser Abteilung sprechen, könnten Sie mir sagen, wo ich ihn finde?“ Fragte sie, kaum dass sie seine Aufmerksamkeit hatte und noch bevor er eine Chance hatte, sie wegen irgendetwas anzufahren hob sie ihren Militärausweis vor seine Augen. Zusammen mit dieser Geste und dem direkten, wenn auch nicht unfreundlichen, Ton, den sie angeschlagen hatte, zeigte ihr Manöver Wirkung. Nachdem einen erstaunten Atemzug lang nur Stille zwischen den beiden herrschte, regte sich der junge Officer. „Also normalerweise ja in seinem Versteck, gleich da hinten.“ – Er stoppte kurz und deutete mit dem Finger in Richtung eines geschlossenen Büros. – „Aber er ist grad aufs Klo verschwunden, wenn ich das richtig gesehen habe.“ Diesmal war es ein entschuldigendes Schulterzucken, welches Nika beiläufig wahrnahm während sie ihren Ausweis wieder in ihre Hosentasche schob. „Und gibt es jemand anderen, an den ich mich wenden kann?“ Fragte sie sofort nach, verlor dabei aber nicht ihren neutralen Ton. „Also wenn es wirklich so dringend ist, dann reden sie am besten mit Detective Budd. Da drüben.“

    Auch die zweite Ortsangabe wurde mit dem Zeigefinger präzisiert, da Nika den gesuchten Detective aber nicht auf Anhieb ausmachen konnte, da er im Gegensatz zum Captain kein eigenes Büro hatte, bekam sie noch eine Beschreibung nachgeliefert. „Der der so aussieht als könnte er mal Urlaub vertragen.“
    Die Antwort der Agentin kam direkt und heiterer, als ihre vorherigen Sätze. „Mein Freund, für mich seht ihr hier alle so aus.“ Erklärte sie und legte dem Officer dabei kurz die Hand auf die Schulter. Nette Muskeln. „Danke sehr, ich denke ich habe ihn.“ Ließ sie nun wieder vollkommen nüchtern hören und nickte zur Bestätigung, bevor sie sich daran machte, sich zwischen Arbeitsplätzen hindurch zu der gesuchten Person durchkämpfte und das Namensschild an dem Tisch, vor welchem Nika letzten Endes zum Stillstand kam verkündete wirklich einen ‘Detective A. Budd‘

    Detective Budd erwies sich nicht nur als wesentlich älter als der Officer, was allerdings wohl mit seinem Rang einherging, sondern auch als wesentlich beschäftigter. Selbst nach dem Nika ihm zwangsweise den Ausweis zwischen die Nase und sein Holodisplay geschoben hatte, tippte er geschäftig weiter. Sie war schon kurz davor, das Display einfach abzuschalten und sich damit seine Aufmerksamkeit zu sichern, als er plötzlich aufhörte zu tippen, ein Dokument schloss, sich in seinem Stuhl zurücklehnte und zu ihr hochsah. „Entschuldigung, aber der Bericht war wichtig. Also was is‘ jetzt wieder los? Und setzen ‚se sich ruhig.“ Dann hakt der Geheimdienst den Cops also öfter mal einen Finger ab, das ist gut.
    Nika folgte der Aufforderung und steckte dabei wieder ihren Ausweis weg, um als nächstes einen Auszug aus der Personalakte Kate Devereaux‘ aus der weißen Ledermappe zu ziehen und diesen dem Detective zu präsentieren. „Sie haben diese Frau verhaftet.“ Begann die Agentin und legte in ihre nächsten Worte mehr Bedeutung. „Wir hätten gerne, dass sie wieder freigelassen wird.“ In den ersten Sekunden lag der Blick des Detective starr und ausdruckslos auf Nika, wanderte dann aber zu Devereaux‘ Akte. Mit einem leisen Murren beugte er sich dann wieder vor, gab ein „Schauen wir mal.“ von sich und überprüfte scheinbar das System nach der Französin.
    Die Zeit nutzte sie aus, um sich ebenfalls ein wenig zurück zu lehnen, um somit einen alles in allem entspannteren Eindruck zu machen. „Ja, die haben wir hier bei uns. Hat sogar schon einen Verteidiger zugewiesen bekommen.“ „Denn wird sie nicht brauchen.“ Fiel die Agentin dem Mann ins Wort, welcher ihr daraufhin sofort den Blick zu warf. In seinen Augen konnte Nika sehr eindeutig erkennen, dass ihm die Frage auf der Zunge lag, was es mit dieser Devereaux auf sich hatte, er schien sich jedoch seines Postens und seiner Position zu besinnen und antwortete stattdessen sachlich, in einem leicht nuscheligen Ton. „Da müssen Sie mit dem Captain drüber reden.“
    „Der-“ Diesmal war es Budd, der Nika die Stimme abschnitt und ihren Satz direkt korrigierte und weiterführte. „Is‘ grad wieder zurück in sein Büro gegangen.“ Der Detective stand von seinem Stuhl auf und gab ihr dabei ein Handzeichen, ihm zu folgen. „Kommen ‚se mit.“

    „Captain, wir stören ‚se mal.“ Verkündete Detective Budd, als er zusammen mit Nika das einzige echte Büro betrat. Kaum war die Tür hinter ihr verschlossen war der triebsame Lärm des Großraumbüros hinter ihr verschwunden. „Was gibt es?“ Wurde auch sofort nachgefragt, wobei die Agentin sich einen Augenblick nahm, um die höchste Persönlichkeit dieser Abteilung zu mustern und einzuschätzen. Der Captain war nur etwas größer als sie und hatte eine drahtige, wohl eher auf Athletik als auf Stärke ausgelegte Statur, worüber selbst die Uniform nicht hinwegtäuschen konnte. Der kurze Militärschnitt deutete auf eine Vergangenheit bei der Allianz zurück, wovon sich Nika aber nur wenig einschüchtern ließ – der Großteil von C-Sec Angehörigen hatte zumindest minimale militärische Erfahrung. „Die Frau hier ist vom Allianz Geheimdienst.“ Berichtete Budd weiter, wobei Nika nun einen Schritt vor machte und anfing, für sich selbst zu sprechen.

    „Mariann Adarrah, wie der Detective schon sagte, bin ich von der Allianz, Nachrichtendienst, um genau zu sein.“ Spezifizierte Nika ihre vermeidliche Herkunft und präsentierte dabei wieder einmal ihren Ausweis, was für ein kurzes Schweigen sorgte, welches erst von dem Captain wieder gebrochen würde. „Danke Detective, lassen Sie uns bitte alleine.“ Budd erhob keine Einwände und verließ umgehend den Raum, woraufhin der Captain fortfuhr. „Um was genau geht es?“ Fragte der erfahrene Polizist ohne viel drum herum zu reden und setzte sich erst jetzt in seinen Sessel. Nika nahm sich selbst die Erlaubnis, sich ebenfalls zu setzen und wieder holte sie ihren treuen Begleiter, die weiße Ledermappe, unter ihrem Arm hervor. Wieder zog sie den Auszug der Personalakte hervor und präsentierte diesen dem Captain, während sie ihm anschließend einen offiziellen Befehl des Allianz Geheimdienstes danebenlegte.

    „Diese Frau wurde von ihren Untergebenen vor knapp einer halben Stunde wegen Mordes und Körperverletzung verhaftet.“ – Genauso wie Detective Budd überprüfte auch Captain Hogan – den Namen hatte ebenfalls sein Namensschuld preisgegeben – den Wahrheitsinhalt dieser Aussage, sagte ihr gleichzeitig aber auch, sie solle ruhig fortfahren. „Miss Devereaux ist Undercover unterwegs und sehr nah dran, Informationen über eine extremistische Biotiksekte namens Die Seher zu ergattern.“ Nika machte eine kurze Pause, in welcher sie ein weiteres Datapad aus der Mappe hervorholte und es dem Captain überreichte. „Wir gehen davon aus, dass diese Sekte – unter turianischer Führung – sich auf Anschläge gegen Militär- und Zivilangehörige der Allianz vorbereitet. Sie wissen selber gut genug, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann.“ Die Agentin seufzte bei ihren letzten Worten und entledigte der Ledermappe nun auch das letzte Dokument. „Natürlich sind mehr als genug andere Gruppen daran interessiert, dass solche Anschläge Erfolg haben. Unter anderem auch eine Organisation namens Alpha Chimera, dieser Mister Mock, der die Anzeige gestellt hat, arbeitet nachweislich mit diesen zusammen. Er hat die Auseinandersetzung vor drei Tagen angezettelt, um dann im Nachhinein mit dieser Anzeige dafür sorgen zu können, dass Miss Devereaux ihre Ermittlungen nicht weiterführen kann.“
    Nika stoppte und verlagerte ihr Gewicht auf dem Sessel, wobei sie sich ihrer Sache immer sicherer wurde. „Das war jetzt schon mehr, als ich Ihnen sagen darf.“ Schloss sie mit einem wohlwollenden Ton ab. „Wir brauchen Miss Devereaux umgehend auf freiem Fuß und ohne, dass die C-Sec sie bei ihrer Arbeit nochmal behindert.“ Sie deutete zur Untermalung ihrer Aussage mit der Hand auf den Allianzbefehl, welcher ziemlich genau das aussagte.
    Was folgte war pure Stille, in welcher sich Hogan die verschiedenen Datapads ausführlicher, aber offensichtlich ohne absichtlich viel Zeit zu verschwenden, ansah. Nach einer gefühlten Ewigkeit seufzte er schließlich. „Ich wünschte mir, ihr Jungs und Mädels würdet uns einfach sagen, wer da draußen von euch ist und wer nicht – das würde uns allen diesen Stress ersparen.“
    Nika schmunzelte, wobei sie aufpassen musste, dass daraus kein triumphales Grinsen wurde. „Ja, aber leider können wir uns die Regeln auch nicht selber aussuchen – auch wenn die Filme das immer behaupten.“ Hogan brummte zustimmend, während er an seinem Terminal einige Eingaben tätigte, welche schließlich dafür sorgten, dass sich Devereaux‘ Straf- und Fahndungsregister öffnete – zumindest das offizielle davon. „Ich habe das Gefühl, jede Woche mindestens einen von euch hier vor mir sitzen zu haben.“ Dann hoffen wir doch mal, dass ich nicht gleich dem nächsten, echten, Agenten die Klinke in die Hand drücke. Der Captain zeigte ein knappes Grinsen, wurde dann aber sofort wieder sachlich. „Ihre Agentin wird wegen dieser Angelegenheit nicht mehr gestört werden, mir gefällt es nicht, die Rechtsgewalt an ihre Behörde zu übergeben, vor allem nicht was diesen Herrn… Mock betrifft, aber wenn es hier steht.“ Bei den letzten Worten hob der den Allianzbefehl hoch, überreichte diesen dann aber zusammen mit den restlichen Pads. „Danke.“
    „Wir danken Ihnen, nehme ich an.“ Ein richtiger Diplomat, wie’s aussieht. „Einer meiner Officers wird sie zur Zelle ihrer Kollegin führen, oder..?“ Nika schüttelte knapp den Kopf. „Nein, wir brauchen kein spektakuläres Ablenkungsmanöver, um sie unauffällig raus zu schaffen.“ Wieder musste der Captain grinsen, anschließend betätigte er aber einen der Taster auf seinem Arbeitsplatz und wies einen unbekannten Detective an, ihm einen Officer zu schicken.

    „Hey Buddy, ich wünsch dir viel Spaß bei deinen Fällen, während ich es mit meiner Frau am Strand von Eden Prime treibe!“ Nika sah sich automatisch nach demjenigen um, der das gesagt hatte, ohne wirklich zu wissen, was sie davon halten sollte. „Ach, scher dich zum Teufel!“ Antwortete Detective Budd ‚Buddy‘ bereits im nächsten Augenblick. Die Agentin wusste nicht wirklich, zu wem aus der ganzen Menge an Polizisten er das sagte, allerdings hatte sie auch keine weitere Zeit mehr, sondern folgte mit schnellen Schritten dem Officer, der sie auf direkten Weg zu dem Objekt - oder eher der Frau, was aber ersteres auch nicht ausschloss - ihrer Begierde führen sollte.

    „Da wären wir.“ Zusammen mit der Aussage öffnete der Officer die transparente Tür des genauso transparenten Raumes, der wohl als irgendeine Art Zwischenlagerung für Kriminelle gedacht war. „Lassen Sie uns bitte einen Moment allein... und sorgen Sie dafür, dass die Überwachungsanlage abgestellt wird.“ Wandte Nika sich an den Mann, nachdem sie das Gewahrsam bereits betreten hatte. Dieser bestätigte und schloss die Tür anschließend wieder, wobei er draußen auf weitere Anweisungen wartete.
    Tatsächlich, richtig hübsch anzusehen. Hoffentlich ist der Rest von ihr die ganze Mühe ebenfalls wert. „So.“ Die Agentin lehnte sich nun mit lose vor der Brust verschränkten Armen an die verschlossene Tür, wobei ihr Blick durchgehend auf der anderen Frau lag. „Ich hab gehört du warst ein ganz böses Mädchen.“ Das war's dann wohl mit dem seriösem Auftreten - wirklich gut gemacht, Nik.

    Uhrzeit: 18:03
    Geändert von Nika Violet Duran (05.06.2011 um 21:20 Uhr)

  6. #126
    ME FRPG only Avatar von Kate Devereaux
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    Die Citadel: C-Sec

    Kate hatte kaum die Augen geschlossen, um das Gespräch mit Dr. Edi nochmals im Geiste durchzugehen, damit ihr keine Fehler passieren würden, als sie wieder Geräusche vor ihrer Zelle hörte. Ein Officer ließ eine Frau mit asiatischen Gesichtszügen zu ihr herein. Die Biotikerin richtete sich auf, um ihren Besuch genauer zu inspizieren. Ihrer Kleidung nach zu schließen war sie keine weitere Anwältin oder sonstige Rechtsvertretung und der C-Sec dürfte sie auch nicht angehören. Kates Neugierde war geweckt. Die Neue schickte den C-Sec Typen weg und wandte sich ihr zu. „So. Ich hab gehört du warst ein ganz böses Mädchen.“

    Daraufhin legte Kate ihren Kopf ein wenig schief und musterte ihren Besuch eingehender. Sie schätzte, dass sie ungefähr in ihrem Alter war auch Größe sowie Statur waren ähnlich, außerdem war sie ebenfalls recht attraktiv. ‚Wollen sie sehen, wie ich mich in einem Zweikampf schlage? So nach der Devise, wenn unsere Gefangene mit der Frau fertig wird, dann muss sie wohl schuldig sein?’ Der sinnlose Gedanke amüsierte Kate, doch sie wusste, dass es natürlich nicht der Realität entsprach. Aber es gab noch andere Optionen und eine schien ihr sehr wahrscheinlich. Die Kleidung, das Auftreten, die persönliche Ansprache und der Wunsch, mit ihr alleine zu sprechen, ließen eigentlich nur einen Schluss zu.
    „Ich dachte der Besuch beim Kopfdoktor steht erst für morgen an.“, entgegnete Kate und grinste frech. Eine Therapeutin war sicherlich das Letzte, das sie gebrauchen konnte. „Aber wenn Sie schon einmal hier sind… setzen Sie sich doch.“
    Kate deutete auf den Hocker, auf dem vorhin noch der Anwalt saß.

    18:03
    Geändert von Kinman (05.06.2011 um 21:08 Uhr)

  7. #127
    Rookie Avatar von Nika Violet Duran
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    „Ich dachte der Besuch beim Kopfdoktor steht erst für morgen an.“ Freches Mädchen. Nika nickte bei der gut gewählten Konterantwort anerkennend, blieb aber weiter regungslos, bis Devereaux ihr einen Sitz anbot. Für solche Späße haben wir… – Die Agentin warf einen Blick auf die Uhr ihres PDAs, welchen sie kurz aus der Hosentasche zog. – ... na gut, zumindest ein paar Minuten.

    „Gerne doch.“ Antwortete die Agentin in höflichem Ton und war bereits nach drei, vier Schritten bei dem Sitzplatz angekommen, in welche sie sich dann auch hinein plumpsen ließ. Einen Moment lang herrschte eine gespannte Stille, die beide Frauen ausnutzten um sich gegenseitig mit prüfenden Blicken zu untersuchen und einzuschätzen. Die Kopfdoktorin, zu welcher sie nun wohl kurzfristig degradiert worden war, lehnte sich schließlich aber etwas vor. „Die Kameras sind aus, Sie können also frei aus der Seele heraus reden.“ Informierte sie Kate als erstes, wechselte dann aber auch unverzüglich wieder das Thema. „Erzählen Sie mir doch etwas über sich, Miss Devereaux… mögen Sie elegante Partys?“

    Uhrzeit: 18:03

  8. #128
    ME FRPG only Avatar von Kate Devereaux
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    Die Citadel: C-Sec

    Die mutmaßliche Therapeutin nahm das Angebot an und setzte sich mit einer gewissen Lockerheit, die nicht ganz in Kates Bild hineinpasste. Aber sie ließ sich davon nicht in die Irre leiten, sondern musterte ihr Gegenüber weiterhin, darauf wartend, dass sie das Wort eröffnen würde.
    „Die Kameras sind aus, Sie können also frei aus der Seele heraus reden.“ ‚Wusste ich es doch. Wie sollte ich mich jetzt verhalten? Entrüstet, verängstigt, normal?’ Die Biotikerin ging im Geiste ihre Optionen durch und versuchte herauszufinden, was am besten zu der Rolle passte, die sie gegenüber dem Anwalt an den Tag gelegt hatte. Doch sie wurde direkt in ihrem Gedankengang unterbrochen. „Erzählen Sie mir doch etwas über sich, Miss Devereaux… mögen Sie elegante Partys?“

    ‚Wie? Kein Wie-fühlen-Sie-sich?’ Kate wurde vorsichtiger. Ihr Unterbewusstsein sagte ihr, dass an der ganzen Situation etwas nicht stimmte, doch sie konnte es weder beweisen noch widerlegen. Somit entschloss sie sich vorerst einfach mitzuspielen. „Wenn andere bezahlen bin ich auf jeder Party.“ Sie zuckte kurz mit den Schultern und lehnte sich äußerlich entspannt zurück. „Wollen Sie mich ausführen und das Gespräch in einer angenehmeren Atmosphäre fortsetzen? Dann will ich Ihnen sagen, dass ich nur mit Leuten ausgehe, deren Namen ich auch kenne.“

  9. #129
    Rookie Avatar von Nika Violet Duran
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    Die Citadel – C-Sec

    „Wenn andere bezahlen bin ich auf jeder Party.“ Nika musste unweigerlich ein sachtes Grinsen andeuten, als sie über den Satz kurz und nicht mit vollem Ernst nachdachte. Wenn andere bezahlen? So-ein-Mädchen. „Wollen Sie mich ausführen und das Gespräch in einer angenehmeren Atmosphäre fortsetzen? Dann will ich Ihnen sagen, dass ich nur mit Leuten ausgehe, deren Namen ich auch kenne.“
    „Wissen Sie was, Miss Devereaux.“ Begann die Agentin plötzlich in lauerndem Tonfall, wobei sie sich nun wieder etwas zurücklehnte und Devereaux Körper mit dem Blick einmal überflog, so dass es dieser überhaupt nicht hätte entgehen können. Passend zu dieser Geste war ihre Stimme dann auch schon wieder entsprechend mehrdeutig. „Das ist eine… interessante Idee.“
    Nika stand in einer flüssigen Bewegung auf, bevor sie ihre Gegenüber mit zur Seite geneigtem Kopf und einer Hand an ihrem Gürtel hängend ansah. In der anderen Hand hielt sie nun ihren Militärausweis, welchen sie der anderen Frau präsentierte.

    „Mariann Adarrah.“ Stellte sie sich vor, bevor sie dann mit einer lockeren Geste in Richtung Tür nickte. „Kommen Sie? Aber keine Fragen, bis wir draußen sind, ja?“

  10. #130
    ME FRPG only Avatar von Kate Devereaux
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    Die Citadel: C-Sec

    Als ihre Besucherin den Vorschlag als interessante Idee bezeichnete, wollte Kate schon vorschlagen, diesen direkt in die Tat umzusetzen. Einfach nur um ihre Reaktion zu sehen. Doch die Frau stand plötzlich auf und fischte eine Karte heraus und zeigte sie Kate. Es war ein Militärausweis der Systems Alliance.
    „Mariann Adarrah.“, nannte sie nun auch ihren Namen. „Kommen Sie? Aber keine Fragen, bis wir draußen sind, ja?“

    „In Ordnung.“, erwiderte Kate und stand ebenfalls auf. Die Lockerheit war von ihrem Gesichtsausdruck verschwunden und machte einer gewissen Vorsicht Platz. Sie wusste jetzt nicht mehr, welches Spiel gespielt wurde, aber es war die beste Chance aus der Zelle rauszukommen. ‚Was zum Teufel hat die Allianz damit zu schaffen? Haben die auch dafür gesorgt, dass ich eingebuchtet wurde? Irgendetwas ist hier gewaltig faul. Mit der Allianz hatte ich bisher nichts am Hut.’ Allerdings kam niemand, um ihr Handschellen oder sonstige Fesseln anzulegen. Das und eine weitere Überrauschung am Weg nach draußen stimmten sie positiver, ohne ihr jedoch die Verwirrung zu nehmen. Von einem - überaus höflichen - C-Sec Officer bekam sie nämlich ihre Sachen und ihre M-6 Carnifex wieder.

    Fragen brannten ihr auf der Zunge, doch sie verhielt sich weiterhin still, bis sie schließlich gebeten wurde, in ein schwarzes, recht luxuriöses Fahrzeug einzusteigen. Als die Türen jedoch geschlossen waren, blickte sie zu Mariann, die auf dem Fahrersitz saß. ‚Und was ist, wenn sich meine Eltern dazu entschlossen haben, mich gewaltsam nach Hause zu holen?’, fuhr es ihr plötzlich durch den Kopf. Die vielen Gedanken in der Zelle hatten sie für dieses Thema sensibilisiert und darum musste sie daran denken, so absurd es auch klang.

    „Vielleicht sollten wir nochmals von vorne beginnen.“, meinte Kate und ein leicht fordernder Tonfall schlich sich ein. „Am besten bei meiner Ankunft hier auf der Citadel.“
    Geändert von Kinman (05.06.2011 um 22:47 Uhr)

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